Wohnungsgenossenschaften: So funktionieren sie

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Die Wohnungsgenossenschaft kann bezahlbaren Wohnraum schaffen – auch ansonsten ist das Traditionskonzept moderner denn je. Warum das so ist und wie es funktioniert, liest du hier.

Eine Wohnung mieten oder kaufen? Es gibt noch eine dritte Möglichkeit – sogenannte Wohnungsgenossenschaften. Sie sind ein Mittelding zwischen Eigentum und Miete. Du bist Miteigentümer:in und wohnst in einer der Genossenschaftswohnungen.

Das Ziel der Genossenschaft ist die Förderung der Mitglieder. Die Wohnungen sollen zu den Bedürfnissen der Genossenschaftsmitglieder passen. Sie strebt daher nicht nach Profiten oder Gewinnen; die erwirtschafteten Überschüsse aus der Vermietung stecken die Genossenschaften wieder in die Wohnungen.

Wohnungsgenossenschaften sind traditionell demokratisch und solidarisch aufgebaut. Die ersten entstanden schon Ende des 19. Jahrhunderts, als während der industriellen Revolution schon einmal Wohnraum Mangelware war. Ihre Vision vom gleichberechtigten Wohnen ohne Spekulation und Mietwucher ist auch heute noch aktuell und macht Wohnungsgenossenschaften abermals interessant. 

 

Wie funktioniert die Wohnungsgenossenschaft?

Wohnungsgenossenschaften sind traditionell solidarisch.
Wohnungsgenossenschaften sind traditionell solidarisch. (Foto: CC0 / Pixabay / Pexels)

Wohnungsgenossenschaften setzen auf das „Prinzip der Selbsthilfe„. Das heißt jedoch nicht, dass du selbst auf der Baustelle mitarbeiten sollst. In den Anfängen der Siedlungsbündnisse vor knapp 100 Jahren war das noch der Fall: Damals entstanden Siedlungshäuser in Gemeinschaftsarbeit. 

Heute ist die Voraussetzung, um in eine Genossenschaftswohnung einziehen zu können, nur deine Mitgliedschaft. Dafür kaufst du Anteile an der Genossenschaft und unterstützt so die Wohnungsgemeinschaft.

So kommst du an eine Genossenschaftswohnung:

  1. Zunächst kaufst du Genossenschaftsanteile. In den Satzungen der jeweiligen Genossenschaft findest du den erforderlichen Mindestbeitrag oder die Anzahl der Mindestanteile. In der Regel richtet sich der Anteil nach der Wohnungsgröße. Sie können zwischen einigen Hundert Euro bis zu mehreren Tausend Euro liegen. Für deine Genossenschaftsanteile erhältst du eine jährliche Verzinsung. Dafür ist keine Mietkaution fällig.
  2. Durch deine Anteile bist du Miteigentümer:in der Genossenschaft. Damit erwirbst du ein Wohnrecht auf eine Genossenschaftswohnung.
  3. Entscheidest du dich auszuziehen, verlässt du meistens auch die Genossenschaft. Sie zahlt dir dann deine Einlagen aus.

Nachdem du die Genossenschaftswohnung bezogen hast:

Sobald du eingezogen bist, zahlst du monatlich eine „Miete“. Sie ist eher ein Unkostenbeitrag: Die Wohnungsgenossenschaft bezahlt aus der Beitragskasse Reparaturen oder Kosten für die Instandhaltung der Gebäude. Oftmals steht den Bewohner:innen auch ein Hausmeisterservice zur Verfügung.

Im Vergleich zu den sonst üblichen Mieten, vor allem in Großstädten, sind die Mieten der Genossenschaftswohnungen günstig. Ein Zensus des Bundesverbandes deutscher Wohnungsbau- und Immobilienunternehmen ermittelte 2024/25, dass bei rund 90 Prozent der Genossenschaftswohnungen die Kaltmiete unter acht Euro pro Quadratmeter liegt.

Zum Vergleich: Laut Statistik liegen die entsprechenden Mieten bei neuen Vermietungen pro Quadratmeter deutschlandweit bei 9,66 Euro. In Großstädten zahlst du für den Quadratmeter auch Mieten von 13,43 Euro.

Die Vorteile der Wohnungsgenossenschaft – ein Modell mit Zukunft

Zu einer Wohnungsgenossenschaft gehören oft auch Grünflächen.
Zu einer Wohnungsgenossenschaft gehören oft auch Grünflächen. (Foto: CC0 / Pixabay / Morgenstar)

Das erprobte Konzept der Wohnungsgenossenschaft passt zu einer grünen und nachhaltigen Gesellschaft. Eine Genossenschaftswohnung kann gegenüber einer herkömmlichen Mietwohnung mit mehreren Vorteilen punkten:

  • Wohnrecht: Solange du bei der Genossenschaft Mitglied bist, hast du ein Wohnrecht auf eine der Genossenschaftswohnungen – ein Leben lang. Du schließt einen Dauernutzungsvertrag für die Wohnung ab. Die Genossenschaft darf nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Satzung kündigen – zum Beispiel, wenn du wiederholt die monatlichen Zahlungen schuldig bleibst.
  • Sicherheit: Klagen auf Eigenbedarf oder jährliche Mieterhöhungen gibt es bei der Genossenschaft nicht.
  • Flexibilität: Das lebenslange Wohnrecht bedeutet nicht, dass du immer in der gleichen Wohnung bleiben musst. Du kannst durchaus Wohnungen wechseln. Zum Beispiel kannst du in einen anderen Stadtteil umziehen oder in eine größere oder barrierefreie Wohnung wechseln. Einige Genossenschaften stellen auch Gästewohnungen für eigene Mitglieder oder von anderen Genossenschaften zur Verfügung. Wenn du also viele Gäste erwartest oder selbst einige Zeit in einer anderen Stadt bist, könnte so eine Gästewohnung eine Lösung für dich sein.
  • Nachhaltig: Bei vielen Genossenschaften ist Umweltschutz ein Top-Thema. Sie nutzen beispielsweise die Sonnenenergie, um Strom oder Warmwasser zu erzeugen oder Erdwärme zum Heizen. Zu den genossenschaftlichen Wohnanlagen gehören oft Grünflächen, die den Bewohner:innen zur Verfügung stehen. Außerdem tragen die bepflanzten Flächen dazu bei, das Stadtklima zu verbessern.
  • Solidarisch: Die Gemeinschaft steht immer im Vordergrund und gegenseitige Nachbarschaftshilfe ist in Wohngenossenschaften oft gelebte Tradition. Das drückt sich in gemeinsamen Projekten aus, wie beispielsweise einem insektenfreundlichen Garten, Hoffesten oder Gemeinschaftsräumen für gesellige Treffen. Einige Genossenschaften sprechen sich bewusst für Mehr-Generationen-Konzepte aus. Andere Wohnungsgenossenschaften fördern die Inklusion durch barrierefreie Wohnungen, so beispielsweise ein prämiertes Bauprojekt in Landhut.
  • Mitbestimmung: Das alles ist möglich, weil die Bewohner:innen auch gleichzeitig die Miteigentümer:innen der Wohnungen sind. Aus ihren Reihen wählen sie den Vorstand und den Genossenschaftsrat.
  • Staatliche Förderung: Ab 2025 können Wohnungsgenossenschaften Steuererleichterungen erhalten, wenn sie für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Das Steuerfachmagazin Haufe erläutert, dass Organisationen wie Genossenschaften oder Stiftungen Steuerbefreiungen für „Wohngemeinnützigkeit“ erhalten können.

Die Nachteile der Wohnungsgenossenschaft stecken im Konzept

Auch bei Wohnungsgenossenschaften können Wohnungen knapp sein.
Auch bei Wohnungsgenossenschaften können Wohnungen knapp sein. (Foto: CC0 / Pixabay / karlherl)

Die Wohnungsgenossenschaft ist eine in sich geschlossene Gemeinschaft. Dadurch bringt das Konzept auch Nachteile mit sich:

  • Beitrittspflicht: Du musst erst beitreten, um eine Wohnung zu erhalten. Über neue Mitglieder entscheidet der gewählte Vorstand der Genossenschaft. Mitunter ist damit auch die Zahlung eines „Eintrittgeldes“ verbunden. Diese Einmalzahlung beträgt in der Regel 100 bis 200 Euro.
  • Investition: Vor dem Eintritt in die Genossenschaft musst du die jeweils erforderlichen Genossenschaftsanteile kaufen. Je nach Wohnungsgenossenschaft kann das erst einmal eine hohe finanzielle Belastung darstellen.
  • Verlustausgleich für die Genossenschaft: In schlechten Jahren kann auch eine Genossenschaft Verluste machen. Die Satzungen können in solchen Fällen auch eine Nachschusspflicht vorsehen. Das bedeutet, dass du deinen Anteilen entsprechend zusätzliches Geld einzahlen musst. Das Genossenschaftsgesetz erläutert, dass Mitglieder für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften. Sollte in einem extremen Fall die Genossenschaft Insolvenz anmelden müssen, haften die Eigentümer:innen ihren Anteilen gemäß.
  • Wartelisten: Auch Genossenschaftswohnungen sind knapp. Mit einem Beitritt in die Genossenschaft hast du ein Anrecht auf eine Wohnung. Allerdings kann es sein, dass keine passende frei ist. Besonders in großen Städten mit Wohnungsmangel können die Genossenschaften meist nicht sofort eine Wohnung garantieren; beispielsweise führen Münchner Wohnungsgenossenschaften oder Hamburger Wohnungsgenossenschaften lange Wartelisten oder haben einen Aufnahmestopp. Die Chancen, eine Wohnung zu ergattern, sinken mit der Länge der Liste. Es kann daher vorkommen, dass Wohnungsgenossenschaften keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen.

Fazit: Bei Wohnungsgenossenschaft überwiegen die Chancen

Die Genossenschaftswohnungen sind ein Weg, um bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen. Vor allem in Ballungszentren, in denen Wohnungen Mangelware sind, ist die Wohnungsgenossenschaft eine gefragte Alternative. Wenn du die Nachteile nicht scheust, kannst du von dem Gemeinschaftsgeist in den Genossenschaften und den günstigen Mieten profitieren.

Die Leidtragenden der aktuellen Wohnungskrise sind Familien, Rentner:innen und Student:innen. Für sie fehlen die Angebote auf dem Wohnungsmarkt. Der Deutsche Mieterbund forderte vor der Bundestagswahl 2025 dazu auf, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Er kritisiert, dass 2023 von den knapp 300.000 neuen Wohnungen nur ein Drittel klassische Mietwohnungen waren und sogar nur ein Zehntel Sozialwohnungen.

Hier könnten die bestehenden oder auch neue Wohnungsgenossenschaften ins Spiel kommen und für soziale Wohnungen und nachhaltige Stadtentwicklung sorgen. Neben den Traditionsgenossenschaften mit mehreren tausend Mitgliedern entstehen ebenso neue Genossenschaften mit innovativen Konzepten für die Quartiere, die den Menschen und der Umwelt zugutekommen.

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