In den Alpen sieht man sie überall: Menschen auf E-Mountainbikes, die angesichts der Steigung erstaunlich unangestrengt den Berg hinauffahren. Doch das kann auch zu Fehleinschätzungen verleiten.
E-Mountainbikes machen steile Berge für mehr Menschen zugänglich. Doch der Motor hilft nur bergauf. Bergab wird das schwere Rad zur Herausforderung, wie verschiedene Expert:innen berichten.
Das Problem der Selbstüberschätzung
Katharina Gstrein arbeitet als Bikeguide im Tiroler Sölden – und sieht eine Selbstüberschätzung bei vielen E-Bike-Fahrer:innen.
Hochkommen sei vergleichsweise leicht. „Doch man sieht immer wieder Menschen, die dann auf der Hütte am Berg stehen und sich fragen: Wie komme ich nun wieder runter?“, erklärte Gstrein 2024 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Fehlt die Fahrtechnik und kommt Angst dazu, wird die Abfahrt zur Herausforderung.
André Schmidt, Redaktionsleiter der Zeitschrift Mountainbike, bestätigte das Problem: Er sehe immer wieder Menschen mit E-Mountainbikes im alpinen Bereich, denen es sichtlich an Radbeherrschung mangelt, sagte Schmidt 2024 gegenüber der dpa.
Warum E-Mountainbikes schwerer zu fahren sind
Laut einer Broschüre des Deutschen Alpenvereins (DAV) sollten Biker:innen „ihre Geschwindigkeit der jeweiligen Situation anpassen“ und „aufmerksam und bremsbereit“ fahren. Bei E-Mountainbikes wird das durch das höhere Gewicht schwieriger. Diese wiegen mit 20 bis 25 Kilogramm deutlich mehr als herkömmliche Fahrräder. Das macht sich bergab beim Bremsen und in Kurven bemerkbar.
Wer hier die Kontrolle verliert, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch andere Menschen, etwa weitere Mountainbiker oder Wanderer auf der Strecke. Gelangt man durch mangelnde Vorbereitung in eine bedrohliche Situation, muss eventuell die Bergrettung einschreiten. Dabei setzt man auch die Helfer einer Gefahr aus – und teuer ist so ein Einsatz auch.
Bremse kann ausfallen, wenn man sie falsch bedient: 2 Techniken
Schmidt nannte gegenüber der dpa zwei wichtige Punkte für die Fahrtechnik. Erstens: dosiert und punktuell bremsen. „Lässt man die Bremse die ganze Zeit schleifen, wird sie schnell heiß und fällt im schlimmsten Fall aus“, so der Experte.
Zweitens: Bergab nicht im Sattel sitzen. Fahrer:innen sollten den Sattel absenken und gebeugt stehen. So haben sie das Rad besser unter Kontrolle.
Die DAV-Broschüre empfiehlt außerdem, vor jeder Fahrt die Bremsen zu testen. Vorder- und Hinterradbremse sollten auf korrekte Funktion und die Bremsbeläge auf Verschleiß geprüft werden.
Weitere Tipps fürs E-Mountainbiken
Alpenvereine melden steigende Unfallzahlen mit Mountainbikes. Schmidt zufolge liege das zum einen daran, dass mehr Radfahrer:innen in den Bergen unterwegs sind. Zum anderen fehle vielen das Können im Umgang mit E-Mountainbikes.
Beide Fachleute empfehlen einen Technikkurs für Neulinge. Die wenigen Stunden Zeit und das Geld für die Teilnahme seien im Zweifel gut investiert, so Gstrein gegenüber der dpa. „Dann ist auch die Abfahrt kein Krampf mehr.“
Schmidt riet, zunächst auf einer Asphaltstraße abzufahren, damit man ein Gefühl für das Gewicht des Rades, das Handling und das Bremsen bekommt. Dann kann man den Anspruch stetig steigern.
Auch die DAV-Broschüre betont: „Vermeide Zeitdruck und steigere Intensität und Länge deiner Touren langsam“.
Besonders wichtig: Strecken richtig einschätzen
In Bikeparks sind Trails oft in blau (einfach), rot (mittel) und schwarz (schwer) eingeteilt. Auf regionalen Karten fehlen solche Hinweise oft. Auch das Wetter spielt eine Rolle: Ein Trail kann bei Regen plötzlich schwer zu fahren sein. Steine und Wurzeln werden durch Feuchtigkeit rutschig.
Schmidt’s Rat: Sich bei lokalen Radläden, Bikeverleihs oder Tourismusbüros nach der Schwierigkeit erkundigen oder einen Guide engagieren.
Das E-Mountainbike zu schieben ist keine Schande
„Es ist nie eine Schande, das Rad auch mal ein Stückchen bergab zu schieben, wenn man sich unwohl fühlt“, so Schmidt gegenüber der dpa. Die DAV-Broschüre bestätigt: Bei schwierigen Trails „kann es sein, dass du dein Bike stellenweise tragen oder über Hindernisse heben musst“ .
Das wichtigste: ehrlich die eigenen Fähigkeiten einschätzen. Dann macht E-Mountainbiken Spaß und bleibt sicher.