Der Kraftstoff HVO 100 ist seit ein paar Monaten an deutschen Tankstellen verfügbar. Was steckt dahinter? Wir erklären, wo es ihn gibt, welche Autos damit betankt werden können und wie umweltfreundlich er ist.
Seit Ende Mai dieses Jahres darf HV 100 an deutschen Tankstellen verkauft werden. Zum Teil wird der „Ökodiesel“ als nachhaltige Alternative angepriesen, da er aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden kann. Doch Umweltverbände üben auch heftige Kritik an dem neuen Kraftstoff.
Was ist richtig? Dieser Artikel klärt die wichtigsten Fragen zu HVO 100.
Was ist HVO 100?
Die Abkürzung HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oil“, also Pflanzenöl, das mit Wasserstoff behandelt ist. Konkret durchlaufen Pflanzenöle dafür eine katalytische Reaktion und werden so umgewandelt in Kohlenwasserstoffe, erklärt der ADAC. Auf diese Weise werden die Öle an Dieselkraftstoff und andere fossile Kraftstoffe angepasst. Zur Herstellung von HVOs kommen unter anderem alte Speiseöle, aber laut Verbraucherzentrale auch tierische Fette zum Einsatz.
Bei HVO 100 handelt es sich um Dieselkraftstoff, der komplett – also zu 100 Prozent – aus HVO besteht. Die hydrierten Pflanzenöle können handelsüblichem Diesel nämlich im Fall von anderweitigem HVO auch nur beigemischt werden.
HVO 100 gehört zu den sogenannten paraffinischen Dieselkraftstoffen, die als XTL abgekürzt werden. Das steht für „X to Liquid“, zu Deutsch: „X zu Flüssigkeit“. Das X dient als Variable, weil diese Diesel aus verschiedenen Quellen hergestellt werden können – beispielsweise auch aus Kohle, Erdgas oder Biomasse.
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Wo gibt es HVO 100 zu tanken?
In Deutschland darf HVO 100 erst seit Ende Mai 2024 an Tankstellen verkauft werden. Demzufolge ist der Diesel hierzulande bisher noch nicht an vielen Tankstellen verfügbar, wie der Verein eFuelsNow e.V. zeigt. In anderen europäischen Ländern ist HVO 100 bereits länger erhältlich und wird an deutlich mehr Tankstellen verkauft. Er ist zum Beispiel in Österreich und den Niederlanden zu finden sowie in Italien.
Ausgehend von diesen Ländern spricht der ADAC beim Preis von fünf bis zu 20 Cent mehr pro Liter HVO 100 gegenüber normalem Diesel. Für den höheren Preis sind laut Verbraucherzentrale höhere Kosten für die Produktion und verwendeten Rohstoffe sowie die noch geringe Verbreitung verantwortlich. Sie beruft sich dabei auf Herstellerangaben.
Bundesverkehrsministerium und ADAC (in einer Pressemitteilung) hoffen zumindest, dass sich der Preis von HVO 100 langfristig dem für handelsüblichen Diesel annähert, weil es nicht der CO₂-Steuer unterliegt.
Der „Pflanzenkraftstoff“ ist nicht für alle Diesel-Pkws geeignet
Längst nicht alle Dieselfahrzeuge akzeptieren HVO 100 als Kraftstoff. Moderne Diesel haben oft keine Probleme mit HVO 100. Das gilt sowohl für Pkws als auch Lkw, Busse und andere Fahrzeuge. Ältere Dieselmotoren funktionieren jedoch nicht mit dem pflanzlichen Treibstoff.
Bevor du HVO 100 tankst, solltest du im Fahrzeughandbuch nachschauen, ob dein Pkw mit dem „Biokraftstoff“ kompatibel ist. Überprüfe zudem, was im Tankdeckel vermerkt ist. Hier sollte HVO 100 beziehungsweise die Abkürzung XTL vermerkt sein. Frage im Zweifel beim Hersteller nach, ob dein Fahrzeug den Kraftstoff tanken kann.
Tipp: Die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) hat eine Liste erstellt, in der alle HVO-100-kompatiblen Fahrzeuge vermerkt sind. Darunter sind beispielsweise Modelle von BMW, VW, Renault und Opel.
Wenn dein Pkw mit HVO 100 fahren kann, ist es darüber hinaus kein Problem, den „pflanzlichen“ Kraftstoff mit normalem Diesel zu mischen. Wie sich HVO 100 langfristig auf Autos auswirkt, ist bisher nicht erforscht. Die Verbraucherzentrale geht eher von positiven Effekten, etwa auf die Motorleistung, aus.
Ist HVO 100 wirklich umweltfreundlich?
Die Nachhaltigkeit von HVO 100 ist umstritten. Potenzial in dem Kraftstoff sieht zum Beispiel der ADAC in seiner Pressemitteilung zum Thema: Was die Nachhaltigkeit betreffe, müsse HVO 100 strenge Kriterien erfüllen. Es sei etwa nicht zulässig, empfindliche Ökosysteme für die Herstellung zu beeinträchtigen. HVO 100 könne die CO₂-Emissionen außerdem um bis zu 90 Prozent reduzieren.
Die Verbraucherzentrale sieht ähnliches Potenzial bei der Senkung des CO₂-Ausstoßes. Ob HVO 100 umweltfreundlich ist, macht sie allerdings von verschiedenen Faktoren abhängig. Wichtig seien unter anderem die Rohstoffe zur Herstellung, die aus nachhaltigen und zertifizierten Quellen kommen müssten. Denn es sei ebenso möglich, HVO 100 aus nicht umweltfreundlichem Palmöl zu produzieren.
Die zur Herstellung gebrauchten Pflanzenöle und tierischen Fette könnten laut Verbraucherzentrale zudem nun in anderen Bereichen wie der Kompostierung fehlen. Daher sei es denkbar, dass zusätzliche Pflanzen nur für HVO 100 angebaut werden, was wenig umweltfreundlich wäre. Zu berücksichtigen seien auch mögliche lange Transportwege und wo der Wasserstoff herkomme, der zur Produktion des Kraftstoffs nötig sei.
Ähnliche Kritikpunkte bringt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) an. Es sei kaum möglich, nachzuweisen, welche Rohstoffe zur Herstellung verwendet würden. Wirklich nachhaltiger HVO-Diesel, etwa aus altem Speiseöl, werde schon jetzt mit fossilen Kraftstoffen gemischt. Mehr davon lasse sich nicht herstellen.
Für Umweltverbände ist HVO 100 der falsche Weg
Die schärfste Kritik an HVO 100 kommt von Umweltorganisationen wie dem Nabu, Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe. Sie sehen noch eine Reihe weiterer Probleme. So würden zum Beispiel viele Rohstoffe zur HVO-100-Herstellung importiert, das Betrugsrisiko sei hoch und die Abkehr von fossilen Brennstoffen werde dadurch verzögert.
Die Umweltorganisationen sehen die Zukunft eher in der Reduktion des Autoverkehrs. Im Vordergrund sollten Fußgänger:innen, Fahrradfahren, ÖPNV, Züge sowie Elektromobilität stehen. Für den Klimaschutz seien E-Autos sinnvoller, weil deren Wirkungsgrad rund dreimal höher ist als der von fossil betriebenen Pkws. Das mache sie wesentlich effizienter.
Tipp: Die Kosten für ein Elektroauto und warum es sich rechnen kann, erfährst du im verlinkten Artikel. Außerdem gibt es noch weitere sinnvolle Gründe für ein E-Auto, zum Beispiel die steigende Reichweite. Hier prüfen wir auch weitverbreitete Mythen über Elektro-Pkws:
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