Schöne Tradition oder reine Geldverschwendung? Das alljährliche Silvesterfeuerwerk polarisiert. Dass die Massen an Feuerwerkskörpern nicht nachhaltig sind, ist keine Überraschung. Wie stark die Böllerei in der Neujahrsnacht die Luft verpestet, vielleicht schon.
Ob man das Silvesterfeuerwerk mag oder nicht: Fakt ist, dass am nächsten Tag erschreckende Mengen Böllermüll auf den Straßen liegen. Fakt ist, das beim Hantieren mit Feuerwerk jedes Jahr schwere Unfälle passieren. Fakt ist, dass man mit den Millionen, die die Deutschen jährlich für Feuerwerkskörper ausgeben, viele sinnvolle Dinge für das Gemeinwohl tun könnte.
Fakt ist auch, dass Feuerwerkskörper oft unter ausbeuterischen und lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern produziert werden. Das sind eigentlich schon ausreichend Gründe, auf Feuerwerk zu Silvester zu verzichten.
Hinzu kommt aber noch: Die Masse an Feuerwerken und Böllern, die wir in der Neujahrsnacht in die Luft jagen, verursacht eine erschreckende Luftverschmutzung. Und nicht nur in den Stunden direkt vor und nach Mitternacht, sondern noch lange danach. Messungen zeigen: Am Neujahrstag ist die Feinstaubkonzentration in der Luft vielerorts höher als im gesamten Rest des Jahres. Der große Kater kommt eben danach.
Mindestens 20 Städte übermitteln Werte von über 50 µg/m³
So wurden, was die Feinstaubbelastung betraf, am Neujahrstag 2019 in mindestens 20 deutschen Großstädten kritische Tagesmittelwerte gemessen. Eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2005 sieht vor, dass der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft nur an 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf.
Viele Städte in Deutschland erreichten diesen Wert aber bereits am ersten Tag des neuen Jahres. Der Grund: Zu viele Böller und Raketen sowie ein Mangel an Wind und Regen. Diese hätten den Feinstaub schneller verteilt, sodass die Messstationen möglicherweise keinen Alarm geschlagen hätten. Die Mengen an belastenden Stoffen – und damit die Umweltverschmutzung – wären freilich identisch geblieben.
Am 1. Januar 2018 (also vor einem Jahr) maßen noch 13 deutsche Stationen Feinstaubwerte im Tagesmittel, die über dem Grenzwert von 50 µg/m³ lagen; dieses Jahr waren es mindestens 20. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass die Feinstaubbelastung insgesamt zugenommen hat oder dass mehr Böller gezündet wurden. Schließlich spielt das Wetter, wie eben beschrieben, die wichtigste Rolle bei der Verteilung des Feinstaubs.
Diese Städte lagen am 1.1.2019 über dem Grenzwert
Besonders belastet waren am 1. Januar 2019 zahlreiche Städte im Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, aber auch Berlin. So wurde im Südwesten ausgerechnet in Stuttgart, das ohnehin schon unter Feinstaub ächzt, an Neujahr im Tagesmittel mehr als 60 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft (µg/m³) gemessen; auch in Reutlingen kam es zu deutlichen Überschreitungen.
In Bayern waren neben Fürth und Schweinfurt unter anderem Lindau und verschiedene Messstationen in München von zu hohen Werten betroffen. Kritische Tageswerte meldeten außerdem Stationen in Darmstadt, Frankfurt, Kassel, Hanau und Offenbach in Hessen; in Rheinland-Pfalz waren Worms und Trier über der zumutbaren Grenze. Auch in Berlin-Friedrichshain wurde eine Überschreitung festgestellt.
Hier eine Auswahl von deutschen Messstationen mit dazugehörigen Feinstaub-Werten (PM 10). Die Liste ist unvollständig; es kann sein, dass an anderen Stationen in Deutschland sogar noch höhere Feinstaubbelastungen gemessen wurden.
Station | Tagesmittelwerte am 1. Januar 2019 |
Frankfurt-Höchst | 77 µg/m³ |
Schweinfurt, Obertor | 77 µg/m³ |
Offenbach-Untere Grenzstraße | 73 µg/m³ |
Reutlingen, Lederstraße-Ost |
72 µg/m³ |
Berlin, Friedrichshain-Frankfurter Allee |
67 µg/m³ |
Stuttgart, Bad Canstatt |
66 µg/m³ |
München, Landshuter Allee | 61 µg/m³ |
Stuttgart, Am Neckartor |
59 µg/m³ |
Fürth, Theresienstraße | 58 µg/m³ |
Stuttgart, Arnulf-Klett-Platz | 57 µg/m³ |
München, Stachus | 57 µg/m³ |
Lindau (Bodensee), Friedrichshafener Straße | 53 µg/m³ |
Darmstadt | 52 µg/m³ |
Weitere Werte können beim Umweltbundesamt, beim Bayerischen Landesamt für Umwelt, beim Hessischen Landesamt für Naturschutz oder bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg eingesehen bzw. angefragt werden.
Hohe Feinstaubbelastung an Silvester
Die aktuellen Messungen decken sich mit den Warnungen, die das Umweltbundesamt (UBA) bereits seit vielen Jahren ausspricht. „In der Silvesternacht steigt die Belastung mit gesundheitsschädlichem Feinstaub explosionsartig an“, schreibt das UBA. Laut Amt werden zum Jahreswechsel jedes Jahr rund 4.500 Tonnen Feinstaub freigesetzt.
Die Zahl klingt zunächst etwas abstrakt, aber das UBA hat noch eine weitere Ziffer, die deutlich macht, wie groß das Problem mit der dicken Luft an Silvester ist: Die Feinstaubmenge, die durch Feuerwerke in die Luft gelangt, entspricht in etwa 15,5 Prozent der Menge, die der gesamte Straßenverkehr im Jahr freisetzt.
Stundenwerte von 1.000 µg/m³ und mehr seien demnach in den Stunden unmittelbar nach Mitternacht in Großstädten keine Ausnahme. So auch 2019: In den fränkischen Städten Fürth und Schweinfurt beispielsweise wurden zwischen 0:00 Uhr und 1:00 Uhr Werte von über 950 µg/m³ festgestellt. Noch kurz zuvor hatte die Feinstaubkonzentration bis zu 40 Mal niedriger gelesen. Zum Vergleich: Die Jahresmittelwerte für Feinstaub liegen derzeit zwischen 15 und 20 µg/m³.
Das UBA hat beeindruckende Karten erstellt, die im Zeitverlauf zeigen, dass in der Silvesternacht deutschlandweit die Feinstaubbelastung auffallend hoch ist (der Jahreswechsel 2018/2019 ist leider noch nicht abgebildet).
Gefährliche Luftverschmutzung durch Feinstaub
Spätestens seit der Dieselfahrzeug-Debatte ist bekannt: Feinstaub ist gefährlich. Die gesundheitlichen Auswirkungen können dabei von Schleimhautreizungen und Entzündungen bis hin zu Herzproblemen reichen. Verschiedene Modellrechnungen und Studien gehen für Deutschland von mehreren Zehntausend Todesfällen pro Jahr aus, die durch Feinstaub begünstigt werden.
Natürlich sind die Feuerwerke an Silvester nur einer von vielen Faktoren, die die Luft verschmutzen und damit unsere Gesundheit gefährden. Dennoch drängt sich die Frage auf: Ist das wirklich nötig? Und rechtfertigen Spaß und Tradition wirklich die Folgen für Umwelt und Gesundheit? Ist es noch zeitgemäß, für bunte Lichter und laute Böller eine solche Luftverschmutzung in Kauf zu nehmen – in Zeiten, in denen in vielen Gegenden Deutschlands die Luft sowieso schon gefährlich verdreckt ist?
Utopia-Fazit: Wir wollen niemandem den Spaß an Silvester verderben. Aber wir wollen alle Leser dazu ermutigen, mal ehrlich darüber nachzudenken, ob man Feuerwerke noch für vertretbar hält. Denn wenn man sich das Gesamtbild ansieht, spricht wenig für Raketen und Böller.
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