Phthalate: Das solltest du über den Weichmacher wissen Von Sven Christian Schulz Kategorien: Wissen & Technik Stand: 16. Februar 2024, 09:00 Uhr Foto: CC0 / Pixabay / FeeLoona Phthalate sollen als Weichmacher Kunststoffe elastisch machen. Einige Stoffe sind aber gefährlich für die Gesundheit, sagen Expert:innen. Phthalate kommen nicht nur in Plastik-Verbindungen vor, sondern in vielen weiteren Produkten. Phthalate sind eine Gruppe von Chemikalien, die oft als Weichmacher in Kunststoffen verwendet werden, um sie flexibler zu machen. Sie sind in einer Vielzahl von Produkten zu finden, darunter Spielzeug, Kosmetika und sogar in einigen Lebensmittelverpackungen. Obwohl sie weit verbreitet sind, gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer potenziellen Auswirkungen auf die Gesundheit. Wo stecken Phthalate drin? Zu den Phthalaten gehört eine Gruppe chemischer Stoffe, die dir in fast allen Bereichen des täglichen Lebens begegnen. Das Wissensmagazin Spektrum nennt die häufigsten Anwendungen: Sie stecken als Weichmacher in Plastik, vor allem in dem sonst harten Kunststoff PVC. Du findest die Phthalate aber auch in Schmiermitteln oder Lösungsmitteln für viele Farben und Lacke. Es gibt noch zahlreiche weitere Produkte, in denen häufig Phthalate stecken. Dazu gehören: Kosmetika und Körperpflege, wie Shampoo, Haarspray, Parfum oder Nagellack Spielzeug, wie aufblasbare Figuren, Knetmasse, Tinte oder Stifte Baumaterialien wie PVC-/Vinyl-Fußböden oder auch Möbel Beschichtete Kleidung Lebensmittelverpackungen Umhüllungen von Tabletten und Kapseln für Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente Elektrische Kabel oder Gerätegehäuse, zum Beispiel für Mobiltelefone Auch an dem typischen „Neuwagen-Duft“ können Phthalate beteiligt sein. Sie stecken unter anderem in den Plastikkonsolen im Innenraum der Autos. Die Umweltorganisation BUND warnt vor den giftigen Ausdünstungen in Neuwagen. Die teils gesundheitsschädlichen Dämpfe treten aus den Armaturen aus – besonders, wenn die Sonne sie erwärmt. Phthalate sind inzwischen in Blut und Urin nachweisbar Bei neuen Autos kann man Phthalate riechen. (Foto: CC0 / Pixabay / Free-Photos) In vielen Plastikverbindungen (Weich-PVC) sind die Phthalate chemisch nicht gebunden, erklärt HBM4EU, ein Forschungsprojekt zur menschlichen Exposition gegenüber gefährlichen Chemikalien. Sie lassen sich leicht auswaschen oder abreiben. Deshalb können sie auch, wie im Auto, ausdünsten. Die synthetischen Verbindungen lösen sich zum Beispiel aus dem PVC-Fußboden, wenn du ihn wischst. Auf diese Weise gelangen Phthalate an unsere Hände, in die Luft und über die Nahrung auch in unseren Körper. Die Substanzen können sich auch mit dem Hausstaub vermischen. Einige dieser Verbindungen können die Gesundheit und die Natur gefährden. Die gelösten, synthetischen Verbindungen der Phthalaten sind im Grunde überall zu finden, in der Luft, im Wasser oder im Boden. Du kannst die teils bedenklichen Substanzen über die Haut aufnehmen, mitessen oder einatmen. Das Umweltbundesamt erklärt dazu: „Fast bei jedem Menschen sind Phthalate oder ihre Abbauprodukte (Metabolite) im Blut und/oder im Urin nachweisbar.“ Die häufigsten Weichmacher: DIDP (Di-isodecyl-phthalat), DINP (Di-isononyl-phthalat), DEHP (Di(2-ethylhexyl)phthalat), DBP (Dibutylphtha-lat, BBP (Benzylbutylphthalat). Phthalate: Gefährlich für die Gesundheit? Fettige Lebensmittel in Plastik verpackt sind besonders problematisch (Foto: CC0 / Pixabay / 27707) Problematisch ist, dass viele Phthalate schädlich für unsere Gesundheit sind. Einige dieser Verbindungen stufen Fachleute als gesundheitsgefährdend ein. Hormonaktiv: Einige der Phthalate wirken wie Hormone, sogenannte endokrine Disruptoren. Sie können daher das Hormonsystem und damit auch die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen beeinflussen, so das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Erhöhtes Risiko für Asthma und andere Erkrankungen: Die medizinische Forschung sieht laut HBM4EU einen Zusammenhang zwischen Phthalaten und Erkrankungen wie Asthma, Aufmerksamkeitsdefizit (ADS), Hyperaktivität (ADHS) oder Fettleibigkeit. Leberschäden: DINP und DIDP können außerdem die Leber schädigen, warnt das BfR. Foto: CC0 / Pixabay / PublicDomainPictures Umwelthormone: Alltägliches wird zur Gesundheitsgefahr – Regierung handelt Immer wieder landen Chemikalien im Körper, die sich auf das Hormonsystem auswirken – und krank machen können. Verbraucher:innen haben kaum… Weiterlesen Die European Chemical Agency (ECHA) weist darauf hin, dass aus diesem Grund einige der Phthalaten in der EU reguliert sind. Teilweise gelten solche Regulierungen auch in anderen Regionen. Die vier Phthalate DEHP, DBP, DIBP und BBP sind in Europa als fortpflanzungsgefährdend eingestuft. In der EU ist daher ihre Verwendung stark beschränkt: In Kinderspielzeug und Babyprodukten sind sie grundsätzlich verboten. Das Verbot von DIBP erfolgte 2020. Ein Verbot für DINP, DIDP und DNOP gilt dagegen nur für solche Produkte, „die dazu bestimmt sind, von Kindern unter drei Jahren in den Mund genommen zu werden.“ (PDF) Elektronikgeräte: Die Verwendung der vier Phthalate ist für die Geräte ebenfalls untersagt. Lebensmittelverpackungen: BBP und DEHP sind nur in Verpackungen erlaubt, die nicht mit fettigen Lebensmitteln in Berührung kommen. Kosmetika: Die Kosmetikverordnung der EU beschränkt die Verwendung der kritischen Phthalate. Bisher hat sich die EU vor allem einzelne Phthalate angesehen und bewertet. Unklar ist noch, wie verschiedene Phthalate zusammen wirken. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schließt nicht aus, dass die Stoffe sich gegenseitig beeinflussen können (additive Wirkung). Für DEHP hat das BfR ermittelt, dass das Phthalat vor allem über die Nahrung aufgenommen wird. Die Menge ist allerdings so gering, dass bei Erwachsenen kein Gesundheitsrisiko bestehe. Bei Kindern „kann im ungünstigen Fall ein Gesundheitsrisiko bestehen, insbesondere wenn Lebensmittel mit dauerhaft sehr hohen DEHP-Gehalten verzehrt werden.“ Phthalate schaden der Umwelt Phthalate aus dem Klärschlamm gelangen aufs Feld (Foto: CC0 / Pixabay / Myriams-Fotos) Einmal hergestellt, gelangen die Phthalate leicht in die Umwelt: Sie dünsten kontinuierlich aus dem Kunststoff aus und gelangen so in die Luft oder durch Abrieb und Abwaschen in die Umwelt. Phthalate stehen auch im Verdacht, sich in Organismen anzureichen. Außerdem gelangen sie zum Beispiel über den Klärschlamm auf die Felder und so in den Boden. Es wird vermutet, dass sie dort sehr lange zurückbleiben. Bereits im Grundwasser wurden Phthalate nachgewiesen, so das Umweltbundesamt. Die ECHA sieht für die inzwischen stark reglementierten Phthalate DEHP, BBP und DBP neben der Gefährdung für die Fortpflanzungsfähigkeit auch ein Umweltrisiko. Die chemischen Substanzen reichern sich in der Umwelt an. Für Pflanzen und Wasserorganismen in der näheren Umgebung besteht dadurch ein hohes Risiko (Umweltbundesamt). Viele Produkte enthalten daher inzwischen andere Phthalate, wie DINP. Laut der Umweltprobenbank des Bundes reichert sich dieser Stoff jedoch ebenfalls stark in der Umwelt an. Wie kann ich Phthalate vermeiden? Kosmetik wie Nagellack gibt es auch ohne Phthalate (Foto: CC0 / Pixabay / niekverlaan) Mit Phthalaten hängen also potentiell viele Risiken für Mensch und Umwelt zusammen. Daher solltest du versuchen, den Kontakt zu ihnen zu reduzieren. Was du beachten kannst: Wer Plastik vermeidet, kann auch einen großen Teil an Phthalaten vermeiden. Vor allem fettige Lebensmittel sollten nicht in Plastik verpackt sein, da sich die Phthalate in Verbindung mit Fett leichter lösen. Statt eines Bodens aus PVC oder Vinyl kannst du andere Bodenbeläge verwenden, zum Beispiel Fliesen, Kork und Holz. Achte auf das Umweltzeichen Blauer Engel. Lüften und Staub wischen ist sinnvoll, da sich Phthalate an andere Partikel anheften. Besonders oft haften sie an Staub. Gummistiefel und andere Regenkleidung sollten nicht direkt mit Haut in Kontakt kommen. Kosmetik (z.B. Lippenstift und Nagellack) gibt es auch ohne Phthalate. Manchmal musst du aber etwas suchen und genau auf die Inhaltsstoffe achten. Es gibt auch „besseres“ Plastik: Polyethylen und Polypropylen kommen ohne Phthalate aus. Allerdings sind auch diese Stoffe nur schwer abbaubar. Mehr zum Thema bei Utopia: TV-Tipp: Mikroplastik im Meer – unsichtbar, aber auch ungefährlich? Polyester: Weshalb der Kunststoff problematisch ist Kommt bald ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika? Überarbeitet von Martina Naumann ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 31 1 Vielen Dank für deine Stimme! Verwandte Themen: Gewusst wie Kunststoffe Plastik HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: