Naturstein – ja, das klingt doch schon nach Natur! Doch deren Nachhaltigkeit ist alles andere als in Stein gemeißelt. Utopia zeigt, worauf du achten kannst.
Seit Jahrtausenden verwenden Menschen Naturstein als Baumaterial. Die Einsatzzwecke waren und sind so vielfältig wie die Steine selbst: Außenfassaden, Wandverkleidungen innen, Bodenbeläge im Innen- und Außenbereich, Arbeitsplatte, Badewannen, Waschbecken und noch viel mehr.
Je nach Gesteinsart erfordert die Gewinnung und Bearbeitung von Naturstein verhältnismäßig wenig Energie. Außerdem sind Natursteine langlebiger und widerstandsfähiger als viele andere Baustoffe. Seine Entsorgung ist im Vergleich zu anderem Baumaterial weniger problematisch, weil normalerweise keine Giftstoffe enthalten sind.
Naturstein scheint also ein ökologisch verträgliches und nachhaltiges Material zu sein, schließlich tragen die Steine die Natur schon im Namen. Doch ganz so einfach ist das nicht. An manchen Gesteinsbrocken haben Ökosystem und Nachhaltigkeit ganz schön zu schlucken. Utopia verrät dir, worauf du bei Natursteinen in Sachen Nachhaltigkeit achten solltest.
Naturstein ist vielfältig – aber nicht immer langlebig
Natursteine sind nur dann langlebig, wenn sie in ihrer Beschaffenheit zum geplanten Verwendungszweck passen. Das beste Beispiel dafür sind historische Bauwerke wie etwa Kirchen aus Sandstein, die aufwendig und oft restauriert werden müssen, um sie vor dem Verfall zu bewahren.
Die Nachhaltigkeit beginnt also mit der Suche nach dem geeigneten Naturstein. Dazu solltest du wissen, welche Gesteinssorten es gibt. Die grobe Einteilung erfolgt nach Zusammensetzung oder Entstehung der Steine. In der Zusammensetzung unterscheidet man:
- Karbonatgesteine sind die kalkhaltigen Gesteinsarten wie Kalkstein, Kalksandstein, Dolomit oder Marmor. Sie sind relativ weich und damit einfach abzubauen und zu bearbeiten, eignen sich aber weniger für den Einsatz im Außenbereich.
- Silikatgesteine sind härter, witterungsbeständiger und entwickeln keine Patina. Damit sind sie besser für den Außenbereich geeignet.
Entsprechend der Entstehung gibt es:
- Tiefen- und Ergussgesteine wie Granit, Diorit, Basalt oder Porphyr entstanden entweder bei der Entstehung von Gebirgszügen oder bei Vulkanausbrüchen aus der Lava. Eingesetzt werden diese Natursteine innen und außen.
- Umwandlungs- und Sedimentgesteine wie kristalliner Marmor, Travertin oder Serpentin werden gerne im Innenbereich, für Wandverkleidungen oder Böden genutzt. Für draußen sind diese Steine weniger geeignet.
Wie nachhaltig ist Naturstein?
Natursteine sind überall, gerade in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit den zahllosen Bergen, als abbaubares Material vorhanden. Sie benötigen meist nur einen geringen Energieaufwand zum Abbau und zur Bearbeitung. Durch die weltweiten Vorkommen könnten Transportwege vom Steinbruch zur Baustelle kurz gehalten werden, ein weiterer Pluspunkt in der Öko-Bilanz.
Natursteine sind damit Baustoffen wie Zement oder Beton aus ökologischer Sicht überlegen. Dazu kommen noch Aspekte wie eine gute Wärmeleitfähigkeit, die bei einer Fußbodenheizung zu niedrigerem Energieverbrauch und geringeren Heizkosten führt. Damit wäre ein passender, sorgfältig ausgewählter Naturstein als Material für die Gestaltung von Innen- und Außenbereichen ein vergleichsweise nachhaltiges Material.
Wäre – gäbe es nicht ein paar bedenkliche Faktoren.
Kinderarbeit und Sklaverei
Ökologisches Bauen mit Naturmaterialien ist im Trend, aber die Kosten sollen trotzdem möglichst niedrig sein. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, das gilt auch für Natursteine. Naturstein ist schön und gut zu verarbeiten, Naturstein aus Europa aber auch verhältnismäßig teuer. Viel günstiger sind Importsteine aus Fernost, meist Indien oder China. Entsprechend werden diese Steine auch nachgefragt und importiert.
Sonderangebote freuen die Konsumenten, die günstig an einen schönen Steinboden kommen. Qualitativ ist an diesen Natursteinen auch nichts auszusetzen, sie sind sicher genauso langlebig wie die aus deutschen, österreichischen oder italienischen Steinbrüchen. Aber billig hat immer einen Preis, und der ist in diesem Fall hoch: Fehlende Schutzausrüstung und Kinderarbeit sind in den Steinbrüchen häufig zu finden, auch Schuldknechtschaft, bei der geliehenes Geld mit Zinsen abgearbeitet wird.
Die Betreiber senken so die Kosten für den Abbau und damit den Preis für die Konsumenten in Europa. Wer des Preises wegen günstige Importware kauft, muss sich also bewusst sein, damit Kinderarbeit, Ausbeutung und moderne Sklaverei zu unterstützen. Unter sozialen Gesichtspunkten solltest du um billigen Import-Naturstein daher einen Bogen machen.
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Sehr weite Transportwege
Doch die billige Importware hat noch einen anderen Haken: die langen Transportwege. Naturstein wird den größten Teil der Strecke mit dem Schiff transportiert, eine vergleichsweise emissionsarme Transportmethode. Das Argument, der Transport vom Steinbruch mit dem LKW wäre umweltschädlicher, können wir aber nicht gelten lassen. Schließlich müssen die Natursteine zum und vom Schiff transportiert werden – mit dem LKW. Ebenfalls unrichtig ist, dass die Steine ja ohnehin zum Beschweren der Schiffe gebraucht würden. Die heutige moderne Container-Beladung ist längst unabhängig von irgendwelchen Steinen zum Ausgleich. Import-Natursteine hinterlassen also schlicht einen unnötig großen ökologischen Fußabdruck.
Naturstein ist nicht per se schlecht
Naturstein ist trotz dieser Probleme kein schlechtes Material. Er hat, wie oben beschrieben, durchaus seine Vorteile. Nachhaltig zu handeln heißt hier, genau hinzusehen und nachzufragen, woher der angebotene Naturstein kommt.
Auch Importware aus Indien oder China ist nicht per se schlecht. Hier fragst du am besten auch nach einem Zertifikat von Win=Win Fair Stone, XertifiX oder TFT Responsible Stone Program. Diese stehen für faire Arbeitsbedingungen bei der Gewinnung und Verarbeitung von Naturstein. Damit lässt sich einer der großen Nachteile der Import-Natursteine weitgehend vermeiden, nämlich soziale und ethische Probleme bei der Gewinnung. Der lange Transportweg bleibt freilich bestehen.
Noch besser wäre es allerdings, bei heimischen Steinbrüchen und Steinmetzbetrieben zu kaufen. Naturstein mag dort vielleicht teurer sein. Dafür kannst du so die ökologischen Vorteile des Materials voll ausnutzen und dich mit gutem Gewissen an schönen Steinen für zuhause freuen.
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