Fressen und gefressen werden: Das Nahrungsnetz ist komplexer, als wir denken. In der Natur hängt alles – bei Nahrungsnetzen werden diese Zusammenhänge deutlich. Wir erklären sie dir anhand von Ökosystemen im Wasser und an Land.
Verglichen mit einer Nahrungskette sind Nahrungsnetze einem Kreislauf ähnlicher. Sie haben keinen Anfang und keinen Schlusspunkt und zeigen realitätsnäher, wer wen frisst und umgekehrt. Nehmen wir die Schildkröte als Beispiel: Sie frisst nicht nur Schwämme und wird gleichzeitig auch nicht nur von einem Hai gefressen.
Das Wissen um ein Nahrungsnetz sensibilisert und gibt außerdem Antworten auf Fragen wie: „Warum ist es schlimm, dass Menschen Heringe überfischen?“
Wie ist das Nahrungsnetz aufgebaut?
In einem Ökosystem – egal ob an Land oder im Wasser – gibt es immer sogenannte Produzenten, Konsumenten und Destruenten. Als Produzenten gelten die Lebewesen, die Energie erzeugen können, ohne dafür andere Organismen konsumieren zu müssen. Pflanzen bilden den Ausgangspunkt eines Nahrungsnetzes, schreibt die Stiftung Unternehmen Wald. Kräuter, Blumen und Algen produzieren Energie durch Photosynthese und sind so nur auf die Sonne und den Regen angewiesen.
Zusätlich beziehen Pflanzen Kraft aus Nährstoffen, die von den Destruenten produziert werden. Destruenten zersetzen Kadaverreste und Tiere, die an Krankheit oder Altersschwäche gestorben sind. Das sind oft Pilze, Würmer und Bakterien.
Konsumenten sind schlussendlich alle Pflanzen- und Fleischfresser. Tiere, die sich von Pflanzen ernähren, werden Primärkonsumenten genannt, während Fleischfresser Sekundärkonsumenten sind. Sie ernähren sich von Pflanzenfressern. Spitzenprädatoren sind Tiere, die so gut wie keine natürlichen Feinde haben und an der Spitze der Nahrungskette stehen. Zu den bekannten Spitzenprädatoren der Erde zählen Haie, Wölfe, Bären, Raubkatzen und Menschen.
Nahrungsnetz im Mischwald
Im Wald gibt es viele Produzenten und Primärkonsumenten. Ein typischer Primärkonsument ist der Feldhase. Er ernährt sich von Kräutern, Gräsern und Wurzeln. Es gibt aber auch Tiere, die sowohl Pflanzen- wie auch Fleischfresser sind. Das Eichhörnchen ist ein Allesfresser. Es frisst Eicheln und Buchenblätter, aber auch Käfer und Raupen.
Raupen fressen ebenfalls Buchenblätter, genau wie Blattläuse. Blattläuse werden von Vögeln gefressen, zum Beispiel der Kohlmeise.
Die Kohlmeise ist ein kleiner Vogel und muss sich vor Füchsen und Greifvögeln, wie dem Bussard, in Acht nehmen. Neben der Kohlmeise frisst der Bussard auch Eichhörnchen und Marder. Ein Marderhund, wie der volle Name schon sagt, gehört übrigens nicht zu den Nagetieren, sondern zu der Familie der Hundeartigen.
Auch wenn der Marder Fressfeinde unter den Greifvögeln und Füchsen hat, bleibt sein größter Feind der Mensch. Nabu wirbt für mehr Verständnis für die Raubsäuger. Jäger:innen sehen in Mardern, Waschbären und Illtissen eine Bedrohung für gefährdete Tierarten. Als geschickte Jäger, die schwache und kranke Tiere reissen, halten sie allerdings die Balance im Ökosystem. Laut Nabu gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass in Gebieten, in denen Raubsäuger nicht bejagt werden, die Balance auch unter den gefährdeten Arten erhalten geblieben ist.
Nahrungsnetz in einem europäischen See
Algen sind die Grundnahrung für viele Tiere im See. So fressen Wasserflöhe und Mückenlarven mit Vorliebe Algen. Auch wenn Mücken ein schlechtes Image haben, sind sie wichtig: Schon im Larvenstadium dienen sie als Nahrung für Fische, Vögel, Spinnen und Frösche.
Doch ein Frosch oder ein Karpfen kann schnell selbst zur Beute eines Hechts werden. Dieser Fisch ist ein sehr flinker Räuber. Er kann sich unter Wasser sicher fühlen. Doch bleibt er zu lange an der Wasseroberfläche, droht Gefahr aus der Luft: Für einen Seeadler ist der Hecht ein Leckerbissen.
Auch der Frosch muss achtsam durch den Tag hüpfen, denn fast an jedem See lebt und lauert ein Graureiher. Ausgewachsen hat die geschützte Art keine Feinde. Junge Tiere oder Nestküken können allerdings von Füchsen und Seeadlern gerissen werden.
Das Nahrungsnetz der Ozeane: Alaska und Malediven
Je artenreicher ein Gebiet, desto komplexer das Nahrungsnetz. Logisch, denn je mehr Tiere, desto mehr Räuber und deren Beute gibt es. In Alaska ist das Netz noch dünn gesponnen, auf einem Riff im indischen Ozean ist es dichter.
Vor der Küste Alaskas
Im Licht der Sonne erblüht das Phytoplankton, der Produzent bildet kilometerweite Teppiche. Die Blütezeit überschneidet sich mit dem Schlüpfen von Pazifikheringen, die das Plankton fressen. Sie sind in diesem Nahrungsnetz die Primärkonsumenten.
Heringe werden wiederum gerne von Delfinen und Seevögeln gefressen. Aber nicht nur: Nachdem Delfine und Vögel die Heringe an die Oberfläche des Wassers getrieben haben, können andere Räuber wie Seelöwen und Orcas mit der Jagd beginnen. Dabei muss sich der Seelöwe vorsehen, denn er steht neben Heringen ganz oben auf dem Speiseplan des Orcas.
Korallenriff auf den Malediven
Im Korallenriff wird das Netz etwas dichter. Neben klassischen Produzenten wie den Macroalgen und dem Phytoplankton gibt es die organische Materie und den Schwamm. Von der organischen Materie (meistens Pflanzenreste) ernähren sich Garnelen und der Drückerfisch, während der Schwamm, der sich vom Phytoplankton ernährt, einzig für die Schildkröte von Bedeutung ist.
Währendessen sind die Macroalgen und das Phytoplankton nicht nur bei Schildkröten beliebt, sondern unter verschiedenen Fischarten wie dem Falterfisch, Papageienfisch oder Riffbarsch. Korallen zum Beispiel ernähren sich ausschließlich vom Phytoplankton.
Unter den Fischen gibt es einen gefährlichen Räuber, den Zackenbarsch. Neben Garnelen und Fischen frisst er auch Babyschildkröten. Garnelen wiederum werden gerne von dem intelligenten Kopffüßer, dem Kraken, gefressen.
Der unangefochtene Spitzenprädator des Nahrungsnetzes am Riff ist der Schwarzspitzenhai. Er frisst nicht nur den Zackenbarsch, sondern auch Schildkröten und andere Fischarten. Gleichzeitig hat er selbst keine natürlichen Fressfeinde.
Warum sind Nahrungsnetze wichtig?
Nahrungsbeziehungen innerhalb eines Ökosystems sind oft sehr komplex. Die oben beschriebenen Nahrungsnetze sind vereinfacht und könnten um viele Arten ergänzt werden. Selbst für die Forschung der Ökologie ist es nicht immer einfach, den Überblick in einem Ökosystem zu behalten. Nahrungsnetze sind laut des Nationalparks Wattenmeer ein wichtiges Werkzeug, um Nahrungsbeziehungen auf Störungen wie kalte Winter oder Überfischung zu untersuchen.
Die meisten Ökosysteme sind aus dem Gleichgewicht geraten. Abholzung verkleinert Wälder und auch das warme Klima lässt Bäume sterben. Durch das anhaltende Bienensterben fehlt es an Bestäubern für Pflanzen. Ohne Bienen auch kein Obst, welches Waldtieren und Menschen als Nahrung dient. Kränkelt der Wald, kränkeln auch wir. Laut WWF ging die Abholzung von vier Prozent eines Waldes mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle beim Menschen einher. Ein enger Kontakt mit Wildtieren bedeutet erhöhte Gefahr für Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die von Tier auf Mensch überspringen können.
Vor allem im Meer ist die Lage dramatisch: Der Mensch überfischt viele Fischarten, die dann anderen Tieren als Futter fehlen. WWF schreibt in diesem Zusammenhang von dem Phänomen des „Fishing down the food web“. Fischkutter fischen vor allem große Fische. Sollten diese jedoch irgendwann überfischt sein, werden kleinere Fische angepeilt, die zuvor den größeren als Beute dienten. Diese Art des Fischfangs bringt das ökologische Gleichgewicht ins Wanken und lässt Raubtiere hungern.
Der Schwund einzelner Arten hat Auswirkungen auf das ganze Nahrungsnetz. Weniger Insekten bedeutet weniger Nahrung für Vögel, weniger Vögel bedeutet weniger Nahrung für Raubsäuger. Natur- und Artenschutz gelingt nicht, wenn nur einzelne Tiere oder Pflanzen geschützt werden. Der Mensch muss lernen ein Ökosystem als eine Einheit zu sehen, in der alles aufeinander angewiesen ist.
Du möchtest mehr über Nahrungsnetze lernen? Auf der Seite des Office for Climate Education kannst du Schritt für Schritt ein marines Nahrungsnetz aufbauen und es so besser kennenlernen. Viel Spaß!
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