Das Jahr 2021 ist offiziell das Jahr gegen Kinderarbeit – ausgerufen durch die Internationale Arbeitsorganisation. Auch, wenn eigentlich jedes Jahr ein Jahr gegen Kinderarbeit sein sollte. „Jedes Jahr“ das sind 365 Tage, an denen sich jede:r von uns mit jeder Konsumentscheidung gegen Kinderarbeit entscheiden kann. Wir sollten nämlich alle viel genauer hinschauen: In welchen Produkten steckt Kinderarbeit? Was wissen wir über die Lieferkette eines Produktes? Welche Unternehmen und Anbieter denken nicht nur an den großen Profit, sondern auch an faire Sozialstandards? Und was kannst du selbst tun?
Kinderarbeit steckt nicht nur in Kaffee und Fast-Fashion
Der Kampf gegen Kinderarbeit fängt bei uns an, und zwar auch in Bereichen, in denen wir es gar nicht vermuten. Wusstest du beispielsweise, dass in Grabsteinen Kinderarbeit steckt? Ja, in Grabsteinen… So hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern am 9. Juni dieses Jahres ein neues Bestattungsgesetz verabschiedet. Eine der wichtigsten Neuerungen darin: Ab sofort sind auf den Friedhöfen des Bundeslandes Grabsteine, die aus Kinderarbeit stammen, verboten. Denn die meisten dieser Totenmale kommen aus asiatischen Ländern wie Indien, China oder den Philippinen, in dessen Steinbrüchen häufig Kinder arbeiten. Zukünftig müssen die Steine aus diesen Regionen zertifiziert kinderarbeitsfrei sein. In anderen Bundesländern gelten solche Regelungen zwar schon länger, allerdings zeigt das Beispiel eines deutlich: Kinderarbeit steckt in viel mehr Bereichen, als wir vermuten und wahrhaben wollen.
Corona wirft Bemühungen zurück
Trotz verstärkter Bemühungen in den vergangenen Jahrzehnten, die die Zahl arbeitender Kinder deutlich reduzieren konnten, tragen noch immer rund 160 Millionen Mädchen und Jungen weltweit zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei – so eine gemeinsame Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und UNICEF für das Jahr 2020.
Etwa die Hälfte von ihnen werden ihrer Rechte beraubt, zur Arbeit gezwungen, leiden unter gefährlichen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und haben keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Rund 50 Prozent der Kinderarbeiter:innen sind jünger als zwölf Jahre. Zwar ist die Zahl arbeitender Kinder dank verstärkter Bemühungen in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Aus der aktuellen Studie, die die Folgen der Corona-Krise noch nicht abbildet, geht jedoch hervor, dass mehr als acht Millionen Kinder mehr arbeiten als noch 2016 – ein starker Rückschlag im Kampf gegen Kinderarbeit.
Die Vereinten Nationen (UNO) hatten das Ziel gesetzt, Kinderarbeit bis zum Jahr 2025 vollständig zu beseitigen und in den vergangenen Jahren auch deutliche Erfolge verbuchen können. Das Jahr 2021 hat die UNO sogar zum Jahr gegen Kinderarbeit ausgerufen.
ILO-Chef Guy Ryder warnte bereits Mitte 2020 davor, dass Corona viele Jahre des Fortschritts rückgängig machen könne. Da die Pandemie verheerende Auswirkungen auf das Einkommen vieler Familien ohne Unterstützung habe, stehe zu befürchten, dass viele zur Kinderarbeit zurückkehren werden. Auch die Schließungen von Schulen sowie Fluchtbewegungen wie im syrischen Kriegsgebiet tragen zu dieser Entwicklung bei. Die aktuelle Studie schätzt den möglichen Anstieg auf etwa weitere neun Millionen Kinder.
Lieferketten sollen stärker kontrolliert werden
Am 11. Juni dieses Jahres verabschiedete die Bundesregierung das sogenannte Lieferkettengesetz. Dieses soll einen rechtlichen Rahmen schaffen, um den Schutz der Umwelt, Menschen- und Kinderrechte entlang der globalen Lieferketten zu verbessern. Mehr als ein Anfang ist das Gesetzt zwar nicht, aber der Grundstein ist gelegt. Denn die Verpflichtung der Unternehmen, umweltzerstörerische und menschenrechtsverletzende Glieder in ihren Lieferketten zu verbannen, beschränkt sich auf die unmittelbaren Zulieferer – die entsprechenden Verstöße geschehen aber vor allem am Anfang der Lieferkette. Der Einfluss verschiedener Lobbygruppen verhinderte ein weitreichenderes Gesetz, der Ruf nach härteren Gesetzen und Regeln ist laut. Die Forderung: Eine deutliche Nachbesserung des Gesetzes, bis es 2023 in Kraft tritt.
Deutschland ist sowieso spät dran mit einer solchen Regulierung: Bereits seit 2017 verpflichtet ein Gesetz in Frankreich Unternehmen dazu, Verstöße gegen die Menschenrechte in der Lieferkette zu entdecken und zu verhindern; der niederländische Senat verabschiedete 2019 ein ähnliches Gesetz in Bezug auf Kinderarbeit. Auf EU-Ebene ist ebenfalls ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht geplant.
Selbst aktiv werden und nachfragen
Doch was können wir tun, um auch im Alltag gegen Kinderarbeit vorzugehen? Schließlich wissen wir oft nicht, ob an den Produkten, die wir regelmäßig kaufen, Kinder beteiligt sind. Ob beim Anbau von Kaffee- und Kakaobohnen sowie von Baumwolle, bei der Herstellung von Kleidung und beim Abbau von Rohstoffen wie Kobalt, das beispielsweise in Handybatterien verwendet wird. Laut der Utopia Studie geben nur 5% aller Befragten an, zu wissen, in welchen Produkten Kinderarbeit steckt. Daher wünschen sich bewusste Konsument:innen auch eine klare Kennzeichnung der Produkte ohne Kinderarbeit.
Grundsätzlich ist es wichtig, sich für das Thema zu sensibilisieren und sich zu informieren. Woher stammen die Produkte, die ich erwerbe? Werden sie unter vertretbaren Bedingungen mit sozialen Standards hergestellt? Werden dabei faire Preise und Löhne gezahlt, durch die Erwachsene ihre Familie ernähren können? Denn meist müssen Mädchen und Jungen nur deswegen zum Familieneinkommen beitragen, weil ihre Eltern nicht genug verdienen. Sorgt der Anbieter meiner Produkte durch Transparenz dafür, dass ich das überhaupt nachvollziehen kann? Allein dein Interesse am Thema führt zu einem bewussteren Konsum.
Und auch Dienstleister stehen in der Verantwortung, soziale Kriterien zu berücksichtigen. Bei Banken kannst du dich immer fragen: Was machen die eigentlich mit meinem Geld? Die EthikBank beispielsweise achtet seit ihrer Gründung darauf, dass keine Investitionen in Unternehmen fließen, die mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden.
Entdecke die ethisch-ökologischen Anlagekriterien der EthikBank
Ein Anfang ist im Jahr gegen Kinderarbeit gemacht – es gilt nun angesichts der aktuellen globalen Krise, den Fokus nicht zu verlieren und weiterhin entschlossen gegen Kinderarbeit vorzugehen. Dieser Kampf ist eng mit dem Engagement für faire Löhne verbunden. Ein bloßes Verbot der Kinderarbeit ist wenig hilfreich, mitunter sogar kontraproduktiv, da es die Rechte arbeitender Kinder einschränkt – vielmehr müssen Menschen in den betreffenden Ländern in die Lage versetzt werden, mit ihrer Arbeit die Existenz ihrer Familie sichern zu können. Ihre Kinder sollten das Versprechen für eine bessere Zukunft sein dürfen und nicht ein billiges Werkzeug für die Gegenwart.
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