Wie viele Schadstoffe stecken wirklich in Shein-Kleidung? Geht sie tatsächlich so schnell kaputt? Öko-Test geht diesen Fragen auf den Grund. Die Tester:innen erwarteten Schlimmes – und sind trotzdem fassungslos.
Dass Shein-Kleidung problematisch ist, haben zahlreiche Recherchen und Medienberichte gezeigt. Eine zusätzliche Analyse durch Öko-Test wirkt demnach fast überflüssig – die Ergebnisse überraschen dann teils aber doch. Die Tester:innen veröffentlichten ihren Testbericht erstmals in der August-Ausgabe 2024. Die Testergebnisse wurden jetzt neu im Jahrbuch Kinder und Familie für 2025 veröffentlicht und die Produkte neu getestet, sofern sich Herstellerangaben geändert haben oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen.
Shein-Produkte bei Öko-Test: Zwei Drittel fallen durch
Die Tester:innen bestellten 21 Kleidungsstücke für Damen, Herren, Babys und Teenager über den Onlineshop, inklusive ein Paar Schuhe für jede Zielgruppe. Die Produkte ließen sie im Labor auf bestimmte Schadstoffe prüfen – und darauf, ob die Stoffe sich aus der Kleidung lösen, etwa durch Schweiß oder Speichel.
Ein Textillabor wusch die Kleidung mehrmals, um zu testen, wie lange sie hält. Auch für die Schuhe simulierten sie Nutzung. Zu den Arbeitsbedingungen der Produzent:innen forderte Öko-Test Informationen per Fragebogen an. Denn über diese gibt es kaum belastbare Informationen – die NGO Public Eye sprach 2021 mit zehn Arbeiter:innen, die von Arbeitstagen mit elf bis zwölf Stunden erzählten, bei einem freien Tag im Monat. Und das ohne festen Arbeitsvertrag und Sozialleistungen. Eine Nachrecherche vom Mai zeigte wenig Verbesserungen. Gegenüber Öko-Test hielt Shein sich bedeckt.
In der August-Ausgabe heißt es: „Shein ließ alle Fragen zur unternehmerischen Verantwortung unbeantwortet.“ Laut Jahrbuch habe sich das Unternehmen jedoch nach Veröffentlichung des Tests bei Öko-Test gemeldet und von hohen Investitionen gesprochen, „um Governance und Compliance ent- lang der gesamten Lieferkette zu stärken.“ Die Fragen blieben offenbar trotzdem unbeantwortet. Die Tester:innen bewerteten die Produkte im Bereich Unternehmensverantwortung (CSR) deshalb durch die Bank mit „ungenügend“ – weshalb selbst andernfalls tadellose Produkte insgesamt nur „ausreichend“ abschnitten.
Insgesamt erhielten sieben Produkte diese „Bestnote“. Elf Produkte fielen mit „mangelhaft“ und drei mit „ungenügend“ durch.
Schadstoffe und Abnutzung: Sandalen schockieren Öko-Test
Acht Produkte wiesen Rückstände giftiger Chemikalien auf. Das ist nicht weiter überraschend: Greenpeace hat schon 2022 47 Artikel analysiert und in 15 davon gefährliche Chemikalien entdeckt, teils in bedenklichen Mengen – Utopia berichtete. Dass es Belastungen gibt, war also abzusehen. Das Ausmaß überrascht dann aber doch.
„Sandalen für Damen Leo mit Fußbett“ („ungenügend“, 16 Euro) seien „bis obenhin voll mit gesundheitsschädlichen Chemikalien“, schreiben die Tester:innen. Die Gehalte für Blei, Cadmium und Phthalate lagen außerdem über den Grenzwerten des EU-Chemikaliengesetzes REACH – bei Phthalaten sogar um den Faktor 15, was Öko-Test eigenen Angaben zufolge fassungslos machte. Die gefundenen Phtalate können ungeborene Kinder schädigen und wirken sich auf Fruchtbarkeit aus – zudem stehen sie laut Öko-Test im Verdacht, hormonell wirksam zu sein und Fortpflanzungsorgane zu beeinträchtigen. Im Praxistest hielt der Schuh übrigens nur 14.000 Schritte durch, bevor die linke Sohle brach. Auch dafür zogen Tester:innen Punkte ab.
Auch ein Paar „Herren Sandalen, schwarz, Gr. 42“ („ungenügend“, 16,50 Euro) enthielt zu viel Phthalate und übertraf die REACH-Grenzwerte für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) – um den Faktor 22. Dazu fand das Labor viele weitere Schadstoffe. Das Paar war bereits nach 5.700 Schritten kaputt. Laut Jahrbuch wurden die Produkte, die EU-Grenzwerte überschritten, inzwischen aus dem Verkauf genommen.
Shein-Test: „Wer wäscht ein Babyhandtuch von Hand?“
Andere Produkte waren mit einzelnen Schadstoffen belastet, darunter ein rosa Pyjama und ein T-Shirt mit Herzmotiv. Auch Kinderkleidung war betroffen, etwa eine Jeans für Jungen, die halogenorganische Verbindungen aufwies. Aus dem Produkt namens „Baby Mädchen Kleid mit Einhorn Muster“ („mangelhaft“, 12,99 Euro) löste sich offenbar Antimon. Öko-Test warnt, dass das Material per Schweiß aufgenommen und im Blut hochgiftig wirken kann. Im „Shein Teenager Hoodie & Hose & Schwarzes Top, schillernd bunt, Gr. 11-12Y“ („ungenügend“, 19,99 Euro) wurde Dimethylformamid gefunden, welches als wahrscheinlich fruchtbarkeitsschädigend eingestuft wird.
Die drei Waschgänge überstand ein Großteil der Teile gut. Eine Outdoor-Cargohose lief allerdings stark ein, die zwei Lederjacken im Test nahmen ebenfalls Schaden, und der Katzenaufdruck eines T-Shirts zeigte Risse. Ein Hoodie durfte laut Waschhinweis nur per Hand gewaschen werden, obwohl im Onlineshop steht, dass man ihn in die Maschine geben kann. Bei einem Babyhandtuch stießen Tester:innen auf ein ähnliches Problem.
„Doch wer wäscht ein Babyhandtuch von Hand?“, fragen die Tester:innen. Shein schütze sich so vor Reklamationen, produziere im schlechtesten Fall jedoch Einwegtextilien.
Alle Details findest du im Öko-Test Magazin 08/2024, im Jahrbuch Kinder & Familie 2025 sowie online auf www.ökotest.de.
Shein äußert sich zu Vorwürfen
Shein hat inzwischen in einer Unternehmenserklärung auf den Testbericht reagiert. Der Konzern erklärte, man werde jene Produkte aus dem Verkauf nehmen, die laut Öko-Test nicht gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Außerdem wurden weitere Untersuchungen angekündigt.
Eine Unternehmenssprecherin betonte, dass Shein großen Wert auf die Sicherheit und Gesundheit von Kund:innen lege. „Wir verlangen von unseren Lieferanten die Einhaltung strenger Kontrollen und Standards, die an europäischen und globalen Standards wie REACH ausgerichtet sind“, hieß es. Man führe mit „führenden, internationalen externen Prüfagenturen“ regelmäßige Produkttests durch, um sicherzustellen, dass Lieferanten diese Standards einhalten. So wurden im vergangenen Jahr insgesamt über 400.000 chemische Sicherheitstests durchgeführt.
Die Probleme mit Ultra-Fast-Fashion
Shein und Konkurrent Temu verkaufen ultra-günstige Mode, die sie in Rekordgeschwindigkeit produzieren und vermarkten – vor allem in den sozialen Medien. Das Konzept wird als Ultra-Fast-Fashion bezeichnet – und ist vor allem bei jungen Menschen beliebt. Doch die Billigmode birgt auch zahlreiche Probleme:
Wie Öko-Test zeigt, gehen Teile schnell kaputt, was Müll verursacht und die Umwelt belastet. Giftstoffe beeinträchtigen die Gesundheit der Käufer:innen und die günstigen Preise kommen wahrscheinlich durch Ausbeutung entlang der Lieferkette zustande. Hinzu kommt, dass der weltweite Lufttransport durch chinesische Ultra-Fast-Fashion-Händler beeinträchtigt wird und die Unternehmen Kosten für Zoll und Steuern mit Tricks umgehen – Utopia berichtete.
Und schließlich fördern die Shops durch zahlreiche Verkaufstricks Überkonsum. Die Verbraucherzentrale mahnte Shein wegen Manipulation ab. Das Unternehmen unterzeichnete eine Unterlassungserklärung für bestimmte Praktiken. Wie Shein und Konkurrent Temu Nutzer:innen zum Kauf bewegen, erklärt eine Psychologin im Utopia-Podcast. Bis Ende August muss Shein zudem neuen Anforderungen der EU gerecht werden.
Utopia meint: Günstige Mode geht auch ohne Shein
Es gibt zahlreiche Gründe, nicht bei Shein zu shoppen – der Umwelt, der sozialen Gerechtigkeit und der eigenen Gesundheit zuliebe. Dafür sprechen eigentlich nur die günstigen Preise. Dabei kann man auch auf andere Weise bei Mode Geld sparen, und trotzdem bequem per Smartphone shoppen, etwa über Secondhand-Plattformen. Die Utopia-Community empfiehlt unter anderem Momox Fashion (auf der Plattform gibt es einen eigenen Bereich für nachhaltige Marken), Sellpy, Vinted, Kleinanzeigen und Second Life Fashion.
Mehr Tipps: Günstig, aber nicht von Temu oder Shein: 7 Alternativ-Tipps für preiswerte Mode
** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.War dieser Artikel interessant?