Dass dir der Rückweg oft kürzer vorkommt als der Hinweg, ist nicht ungewöhnlich und aus psychologischer Sicht tatsächlich gut zu erklären. Was es genau mit dem psychologischen Phänomen auf sich hat.
Du brichst zum Wandern auf eine unbekannte Strecke auf und wenn du den gleichen Weg zurückläufst, kommt dir dieser plötzlich viel kürzer vor? Oder du fährst in den Urlaub in einen bislang unbekannten Ort und auch hier empfindest du den Rückweg nach Hause dann deutlich schneller?
Diese Wahrnehmung kann natürlich auch daran liegen, dass die Strecke tatsächlich weniger Zeit in Anspruch genommen hat – zum Beispiel, weil weniger Verkehr herrscht oder du dich auf dem Rückweg nicht mehr verläufst. Doch auch wenn wir objektiv dieselbe Zeit für Hin- und Rückweg gebraucht haben, tendieren viele Menschen dazu, den Rückweg als kürzer wahrzunehmen. Dieser Effekt ist in der Wissenschaft als Return Trip Effect (zu Deutsch: Rückwegeffekt) bekannt.
Kürzerer Rückweg: Die Rolle der Erwartung
Eine Ursache für den Rückwegeffekt geht laut Spektrum auf unsere Erwartungen zurück: Wenn eine Strecke unbekannt ist, dann schätzen wir automatisch ein, wie lange wir dafür brauchen könnten. Dabei tendieren wir dazu die Dauer von unbekannten Situationen zu unterschätzen. Wir nehmen also an, dass wir für den Hinweg weniger Zeit brauchen als es tatsächlich der Fall ist. Dadurch erscheint er uns länger.
Da wir auf dem Hinweg nun bereits erfahren und selbst erlebt haben, wie lange die Strecke tatsächlich dauert, kommt uns der Rückweg im Vergleich dazu nicht mehr so lang vor. Denn wir schätzen die benötigte Dauer schlichtweg präziser ein.
Wissen wir hingegen schon vorher, wie lange wir für eine unbekannte Strecke brauchen werden, tritt der Rückwegeffekt laut Spektrum häufig nicht ein. Denn wenn wir durch Navigationsapps oder Erfahrungsberichte genauer abschätzen können, wie lang der Hinweg tatsächlich ist, haben wir hier bereits realistische Anhaltspunkte und nehmen demzufolge auch den Rückweg nicht mehr als kürzer wahr.
Der lange Hinweg: Vertrautheit und starke Emotionen
Neben der Theorie der Erwartung existiert eine weitere Theorie, anhand derer Forschende den Rückwegeffekt erklären. Diese dreht sich um die Vertrautheit unserer Umgebung. Laut den Autor:innen einer Studie aus dem Jahr 2011 haben wir auf dem Hinweg das Gefühl länger unterwegs zu sein, da uns unser Wohnort und die Umgebung schon so vertraut sind.
Welche der beiden Theorien das Phänomen tatsächlich erklären kann oder in welchem Ausmaß beide Theorien zum Tragen kommen, ist wissenschaftlich umstritten. In einer Studie aus dem Jahr 2020 bieten Forschende um Zoey Chen einen dritten Ansatz: Laut ihren Ergebnissen haben wir auf dem Hinweg oft stärkere Emotionen. Wenn wir etwa in den Urlaub fahren, überwiegen Vorfreude und Neugier. Fahren wir zu einer Konferenz und müssen einen Vortrag halten oder fangen einen neuen Job in einer unbekannten Stadt an, sind wir vielleicht eher nervös und aufgeregt.
Diese Emotionen führen dazu, dass wir den Hinweg subjektiv langsamer wahrnehmen. Auf dem Rückweg lassen die Emotionen nach und dementsprechend verfliegt die Zeit in unserer Wahrnehmung wieder schneller.
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