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Vaillant-Chef zu Wärmepumpen: „Jedes Jahr, das wir mit Warten verbringen, ist ein verlorenes“

Interview mit Vaillant-Chef: Ohne Wärmepumpe geht es nicht
Fotos: © Vaillant Group

Die Wärmepumpe ist in Deutschland noch nicht so richtig beliebt – und doch wird sie sich in absehbarer Zeit durchsetzen. Davon ist Tillmann von Schroeter, Deutschlandchef des Wärmepumpen-Konzerns Vaillant, überzeugt. Wie und warum, das erzählt er im Utopia-Interview.

Die Abkehr von Gas- und Ölheizungen und der Umstieg auf Wärmepumpen ist das Kernstück der deutschen Wärmewende. Denn um die Klimaziele zu erreichen, muss möglichst bald Schluss sein mit fossilen Energien – und Wärmepumpen gelten als CO2-neutrale, effiziente Heiztechnik.

Während die Wärmepumpe im Neubau inzwischen dominiert, geht der Umstieg ansonsten nur schleppend voran. 500.000 Wärmepumpen sollten ab 2024 jährlich in deutschen Haushalten verbaut werden, dieses Ziel gaben Regierung und Branche im Herbst 2022 aus. Dafür gibt es hohe staatliche Förderungen. Stattdessen: Kurzarbeit und Entlassungen bei den großen Wärmepumpenherstellern.

Ist der Markt in der Krise? Warum sind die Deutschen so zögerlich? Und wie überzeugt man sie von der Wärmepumpe? Wir haben mit Tillmann von Schroeter gesprochen, Geschäftsführer von Vaillant Deutschland. Vaillant zählt zu den wichtigsten Wärmepumpenherstellern des Landes.

Der Deutschlandchef der Wärmepumpenherstellers Vaillant im Interview

Utopia: Der Absatz von Wärmepumpen hinkt deutlich hinter den Zielen her. Mehrere Wärmepumpenhersteller – auch Vaillant – sind teilweise in Kurzarbeit, es gibt Entlassungen. Wie sehr steckt der Wärmepumpen-Markt in der Krise?

Tillmann von Schroeter: Die Geschäftsentwicklung verlief im Jahr 2023 weniger dynamisch als ursprünglich erwartet, vor allem in der zweiten Jahreshälfte. Diese Entwicklung setzte sich im Jahr 2024 fort. Aber das Interesse an der Wärmepumpe hat zuletzt wieder zugenommen. Die Anzahl unserer Installationen liegt über dem Vorjahr. Auch die Zahl der eingereichten Förderanträge bei der KfW steigt an. Das sind positive Signale.

Dennoch sind wir von den Zielen, die mal im Raum standen, relativ weit entfernt.

Wir gehen von einem Marktvolumen von 200.000 Wärmepumpen in diesem Jahr aus und sehen mittelfristig eine durchaus positive Entwicklung zu über 300.000.

Fast alle Expert:innen sind überzeugt: Wärmepumpen sind die Schlüsseltechnologie, ohne die die Wärmewende nicht gelingt. Sie selbst sagten kürzlich in einem Interview, die Hälfte der befragten Deutschen würde am liebsten mit einer Wärmepumpe heizen.

Wenn man heute fragt, mit welcher Technologie die Menschen ihr Haus am liebsten beheizen würden, sagt etwa die Hälfte: mit einer Wärmepumpe. Sie hat ja auch wirklich tolle Vorteile: Drei Viertel der Energie, die eine Wärmepumpe braucht, kriegen wir aus der Umwelt geschenkt. Und auch das Viertel Strom, das man kaufen muss, wird mit dem Ausbau der Erneuerbaren und dem Angebot variabler Stromtarife günstiger werden.

„Ich hätte mir eine sachlichere Auseinandersetzung mit dem Heizungsgesetz gewünscht“

Woran liegt es dann aus Ihrer Sicht, dass die deutschen Haushalte noch so zögerlich sind, sich Wärmepumpen einbauen zu lassen?

Es gibt zwei Motivationen für einen Heizungstausch: Entweder meine alte Heizung ist kaputt. Oder ich möchte von fossiler auf erneuerbare Energie umsteigen. Das war der Grund, warum viele Immobilienbesitzer während der Energiekriese im Jahr 2022 auf eine Wärmepumpe umsteigen wollten.

Dann sind die Gaspreise wieder gesunken…

Genau. Und damit bei Immobilienbesitzern die Motivation, schnell von fossiler Energie wegzukommen. Deshalb geht der Markt, der über Fördermaßnahmen und geopolitische Einflüsse unglaublich gewachsen war, jetzt gerade wieder auf ein Niveau zurück, bei dem der technisch notwendige Austausch alter Heizungen der treibende Faktor ist.

Hängt der schleppende Umstieg nicht auch damit zusammen, wie das Gebäudeenergiegesetz letztendlich ausgestaltet wurde und mit den Debatten darum?

Die Nachfrage nach umweltfreundlicher Heiztechnik ist 2023 beinahe in ganz Europa zurückgegangen, nicht nur in Deutschland. Zu den Gründen zählen eine schwache Baukonjunktur und gestiegene Zinsen.

Bei uns hätte ich mir eine sachlichere Auseinandersetzung mit dem Heizungsgesetz gewünscht. Im Sommer oder Herbst 2022 wusste jeder am Stammtisch genau, die Wärmepumpe ist das Richtige. Diese Zuversicht ist in der Debatte 2023 zurückgegangen, durch Aussagen wie: Eine Wärmepumpe funktioniert nur, wenn ich eine Fußbodenheizung habe. Eine Wärmepumpensanierung ist sehr teuer. Für eine Wärmepumpe muss ich erst das ganze Haus sanieren. Diese Vorurteile haben für viel Verunsicherung gesorgt.

Das ganze Thema muss man sachlich darstellen, damit die Leute sich faktenbasiert informieren können: Was kostet die Sanierung wirklich, was bringt sie und wie kann ich mich beraten lassen?

Wie holt man die Leute raus aus ihrer Verunsicherung?

Über sachliche Aufklärung durch Medien, Hersteller und Fachhandwerker. Und mittels Referenzprojekten, etwa in der eigenen Nachbarschaft. In der Realität zeigt sich, dass der Einbau einer Wärmepumpe in den meisten Fällen die ökonomisch sinnvollste Lösung ist. Eine Wärmepumpe passt bei etwa 75 Prozent der Immobilien jetzt schon. Deswegen sieht man auch, dass die Endkunden langsam wieder mehr Vertrauen in die Wärmepumpe setzen.

„Wir waren beim Thema Wärmepumpe in Deutschland spät dran“

Sie klingen recht zuversichtlich.

Die Zahl der eingereichten Förderanträge steigt kontinuierlich. Der Trend ist positiv und den gilt es zu bestärken.

Wir sind ja in Deutschland auch nicht das einzige Land, in dem man die CO2-Emissionen der Gebäude mit Wärmepumpen senken kann. Das hat etwa die Schweiz vorgemacht, die Österreicher zeigen es, in Skandinavien hat sich die Wärmepumpe durchgesetzt. Wir waren beim Thema Wärmepumpe in Deutschland einfach später dran, weil wir die attraktivsten Gaskonditionen hatten und Strom im Vergleich sehr teuer war.

Sie haben die Zahl der Förderanträge angesprochen. Einerseits werden bewilligte Fördergelder ab September schneller ausgezahlt. Andererseits sollen nächstes Jahr voraussichtlich weniger Mittel für die Förderung der Wärmepumpen zur Verfügung stehen. Sie rechnen aber im Herbst nicht mit einem Run?

Anders als teils in den Medien dargestellt, wird ja überhaupt nicht diskutiert, dass die Förderung für das einzelne Wärmepumpenprojekt reduziert wird. Die Zahl der insgesamt erwarteten Wärmepumpensanierungen ist einfach geringer als letztes Jahr angenommen. Und deswegen gibt die Finanzschätzung des Bundes einen niedrigeren Gesamtbetrag für die nötigen Fördergelder aus. Das Bundeswirtschaftsministerium hat zugesichert, dass man die Fördermöglichkeiten für die Wärmepumpen langfristig beibehält.

Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen führen häufig zu Verunsicherung. Das verlangsamt die Energiewende. Deswegen ist Beständigkeit in der deutschen Energiepolitik ein großer Wunsch von uns. Wir müssen ein sehr komplexes System umbauen, von bisher stark gasbasierten Heizungen hin zu klimaschonenden Lösungen wie Wärmepumpen. Da das ein Umbau über mehrere Jahrzehnte ist, braucht man Weitblick und Verlässlichkeit. Und kein Auf und Ab.

Wärmepumpen sind schon heute für viele Einfamilenhäuser die effizienteste Lösung.
Wärmepumpen sind schon heute für viele Einfamilenhäuser die effizienteste Lösung. (Foto: © Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V., Vaillant)

Ich fasse zusammen: Damit die Wärmewende in einem vernünftigen Tempo vorankommt, braucht es jetzt sachliche Aufklärung, verlässliche Förderungen und Planungssicherheit im Hinblick auf die Energiepolitik. Noch etwas?

Genau, wir brauchen eine mittelfristig abgestimmte Energiepolitik in der Mitte der Gesellschaft, die die Rahmenbedingungen setzt. Denn Investitionen sind langfristige Themen, sowohl im Gebäude als auch in der Energieinfrastruktur. Welchen Anteil des Gebäudebestands können wir elektrifizieren, wo wollen wir erneuerbare Gase einsetzen, was ist der künftige Energieträger-Mix und welche Infrastruktur brauchen wir dafür? Das sind Fragen, auf die wir politische Antworten finden müssen.

Man braucht bei der aktuellen Preisstruktur auch Hebel, die Elektrifizierung attraktiv machen: flexible Stromtarife oder CO2-Bepreisung. Das heißt, es muss marktwirtschaftliche Mechanismen geben, die erneuerbare Energie günstig machen.

Und dann braucht es noch Mut und Zuversicht und gute Kommunikation. Denn am Ende hat jede Entscheidung natürlich auch eine psychologische Komponente.

„Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu handeln“

In Deutschland ist das Gebäudeenergiegesetz, das ja die Wärmewende steuert, stark an die kommunale Wärmeplanung gekoppelt. Gerade warten darum viele Menschen ab, wie ihre Gemeinde zukünftig heizen will – Stichwort Fernwärme. Ist dieses Warten sinnvoll?

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu handeln. Es mag Ausnahmen geben, wenn man zum Beispiel direkt neben einem Rechenzentrum oder einer Müllverbrennungsanlage wohnt, die ohnehin Abwärme zum Heizen der umliegenden Gebäude produzieren. Aber für die Besitzer der meisten anderen Immobilien ist die Wärmepumpe jetzt schon sinnvoll. Wärmepumpen sind hocheffizient. Es wird nicht unbedingt effizienter oder kostengünstiger, wenn man auf eine kollektive Lösung wartet.

Wenn ich an meinem Haus Umweltwärme nutzen kann [Wärmeenergie aus Luft, Erdreich oder Grundwasser, die Wärmepumpen erschließen können, Anm. d. Red.], mache ich zu 100 Prozent nichts falsch, wenn ich jetzt schon auf die Wärmepumpe setze. Die erfüllt die gesetzlichen Anforderungen komplett, ist investitionssicher und ich kann heute schon handeln.

Und es muss auch niemand fürchten, dass die Wärmepumpe wieder raus muss, wenn irgendwann doch ein Fernwärmeanschluss kommt.

Nein. Wir als Gesellschaft wollen die Klimaziele erreichen. Diese Aufgabe ist so riesig, ein Kampf zwischen Alternativen sollte unser letztes Problem sein. Jedes Jahr, das wir mit Warten verbringen, in dem wir nicht mit aller Konsequenz die Wärmewende vorantreiben, ist ein verlorenes. Deswegen kann ich nur jedem raten: Handel heute.

Was sagen Sie Menschen, die dennoch skeptisch sind gegenüber der Wärmepumpe oder die hohen Investitionskosten scheuen?

Ich sage allen, die glauben, es wird zu teuer: Lass dir ein Angebot machen. Es gibt den Fachhandwerker um die Ecke, außerdem gute digitale Quellen, um sich zu informieren. Immobilienbesitzer können mit überschaubarem Aufwand herausfinden, ob eine Wärmepumpe für ihr Gebäude infrage kommt, mit welchen Kosten zu rechnen ist, wie hoch die staatliche Förderung sein wird. Viele Experten können dabei helfen.

Auf dem Immobilienmarkt sieht man übrigens ganz klar: Sanierte Häuser mit einer guten Heiztechnik sind deutlich wertiger. Aus Vermögenssicht macht man als Privatperson mit einer entsprechenden Investition sicherlich nichts falsch.

Heizungsthermostat
Wie werden wir in Zukunft wirklich heizen? (Foto: CC0 / Pixabay / geralt)

„Die Zustimmung in Deutschland wird wachsen“

Lassen Sie uns zum Schluss noch in die Zukunft schauen: Im Jahr 2045 will Deutschland beim Heizen klimaneutral sein. Was ist Ihre Prognose, wie wir dann wirklich heizen werden?

In den Speckgürteln der Städte und auf dem Land werden wir einen extrem hohen Wärmepumpenanteil haben, weit über 50 Prozent. Dort wird es vereinzelt auch Häuser geben, die mit Holz und Biomasse heizen. In den Innenstädten werden wir intelligente Systeme haben, und zwar hybrid aus grünem Gas [Biomethan und Wasserstoff, Anm. d. Red.] und Wärmepumpen. Dort wird es auch Wärmenetze geben, mit denen man die Wärme in den Innenstädten verteilt.

Das ist das Bild, was ich vor Augen habe. Dort, wo die Strominfrastruktur noch nicht für die Elektrifizierung ausgelegt ist, brauchen wir hybride Anlagen – etwa bei größeren Immobilien wie Mehrfamilienhäusern. Grüne Gase werden uns helfen, im Winter an besonders kalten Tagen Spitzen im Energiebedarf abzudecken.

Gelingt es uns auf diesen Weg, 2045 wirklich klimaneutral zu heizen?

Es wird gesellschaftlich weiterhin Wellen geben. Noch sind wir klimatisch in Deutschland bevorzugt. Deswegen liegen die Zustimmungsquoten in der Bevölkerung für mehr Klimaschutzinvestitionen nur bei 60 bis 70 Prozent. Je extremer die klimatischen Bedingungen sind, desto höher sind diese Werte. Deswegen glaube ich, dass auch die Zustimmung in Deutschland wachsen wird. Und das ist am Ende die Triebfeder für Investitionen in einen nachhaltigen Gebäudebestand.

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