Ständig schwirren Wespen um uns herum, wollen unsere Grillwurst und unser Eis. Warum wirken Wespen derzeit so angriffslustig? Ein Biologe erklärt.
Viele Menschen mögen Wespen nicht, aber in der meisten Zeit des Jahres geben sie uns wenig Grund zur Aufregung. Das ändert sich im Laufe des Sommers: Wespen verhalten sich gefühlt sehr aggressiv, gerade dann, wenn gegrillt oder Kuchen gegessen wird. Aber sind die Tiere wirklich angriffslustig oder täuscht der Eindruck? Giovanni Galizia, Professor für Neurobiologie und Zoologie an der Universität Konstanz, erklärt das Verhalten der gelb-schwarzen Insekten.
Sind Wespen aggressive Tiere?
„Wespen sind grundsätzlich nicht aggressiv, Bienen auch nicht“, sagt Galizia. „Beide stechen, wenn sie sich gestört und bedroht fühlen. Etwa, wenn man sich viel zu hektisch bewegt, so dass sie denken, da ist ein Feind.“ Aber beide, Bienen und Wespen, gehen eigentlich Konflikten aus dem Weg, ergänzt der Wissenschaftler.
Warum fliegen Wespen dann auf uns zu?
Zur Nahrung der Wespen gehören Zuckersäfte und Nektar – und das bieten wir Menschen ihnen in den Sommermonaten. Wir stellen großzügig den Kuchen auf den Terrassentisch, legen Würste auf den Grill, halten Eis in der Hand. Für die Wespen ist das eine Essenseinladung, auch wenn der Mensch das anders sieht.
„Sie suchen auch nach Protein für ihre Brut“, ergänzt Galizia. Das steckt etwa in Käse. „Sie suchen auch nach toten Insekten oder kleinen Fleischresten.“ Aber Wespen können auch von größeren toten Tieren etwas Fleisch abschaben. „Das macht sie unangenehm für uns, denn wenn wir einen Grillabend haben und da liegt Fleisch und Wurst herum, ist das eine wunderbare Proteinquelle. Darauf fliegen sie natürlich.“
Wie kommt es, dass sich Wespen von uns bedroht fühlen?
Man mag sich im Aufeinandertreffen mit Wespen vielleicht selbst vor allem in der Defensive sehen, aber aus Sicht der Insekten ist das anders. Menschen wedeln mit den Armen, machen hektische Bewegungen. Wespen werden also geschlagen oder in die Enge getrieben – ihre Reaktion ist also verständlich, versetzt man sich mal in die Lage der kleinen Tiere, die mit großen Menschen konfrontiert werden.
Nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) erzielt auch eine beliebte Abwehrmaßnahme, das Anpusten der Tiere, genau das Gegenteil: Das Kohlendioxid in der Atemluft wirke auf Wespen wie ein Alarmsignal.
Selbst das für den Mensch gefährlichste Szenario ist für Wespen ein Angriff: „Wenn wir sie aus Versehen mit einem Stück Wurst in den Mund nehmen, dann haben wir sie ja gefangen“, erklärt Forscher Galizia. „Wir haben die Wespen also angegriffen und sie stechen.“ Stiche in den Mund oder Rachenraum können für Menschen lebensbedrohlich sein, da das Anschwellen der Schleimhäute zu Atemnot führen kann.
Was sollte man stattdessen tun? Lebensmittel gut abdecken und cool bleiben, rät der Nabu. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber vielleicht hilft es beim nächsten Kontakt ja, sich zu verdeutlichen, dass die Tiere Angst vor uns haben. Weitere Tipps findest du in folgendem Artikel:
Warum wirken Wespen in manchen Monaten aggressiver?
Das entspreche ihrem Lebenszyklus, erläutert Galizia. Die große Zeit der Wespen fange bereits im Juni an, noch mehr seien es dann im August und September.
Dann bereiten sich die Tiere auch schon auf die neue Saison vor: „Die Königin fürs nächste Jahr muss sich gut anfuttern. Die Zeit, wenn wir unsere Feste im Freien feiern, ist daher auch die Zeit, in der Wespen ihre Nahrung suchen.“ Je mehr Wespen das tun, desto größer die Wahrscheinlichkeit, von ihnen gestört zu werden. So kann der Eindruck entstehen, sie wären aggressiver, wenn in Wahrheit einfach nur mehr Wespen unterwegs sind.
Wie unterscheidet man Wespen von Bienen und Schwebfliegen?
Wer etwas Schwarz-Braun-Gelbes in der Luft schwirren sieht, gerät schnell mal in Hektik. Doch nicht jedes so gefärbte Fluginsekt ist eine Wespe. „Bienen sind eher dunkel und nicht so knallig-gelb wie Wespen“, erläutert Galizia. „Wespen sind auch schmaler und haben eine ausgeprägte Wespentaille. Auf die Schnelle sieht die Biene so aus, als hätte sie ein Körperteil und die Wespe hat ein Vorder- und ein Hinterteil.“
Auch am Kopf gibt es einen Unterschied: Der knallig-gelbe Kopf der Wespe habe einen schwarzen Punkt, das Haupt der Biene sei „eher braun“. Besonders gut lassen sich beide aber an ihrem Flugziel ausmachen: Bienen, zu denen übrigens auch die Hummeln zählen, sind Menschen schnuppe und sie kommen nicht bewusst an den Tisch. „Das sind keine Fleischfresser, sondern sie holen ihre ganzen Proteine aus Pollen“, sagt Galizia.
Gut zu wissen ist übrigens auch, was Schwebfliegen sind. Diese sehen ähnlich aus wie Wespen, sind aber komplett harmlos. Sie können nicht mal stechen. „Eine Schwebfliege schwebt. Wenn ein Insekt in der Luft länger still steht, dann ist es keine Wespe und keine Biene. Die würden runterfallen“, erklärt Galizia.
Zwar würde eine Wespe manchmal auch ganz kurz schweben. „Aber wenn eine Wespe an eine Futterstelle geht, zieht sie immer vor, zurück, links, rechts. Die Schwebfliege steht in der Luft wirklich still.“