Die Wohnungsgenossenschaft kann bezahlbaren Wohnraum schaffen – auch ansonsten ist das Traditionskonzept moderner denn je. Warum das so ist und wie es funktioniert, liest du hier.
Die Wohnung mieten oder kaufen? Es gibt noch eine dritte Möglichkeit – sogenannte Wohnungsgenossenschaften. Sie sind ein Mittelding zwischen Eigentum und Miete. Du bist Miteigentümer:in und wohnst in einer der Genossenschaftswohnungen. Das Ziel der Genossenschaft ist die Förderung der Mitglieder. Die Wohnungen sollen zu den Bedürfnissen der Genossenschaftsmitglieder passen. Sie strebt daher nicht nach Profiten oder Gewinnen; die erwirtschafteten Überschüsse aus der Vermietung stecken die Genossenschaften daher wieder in die Wohnungen.
Wohnungsgenossenschaften sind traditionell demokratisch und solidarisch aufgebaut. Die ersten entstanden schon Ende des 19. Jahrhunderts, als während der industriellen Revolution schon einmal Wohnraum Mangelware war. Ihre Vision vom gleichberechtigten Wohnen, ohne Spekulation und Mietwucher ist auch heute noch aktuell und macht Wohnungsgenossenschaften abermals interessant.
Wie die Wohnungsgenossenschaft funktioniert
Wohnungsgenossenschaften setzten auf das „Prinzip der Selbsthilfe“. Das heißt jedoch nicht, dass du selbst auf der Baustelle mitarbeiten sollst. Das war in den Anfängen der Siedlungsbündnisse vor knapp 100 Jahren der Fall. Damals entstanden Siedlungshäuser in Gemeinschaftsarbeit.
Heute ist die Voraussetzung, um in eine Genossenschaftswohnung einziehen zu können, deine Mitgliedschaft. Dafür kaufst du Anteile an der Genossenschaft und unterstützt damit die Wohnungsgemeinschaft.
So trittst du einer Wohnungsgenossenschaft bei:
- Zunächst kaufst du Genossenschaftsanteile. In den Satzungen der jeweiligen Genossenschaft findest du den erforderlichen Mindestbeitrag oder die Anzahl der Mindestanteile. In der Regel richtet sich der Anteil nach der Wohnungsgröße. Sie können zwischen einigen Hundert Euro bis zu mehreren Tausend Euro liegen. Für deine Genossenschaftsanteile erhältst du eine jährliche Verzinsung. Dafür ist keine Mietkaution fällig.
- Durch deine Anteile bist du Miteigentümer:in der Genossenschaft. Damit erwirbst du ein Wohnrecht auf eine Genossenschaftswohnung.
- Entscheidest du dich auszuziehen, verlässt du meist auch die Genossenschaft. Sie zahlt dir dann deine Einlagen aus.
Nachdem du die neue Wohnung bezogen hast:
Sobald du eingezogen bist, zahlst du monatlich eine „Miete“. Sie ist eher ein Unkostenbeitrag, aus denen die Genossenschaft Reparaturen bezahlt oder Kosten für die Instandhaltung der Gebäude deckt. Oftmals steht auch ein Hausmeisterservice den Bewohner:innen zur Verfügung.
Der Verein der Wohnungsbaugenossenschaften berichtet, dass im Durchschnitt die „Mieten“ der Genossenschaften bei 5,61 Euro pro Quadratmeter liegen.
Die Vorteile der Wohnungsgenossenschaft – Ein Modell mit Zukunft
Das erprobte Konzept der Wohnungsgenossenschaft passt zu einer grünen und nachhaltigen Gesellschaft. Eine Genossenschaftswohnung kann gegenüber einer herkömmlichen Mietwohnung mit diesen Vorteilen punkten:
- Wohnrecht: Solange du bei der Genossenschaft Mitglied bist, hast du ein Wohnrecht auf eine der Genossenschaftswohnungen – ein Leben lang. Du schließt einen Dauernutzungsvertrag für die Wohnung ab. Die Genossenschaft darf nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Satzung kündigen. Zum Beispiel, wenn du wiederholt die monatlichen Zahlungen schuldig bleibst.
- Sicherheit: Klagen auf Eigenbedarf oder jährliche Mieterhöhungen gibt es bei der Genossenschaft nicht.
- Flexibilität: Das lebenslange Wohnrecht bedeutet nicht, dass du immer in der gleichen Wohnung bleiben musst. Du kannst durchaus Wohnungen wechseln. Zum Beispiel kannst du in einen anderen Stadtteil umziehen oder in eine größere oder barrierefreie Wohnung wechseln. Einige Genossenschaften stellen auch Gästewohnungen für eigene Mitglieder oder von anderen Genossenschaften zur Verfügung. Wenn du also viele Gäste erwartest oder selbst einige Zeit in einer anderen Stadt bist, dann könnte so eine Gästewohnung eine Lösung für dich sein.
- Nachhaltig: Bei vielen Genossenschaften ist Umweltschutz ein Top-Thema. Sie nutzen beispielsweise die Sonnenenergie, um Strom oder Warmwasser zu erzeugen oder Erdwärme für die Heizung der Wohnungen. Zu der genossenschaftlichen Wohnanlagen gehören oftmals Grünflächen, die den Bewohner:innen zur Verfügung stehen. Außerdem tragen die bepflanzten Flächen dazu bei, das Stadtklima zu verbessern.
- Solidarisch: Die Gemeinschaft steht immer im Vordergrund und gegenseitige Nachbarschaftshilfe ist hier oftmals gelebte Tradition. Das drückt sich in gemeinsamen Projekten aus, wie beispielsweise einem insektenfreundlichen Garten, Hoffeste oder Gemeinschaftsräumen für gesellige Treffen. Einige Genossenschaften sprechen sich bewusst für Mehr-Generationen-Konzepte aus. Andere Wohnungsgenossenschaften fördern die Inklusion durch barrierefreie Wohnungen, wie beispielsweise ein prämiertes Bauprojekt in Landhut.
- Mitbestimmung: Das alles ist möglich, weil die Bewohner:innen auch gleichzeitig die Miteigentümer:innen der Wohnungen sind. Aus ihren Reihen wählen sie den Vorstand und den Genossenschaftsrat.
Die Nachteile der Wohnungsgenossenschaft stecken im Konzept
Die Wohnungsgenossenschaft ist eine in sich geschlossene Gemeinschaft. Damit bringt das Konzept auch Nachteile mit sich:
- Beitrittspflicht: Du musst erst beitreten, um eine Wohnung zu erhalten. Über neue Mitglieder entscheidet der gewählte Vorstand der Genossenschaft.
- Investition: Vor dem Eintritt in die Genossenschaft musst du die jeweiligen erforderlichen Genossenschaftsanteile kaufen. Je nach Wohnungsgenossenschaft können diese erstmal eine hohe finanzielle Belastung darstellen.
- Verlustausgleich für die Genossenschaft: In schlechten Jahren kann auch eine Genossenschaft Verluste machen. Die Satzungen können in solchen Fällen auch eine Nachschusspflicht vorsehen. Das bedeutet, dass du entsprechend deiner Anteile zusätzlich Geld einzahlen musst. Das Genossenschaftsgesetz erläutert, dass Mitglieder für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften. Sollte in einem extremen Fall die Genossenschaft Insolvenz anmelden müssen, haften die Eigentümer:innen entsprechend ihrer Anteile.
- Wartelisten: Auch Genossenschaftswohnungen sind knapp. Mit einem Beitritt in die Genossenschaft hast du ein Anrecht auf eine Wohnung. Allerdings kann es sein, dass keine passende frei ist. Besonders in großen Städten mit Wohnungsmangel können die Genossenschaften meist nicht sofort eine Wohnung garantieren; beispielsweise führen Münchner Wohnungsgenossenschaften oder Hamburger Wohnungsgenossenschaften lange Wartelisten oder haben einen Aufnahmestopp. Die Chancen, eine Wohnung zu ergattern, sinken mit der Länge der Liste. Es kann daher vorkommen, dass Wohnungsgenossenschaften keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen.
Fazit: Bei den Wohnungsgenossenschaft überwiegen die Chancen
Die Genossenschaftswohnungen sind mit ein Weg, um vor allem in Ballungszentren noch an bezahlbare Wohnungen zu gelangen. Wenn du die Nachteile nicht scheust, kannst du von dem Gemeinschaftsgeist in den Genossenschaften und den günstigen Mieten profitieren. Allerdings können sie dir auch keine Garantie auf eine Wohnung geben. Vor allem in Großstädten sind Wohnungen Mangelware.
Die Leidtragenden der aktuellen Wohnungskrise sind Familien, Rentner:innen und Student:innen. Für sie fehlen die Angebote auf dem Wohnungsmarkt. Eine Studie im Auftrag des deutschen Mieterbundes und Bau- und Sozialverbänden kommt zu dem Ergebnis, dass 2023 rund 700.000 Wohnungen fehlen. Das Bündnis fordert daher bis 2025 Investitionen von rund 50 Milliarden Euro in neue bezahlbare Wohnungen.
Hier könnten die bestehenden oder auch neue Wohnungsgenossenschaften ins Spiel kommen und für soziale Wohnungen und nachhaltige Stadtentwicklung sorgen. Neben den Traditionsgenossenschaften mit mehreren tausend Mitgliedern entstehen ebenso neue Genossenschaften mit innovativen Konzepten für die Quartiere, die den Menschen und der Umwelt zugutekommen.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Wohnungstausch statt Ferienwohnung: Urlaub in fremden vier Wänden
- Mietwohnung dämmen: Das kannst du jetzt tun
- Gemüse in der Wohnung anbauen: So klappt es
War dieser Artikel interessant?