Vor wenigen Jahrzehnten waren feste Mahlzeiten gang und gäbe. Heutzutage lädt die flexible Arbeitswelt und das allgegenwärtige Nahrungsmittelangebot zum Snacking ein. Doch: Was sind die Folgen vom Snacking?
Vor zwanzig Jahren wurde das Essverhalten der Deutschen noch durch klare Rituale, gesellschaftliche Normen und feste Mahlzeiten geprägt. Heute stehen individuelle Vorlieben, Flexibilität und Selbstoptimierung im Vordergrund. So steht es im neuen Studienband „Essen in Deutschland: Wünsche und Wirklichkeit – Gestern. Heute. Zukunft“ der Heinz Lohmann Stiftung, der der F.A.Z. vorab vorliegt.
Studienband: So hat sich das Ernährungsverhalten verändert
Die Analyse wurde vom Marktforschungsinstitut Rheingold Salon und der Universität Göttingen durchgeführt und kommt zu folgenden Ergebnissen:
- 81 Prozent der Befragten geben an, dass sie es schätzen, täglich mindestens eine gemeinsame Mahlzeit mit der Familie oder Partner:in einzunehmen.
- Gleichzeitig wird deutlich: Durch flexible Arbeitszeiten, Singlehaushalte und ein vielfältiges Lebensmittelangebot rücken feste Essenszeiten in den Hintergrund. Individuelle Rhythmen und das spontane Snacking werden hingegen immer häufiger.
Die Gründe dafür sieht die Untersuchung hauptsächlich in der Individualisierung und Diversifizierung: Viele Menschen verfolgen bestimmte Ernährungsformen wie Low Carb, High-Protein oder Veganismus und nutzen die Ernährung als ein Werkzeug zur Selbstoptimierung. Gleichzeitig war die Auswahl und das Angebot noch nie so groß und die Verfügbarkeit so selbstverständlich wie heute.
Snacking ist Trend: Food Report 2020 von Hanni Rützler
Diese Ergebnisse stimmen mit dem Food Report 2020 von Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler überein: An die Stelle der traditionellen Esskultur mit im Voraus geplanten Mahlzeiten tritt eine moderne Esskultur mit spontanen Essgelegenheiten, die an keine festen Zeiten gebunden sind. Man isst, „wenn man Zeit, Lust oder Hunger hat, und genießt – auch allein – immer häufiger einfach eine kleine Mahlzeit zwischendurch.“ Snacking ist ein Trend.
Doch welche Folgen hat es, wenn wir snacken, anstatt zu festen Zeiten zu essen?
Was sind die gesellschaftlichen Folgen vom Snacking?
Das veränderte Essverhalten beeinflusst die gesellschaftliche Bedeutung von Mahlzeiten: Während früher feste Mahlzeiten meist im familiären oder häuslichen Rahmen stattfanden, essen wir heute häufiger außerhalb der eigenen vier Wände und in Gesellschaft von Menschen, die nicht zur Familie gehören – oder sogar allein. Wir lernen neue Geschmäcker, Zutaten und Zubereitungsarten kennen und können unsere Ernährung stärker an individuelle Vorlieben und Ernährungsformen anpassen.
Gleichzeitig stellt für manche Menschen der Wegfall dieser festen Strukturen eine Herausforderung bei der Organisation des Alltags dar, weil das gemeinsame Essen als Orientierungspunkt und sozialer Anker verloren geht.
Was sagt die Ernährungswissenschaft zum Snacking?
Neben den gesellschaftlichen Folgen beeinflusst das Snacking auch unsere Gesundheit. Allerdings gibt es bisher keine eindeutige Antwort auf die Frage, welche Folgen Snacking für den Körper hat. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sagt dazu:
„Zurzeit kann keine wissenschaftlich gesicherte Aussage hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Mahlzeitenfrequenz und Körpergewichtsregulation bei gesunden Erwachsenen gegeben werden, sodass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) keine diesbezügliche Empfehlung ausspricht.“
Silke Restemeyer von der DGE konkretisiert auf Nachfrage:
„Aus den bisherigen Studien kann keine Empfehlung für eine optimale Anzahl an Mahlzeiten abgeleitet werden. […] Der aktuelle Kenntnisstand deutet aber darauf hin, dass eine personalisierte Ernährung, die an den individuellen Chronotyp angepasst ist, sich günstig auf die langfristige Gesundheit und die Prävention von ernährungsbedingten Krankheiten auswirken kann.“
Chronobiologie und Ernährung
Restemeyer bezieht sich dabei auf eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2021, die sich mit der Chronobiologie – was wir im Umgangssprachlichem die innere Uhr nennen – und dem Zusammenhang zur Ernährung befasst. Wie viele Mahlzeiten am Tag du zur dir nehmen solltest, hängt nämlich auch stark mit deinem Biorhythmus, deinen individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen zusammen.
Die Übersichtsarbeit weist darauf hin, dass die untersuchten Studien keine einheitlichen Definitionen für Mahlzeiten und Snacks verwenden, was die Bewertung und die Ableitung von Empfehlungen erschwert.
Snacks haben Vor- und Nachteile
Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass häufige Mahlzeiten zu erhöhten Blutzucker-, Insulin- bzw. Fettsäurekonzentrationen führen können; andererseits können häufige Mahlzeiten möglicherweise auch vor Heißhungerattacken schützen: Denn durch mehrere kleine Snacks und Gerichte fühlen wir uns die meiste Zeit satt. Haben wir hingegen lange Zeit nichts gegessen und sind dadurch besonders hungrig, tendieren wir eher dazu, ungesunde und kalorienreiche Speisen zu wählen und davon viel zu viel zu essen.
Die Wissenschaftler:innen zeigen auf, dass häufiges Snacken bei Kindern und Jugendlichen zu einer höheren Energiezufuhr führt und teilweise mit einem höheren Vorkommen von Übergewicht einhergeht. In Bezug auf Erwachsene lässt sich keine eindeutige Aussage treffen, inwieweit Snacking sich auf das Körpergewicht auswirkt.
Britische Studie weist auf Bedeutung von Qualität und Zeitpunkt hin
Die britische ZOE PREDICT-Studie aus dem Jahr 2023 hat das Snackverhalten von 854 Menschen und die Auswirkung des Verhaltens auf das Herz-Kreislauf-System untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Häufigkeit und die aufgenommene Kalorienmenge der Snacks wenig Einfluss auf die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Gewicht, BMI, viszerales Fett, Blutzucker- und Blutfettwerte) haben. Entscheidender ist die Qualität der Snacks sowie der Snack-Zeitpunkt:
- Teilnehmende, die viele hochverarbeitete Snacks aßen, hatten schlechtere Werte. Diejenigen, die eher unverarbeitete Snacks wie Nüsse, Käse oder Obst konsumierten, hatten hingegen ein geringeres Gewicht, weniger Bauchfett und niedrigere Blutzucker- und Blutfettwerte.
- Diejenigen, die vormittags snackten, aßen eher gesunde Snacks und nahmen dabei weniger Kalorien auf als die, die zu anderen Tageszeiten snackten. Insbesondere das Snacken nach 21:00 Uhr wurde mit schlechteren Werten in Verbindung gebracht.
Laut dieser Studie lohnt es sich also, auf die hochverarbeiteten Chips am Abend zu verzichten und dafür lieber vormittags eine Handvoll Nüsse oder ein Joghurt mit Früchten zu snacken.
Neue Studie: Snacks können das Gehirn und die Leber beeinflussen
Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2025 zeigt, dass übermäßiges Snacking zu Veränderungen in der Leber und dem Gehirn führen kann: 18 junge Männer wurden von Wissenschaftler:innen der Universität Tübingen über einen Zeitraum von fünf Tage beobachtet. Täglich nahmen sie 1500 Kalorien in Form von Snacks zu sich.
Bereits nach dem kurzen Untersuchungszeitraum zeigten sich Veränderungen: Der Fettgehalt in der Leber erhöhte sich durchschnittlich von 1,6 Prozent auf 2,5 Prozent. Im Gehirn zeigten sich Anzeichen einer Insulinresistenz. Das Hormon Insulin spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Hunger und Sättigung: Es signalisiert dem Gehirn, wann wir genug haben. Liegt eine Insulinresistenz vor, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr richtig: Betroffene essen mehr, ohne sich satt zu fühlen. Beide Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass Snacking das Risiko für ernährungsbedingte Erkankungen erhöht.
Da es sich bei dieser Studie jedoch um eine kleine Stichprobe handelt, lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Derzeit ist also nicht abschließend geklärt, was die gesundheitlichen Folgen vom Snacking sind. Viel eher deutet der derzeitige Stand daraufhin, dass eine individuelle Ernährung, die deinem Biorythmus entspricht, sich positiv auf deine Gesundheit auswirkt.
Tipps fürs gesunde Snacking: Worauf kommt’s wirklich an?
Ob du dich an die klassischen drei Mahlzeiten am Tag hältst oder lieber öfter kleine Snacks genießt – am Ende zählt, was du isst: Statt zu fettigen, salzigen oder zuckerreichen Snacks zu greifen, ist es besser, sich für nährstoffreiche und gesunde Alternativen zu entscheiden. Anstelle von Chips, Schoki und Softdrinks sind das hier gute Alternativen für den kleinen Hunger zwischendurch:
- Rohes, knackiges Gemüse mit Hummus
- Frischer Obstsalat mit Ingwer
- Nüsse und Samen
- Apfelchips
- Geröstete Kichererbsen
- Datteln oder Apfel mit Erdnussmus
- Joghurt mit Früchten und Granola
- Overnight Oats
- Vollkornbrot mit Aufstrich
- Buddha Bowl
- Ingwer-, Zitronen und Gurkenwasser
Versuche, beim Snacken achtsam zu sein und höre bewusst auf deinen Körper. Häufig greifen wir aus Langeweile oder Stress zu Snacks, obwohl unser Körper eigentlich keine zusätzliche Energie benötigt. Esse nur dann etwas, wenn du wirklich Hunger hast. So kannst du vermeiden, unnötig viele kalorienreiche und ungesunde Snacks zu dir zu nehmen und unterstützt eine Ernährung, die deinem individuellen Biorhythmus entspricht.
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