Die Zulassungen von E-Autos steigen, allerdings langsamer als einst erwartet. Das ist ein Problem für Autokonzerne, die EU und nicht zuletzt für das Klima. Doch woran genau liegt das? Expert:innen nennen diverse Gründe.
Die Ziele waren hoch: Bis 2030 sollte es in Deutschland 15 Millionen Elektroautos geben, auch Europa und die Industrie trieben die Elektrifizierung voran. Doch so schnell geht es nun doch nicht: Aktuell dürften rund zwei Millionen reine Stromer (BEVs) auf deutschen Straßen unterwegs sein, wie sich aus Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes abschätzen lässt. Das sind gerade einmal vier Prozent des Pkw-Bestands.
Die E-Auto-Neuzulassungen steigen zwar – der bisherige Rekord von 524.219 BEVs aus dem Jahr 2023 wird dieses Jahr sogar ein Stück weit übertroffen werden – doch eine echte Wende sieht anders aus. Das gilt auch angesichts von 693.000 BEVs, die der Autoindustrieverband VDA 2026 erwartet. In Frankreich ist der Anteil von reinen Elektroautos im Bestand ähnlich, in Italien und Spanien sogar deutlich niedriger.
Ernüchterung und Gegenwind für E-Mobilität
Der zähe Anstieg der BEV-Verkäufe sorgt inzwischen nicht nur für Ernüchterung, sondern sogar Gegenwind – insbesondere für das sogenannte Verbrenner-Verbot in der EU ab 2035. Die EU-Kommission überprüft ihre entsprechende Verordnung derzeit und wird diese Woche mögliche Änderungen vorstellen. Nach derzeitigem Stand will sie empfehlen, unter bestimmten Voraussetzungen auch nach 2035 Verbrenner zuzulassen. Lesenswert dazu ist die Einordnung von Utopia.de-Chefredakteur Martin Tillich:
Doch warum geht es mit Elektroautos nach wie vor eher zäh voran? Die Antwort ist komplex – und kommt auch darauf an, wen man fragt.
E-Autos: Hohe Preise und Reichweitenangst sind Vergangenheit
In den Anfängen der Elektromobilität bremsten nach Ansicht des ADAC vor allem das begrenzte Modellangebot und die hohen Preise. Dazu kamen Reichweitenangst und mangelnde Ladeinfrastruktur. Doch inzwischen gibt es mehr Ladesäulen, mehr als 200 Modelle werden angeboten und die Reichweiten und Ladegeschwindigkeiten sind alltagstauglich.
„Inzwischen hätten wir eigentlich ein ausreichendes Angebot an Elektroautos und auch der Preisunterschied zu den Verbrennern ist inzwischen durch höhere Rabatte weitgehend verschwunden“, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer.
Er sieht einen anderen Grund: „Die Kunden sind durch das Hin und Her der vergangenen Jahre verunsichert. Mit der Umwelt-Prämie hatten wir ordentliche Zuwächse, aber dann kam der Bruch durch das plötzliche Ende der Förderung“, kritisiert er. „Dazu kommen populistische Äußerungen aus der Politik und die Kampagne der Hersteller gegen das Verbrenner-Aus. Letztlich haben wir es also selbst kaputtgemacht.“
Gestrichene Prämien, schwankende Strompreise – „Verlässlichkeit fehlt“
In diese Kerbe schlägt auch der Präsident des Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn. „Wer heute ein BEV kaufen soll, braucht Verlässlichkeit – bei Kosten, Förderung und Infrastruktur. Doch genau diese Verlässlichkeit fehlt“, sagt er.
„Schwankende Strompreise, kurzfristig gestrichene Prämien und eine vielerorts unzureichende Ladeinfrastruktur führen dazu, dass die Gesamtbetriebskosten eines BEV für breite Zielgruppen einfach nicht attraktiv genug sind. Solange diese Rahmenbedingungen nicht planbar und bezahlbar werden, wird die Nachfrage kein nachhaltiges Marktniveau erreichen.“
Autoverband kritisiert Ladeinfrastruktur
Die Rahmenbedingungen stehen auch für VDA-Präsidentin Hildegard Müller im Zentrum: „Insbesondere der immer noch nicht ausreichende Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie die hohen Preise an den Ladesäulen sorgen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern weiter für Zurückhaltung.“
Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur steht Deutschland im europäischen Vergleich allerdings recht ordentlich da. Lies dazu auch:
Auch Harald Wimmer von der Unternehmensberatung PwC kritisiert den fehlenden Willen der Politik, konsequent und stringent zu fördern. Zudem wirkten Vorurteile aus der Anfangszeit mit teuren Produkten nach, die nicht den ästhetischen Ansprüchen des Marktes entsprachen. Und nicht zuletzt gebe es in Deutschland kulturell „eine starke Bindung an den Verbrenner, während in China Stolz und Identifikation mit neuen, meist elektrischen Marken den Wechsel fördern“. Das zeigt auch der chinesische Hersteller BYD.
E-Mobilität ist wirklich klimafreundlicher
Lange Zeit hatten Kritiker:innen zudem angeführt, dass Elektroautos – unter anderem wegen eines höheren CO2-Ausstoßes bei der Produktion – angeblich gar nicht klimafreundlicher seien als moderne Verbrenner. Aktuelle Zahlen sprechen allerdings eine völlig andere Sprache: Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI geht davon aus, dass heute in Deutschland gekaufte Mittelklasse-Stromer von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung etwa 40 bis 50 Prozent weniger Treibhausgase verursachen. Und mehr Ökostrom und Recycling könnten dies weiter verbessern. Unser ausführliche Ratgeber kommt zum selben Schluss:
Das International Council on Clean Transportation kam jüngst sogar auf noch höhere Einsparungen und auch Hersteller BMW kommt beim Vergleich seiner eigenen Elektroautos mit eigenen vergleichbaren Verbrennern in Sachen Klima zu klaren Siegen für die Stromer: Mit 200.000 Kilometern in 15 Jahren kommt beispielsweise der neue elektrische ix3 50 xDrive beim europäischen Strommix auf 23 Tonnen CO2, der vergleichbare Verbrenner X3 20 xDrive auf 52,8 Tonnen.
Die Autoindustrie hat ein Renditeproblem
Das mangelnde Interesse der Kund:innen ist das eine, doch auch die Industrie hat eine innere Hemmung gegen hohe Stromeranteile: Lange Zeit verdiente sie an einem verkauften Verbrenner deutlich mehr. Das soll sich zwar langsam ändern – BMW beispielsweise erwartet bei den Modellen der neuen Klasse etwa gleiche Erträge für Stromer und Verbrenner – doch das gilt noch längst nicht für alle Modelle auf dem Markt.
Dennoch haben die deutschen Hersteller und Zulieferer hohe Milliardenbeträge in den Hochlauf der E-Mobilität investiert, wie der VDA betont. „Sie ist der Hauptpfad auf dem Weg in die Klimaneutralität“, sagt VDA-Präsidentin Müller.
Sie hofft auf ein weiteres Anziehen: „Günstige Modelle für unter 25.000 und unter 20.000 Euro sind für die kommenden Jahre bereits angekündigt.“ Wenn die politischen Rahmenbedingungen nachgebessert würden, sei sie sich sicher, „dass sich in den kommenden Jahren immer mehr Menschen bewusst und aus Überzeugung für ein E-Auto entscheiden“.
Dennoch steht jetzt wohl erst einmal ein Aufweichen des Verbrenner-Aus an. Dudenhöffer warnt davor: „Das Festhalten am Verbrenner wird die Autoindustrie nicht retten. Das führt nur dazu, dass wir den Anschluss an China endgültig verlieren.“



















