Umweltbewusste Bauherr:innen suchen nach Alternativen zu klimaschädlichen Betonklötzen. Ein Strohballenhaus kann die Lösung sein. Welche Vor- und Nachteile das Baumaterial Stroh hat, erfährst du hier.
Bei einem Haus aus Stroh kommt dir vielleicht das Märchen von den drei kleinen Schweinchen in den Sinn, von denen jedes ein Haus aus einem anderen Material baut: Das erste aus Stroh, das zweite aus Holz, das dritte aus Stein.
Während im Märchen das Haus aus Stroh nicht gut wegkommt (der böse Wolf kann es einfach umpusten), kann ein Strohballenhaus in der realen Welt eine bewusste Entscheidung aus ökologischen Gründen sein.
Die ersten Strohballenhäuser entstanden aus der Not heraus. In den 1930er-Jahren gab es im US-amerikanischen Nebraska kaum Steine und Holz, dafür eine Menge Stroh dank riesiger Getreidefelder. Strohballen dienten kurzerhand als Ersatz für Ziegelsteine in Kirchen und anderen Gebäuden.
Nach Jahrzehnten, in denen das Strohballenhaus in Vergessenheit geraten war, erlebt diese Bauweise heutzutage eine Renaissance – nicht etwa, weil es an Beton mangelt, sondern gerade, weil es zu viel davon gibt. Noch nie wurde mit so viel Beton gebaut wie gerade, berichtet Deutschlandfun. Die Produktion von Beton verbraucht dabei laut dem BUND jährlich 4,65 Milliarden Tonnen an Zement weltweit. Dieses Bindemittel für Beton und Mörtel verursacht in der Herstellung knapp sieben Prozent des gesamten globalen Kohlendioxid-Ausstoßes.
Beton gilt daher als der „Klimakiller“ in der Bauindustrie. Das wachsende Bewusstsein für den massiven Beitrag der Branche zum Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase hat zur Suche nach Beton-Alternativen mit einer besseren Ökobilanz geführt. Auf der einen Seite sollen Innovationen wie Geopolymerbetondie Lösung sein, auf der anderen Seite werden regionale traditionelle Baustoffe wiederentdeckt, wie eben Stroh. Laut der taz schätzt der Fachverband Strohballenbau (FASBA), dass es in Deutschland mittlerweile zwischen 900 und 1.500 (Stand 2021) strohgedämmte Häuser gibt.
Strohballenhaus: Die verschiedenen Bauweisen
Stroh kann auf unterschiedliche Weise zu einem Strohballenhaus verbaut werden. Grundsätzlich lässt sich zwischen lasttragendem und nicht-lasttragendem Strohballenbau unterscheiden. Das zeichnet diese beiden Bauweisen aus:
- Nicht-lasttragendes Strohballenhaus: Kleinballen füllen die Zwischenräume eines Holzständerwerks aus oder werden davor angebracht. Das Stroh muss dabei keine äußerlichen Lasten tragen, sondern dient als Wärmedämmstoff und gegebenenfalls als Putzträger. In Deutschland ist nur diese Bauweise bauaufsichtlich gestattet!
- Lasttragendes Strohballenhaus: Die Wände bestehen ganz aus Strohballen und diese tragen die Dach- und Deckenlasten. Es werden in den Außenwänden keine weiteren tragenden Bauteile aus anderen Materialien benötigt. Allerdings sacken die Strohballen bei Belastung ein, sodass nach der Rohbaufertigstellung eine Wartezeit von mehreren Monaten erforderlich ist, bis man Fenster und Türen in die Wände einbauen kann. Ein solches Strohballenhaus ist in Deutschland nur mit einer Einzelfallgenehmigung zugelassen!
Übrigens bestehen in der Regel nur die Außenwände aus Strohballen, da sie für Innenwände zu dick sind. Daher kombinieren viele Bauherr:innen Strohaußenwände mit Lehminnenwänden.
Strohballenhaus: Das sind die Vorteile
Bei Stroh handelt es sich um die getrockneten Stängel von Getreide. Hierzulande stammt Stroh meistens vom Weizen, doch es kann auch aus Hafer, Hirse, Gerste, Roggen, Flachs und Reis gewonnen werden. Stroh fällt bei der Ernte dieser Getreide als Abfallprodukt an, welches die Landwirt:innen zu kompakten Ballen pressen und es dann normalerweise in den Ställen tierwirtschaftlicher Betriebe landet.
Ein Vorteil dieses Baustoffs ist demnach seine Regionalität, da du ihn oft direkt aus der Umgebung beziehen kannst, wodurch CO2-intensive Transportwege entfallen. Außerdem ist Stroh ein ressourcenschonendes Material, das vermeintlichen Abfall verwertet anstatt neue Ressourcen aufzubrauchen.
Das Zusammenpressen des Strohs in seine kompakte Form erfordert auch deutlich weniger Energie als die Zementproduktion und verursacht im Vergleich kaum Treibhausgasemissionen. Tatsächlich bindet Stroh sogar Kohlenstoffdioxid aus der Luft.
Das sind weitere Vorteile:
- Sehr gute Wärmedämmung: Laut dem FASBA ist die Herstellungsenergie von Strohballen 14-fach geringer als die von Mineralwolle oder Polystyrol, herkömmlichen Dämmmaterialien. Dabei können Strohballen eine Wärmedämmung erreichen, die dem Effizienzhaus-Standard 40 entspricht. Das bedeutet, dass ein solches Haus einen 40 Prozent geringeren Bedarf an Primärenergie (Energie aus Quellen wie Kohle, Gas, Sonne, etc.) hat als ein vergleichbares Referenzgebäude. Kurz: Zum Erreichen derselben Innentemperatur musst du in einem strohgedämmten Haus weniger heizen als in einem herkömmlichen Haus.
- Wohnkomfort ohne Chemikalien: Um Strohballen zu produzieren, sind keine chemischen Zusätze erforderlich. Zudem wirken Strohballen feuchtigkeitsregulierend, so Architektin Friederike Fuchs gegenüber der taz.
- Rückführbarkeit: Der Naturbelassenheit von Stroh ist es auch zu verdanken, dass du diesen Baustoff bedenkenlos in die Natur zurückführen kannst, wenn du ein damit gebautes Haus beispielsweise abreißt oder umbaust. Das ist bei industriell hergestellten Materialien meist nicht der Fall. Sie verursachen stattdessen große Mengen an Müll und Schutt, der, wenn er verbrennt, sogar gesundheitsschädlich wirken kann. Das Stroh kannst du hingegen zumindest theoretisch kompostieren oder als Biogas nutzen.
Nachteile und Bedenken
Sorge wegen einer erhöhten Brandgefahr ist oft die erste Reaktion auf die Idee, ein Strohballenhaus zu bauen. Tatsächlich brennt loses Stroh lichterloh. Doch kompakt zu Ballen gepresst ist Stroh bemerkenswert feuerbeständig. Gepresste Strohballen sind nach dem deutschen Baurecht wie auch Holzverkleidungen der Baustoffklasse DIN 4102 B2 angehörig und somit „normal entflammbar“.
Auch Feuchtigkeit und Fäulnis sind oft geäußerte Bedenken gegen die Strohballenbauweise. Laut dem FASBA gäbe es diesbezüglich bei fachgerechter Verbauung der Strohballen kein Grund zur Sorge. Dann würde Stroh nicht verrotten und auch nicht von Nagetieren oder Ungeziefer befallen. Eine fachgerechte Verbauung sieht vor, dass Handwerker:innen die Strohballen zügig verputzen oder anderweitig verkleiden, bevor Feuchtigkeit oder Ungeziefer eindringen können.
Weiterhin solltest du beim Strohballenbau folgende Punkte bedenken:
- Aufwendige Bauweise: Damit Stroh vor Feuchtigkeit geschützt ist, muss man in der Planung und Ausführung exakt arbeiten, so Architekt Jan Reinschmidt. Der Bauablauf ist stark vom Wetter abhängig. Das erfordert auch, dass man über eine trockene Lagermöglichkeit verfügt.
- Laut der taz gibt es nicht überall ein Angebot an regionalem Stroh, das nicht mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde. Es fehle in Deutschland noch ein Zertifizierungssystem für nachhaltigen Getreideanbau zu Bauzwecken. Vor Pestiziden im Stroh muss man sich dennoch nicht sorgen, wie eine in der taz zitierte Forschungsarbeit feststellt. Zwar fand man an der Pflanze lokale Rückstände, diese seien jedoch nicht in die Pflanze gewandert und würde demnach auch nicht in die Hauswand gelangen. Trotzdem sollte der Anbau von Getreide grundsätzlich ohne Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide erfolgen, um auch Boden und Tiere zu schützen.
- Das Bauen mit Strohballen ist zurzeit noch teurer als mit herkömmlichen Baumaterialien. Dabei ist Stroh an sich ein preisgünstiges Material. Dass die Gesamtkosten für ein mit Stroh gebautes Haus trotzdem höher ausfallen, liegt an den Mehrkosten, welche durch die komplexe Planung und schwierige Genehmigung bei lasttragenden Strohballenbauten entstehen. Da das Bauen mit Strohballen oft langwieriger ist, schlägt sich auch dies in einem hohen Preis nieder.
Fazit für das Strohballenhaus
Mit der Menge an Stroh, die durch den Getreideanbau auf deutschen Äckern anfällt, könnten pro Jahr hunderttausende strohgedämmte Häuser entstehen. Das würde eine erhebliche Ersparnis an Beton und Holz bedeuten. Letzterer ist zwar ebenfalls ein natürlicher Baustoff, aber aufgrund der wachsenden Nachfrage in der Bauindustrie mittlerweile auch knapper und teurer geworden.
Noch ist das Bauen mit Stroh eine Nische, doch die Getreidehalme könnten das Material einer emissionsärmeren und umweltfreundlicheren Zukunft werden. Stroh ist nämlich ein bereits vorhandener Rohstoff, der ökologisch unbedenklich und ressourcenschonend ist.
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