„Ich mach mir die Welt, widde-widde-wie sie mir gefällt…“ Der Lieblingsspruch der legendären Kinderbuchheldin Pippi verkommt bei der Supermarktkette Kaufland zum Werbeslogan für eine VR-Brille – das tut weh.
Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf ist das stärkste Mädchen der Welt. Sie ist mutig, völlig unabhängig und erlebt die unglaublichsten Abenteuer. So richtig mit Rausgehen und Sich-dreckig-Machen. Pippi rettet ihren Vater aus den Fängen von Seeräubern, tanzt mit Hausierern an der Decke oder crasht gesittete Kaffeekränzchen.
Niemand lebt das Motto „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!“ wohl konsequenter als Astrid Lindgrens Kinderbuchheldin mit den roten Zöpfen und Sommersprossen. Doch während Pippi furchtlos Piratenschiffe kapert, hat die Supermarktkette Kaufland ihren Spruch geklaut – und ihm eine befremdliche neue Bedeutung gegeben.
Pippi hat die Welt noch eigenhändig auf den Kopf gestellt
Denn derzeit macht Kaufland bei Facebook Werbung für eine Virtual-Reality-Brille – mit der Schwarz-Weiß-Zeichnung einer begeistert lachenden Pippi mit VR-Brille und besagtem Lebensmotto aus ihrem Lied.
Hier kannst du den Beitrag bei Facebook sehen (eventuell musst du zuerst die Ansicht aktivieren):
Sicher, in gewisser Weise macht man sich auch mit Virtual Reality die Welt ein bisschen bunter – aber ganz, ganz sicher nicht so, wie Pippi es tun würde. Die Brille erweitert bloß künstlich unsere Wahrnehmung, während Pippi die Welt noch eigenhändig auf den Kopf stellte. „Das ist nur simuliert. Pippi hat noch wirklich anarchistisch etwas verändern wollen!“, lautet ein treffender Kommentar unter dem Facebook-Post.
„Da hat jemand Pippi ein wenig fehlinterpretiert“
Die kritischen Reaktionen von Fans der Kinderbuchreihe, die der Werbung nichts abgewinnen können, häufen sich: „Da hat jemand Pippi ein wenig fehlinterpretiert :D“, schreibt eine Nutzerin unter dem Beitrag. „Was hat so eine Brille für Leben aus der Konservendose mit der wunderbaren Welt von Pippi zu tun?“, fragt sich ein anderer.
Viele Kommentor*innen sind sich sicher, dass das abenteuerlustige Mädchen eine VR-Brille nicht nötig gehabt hätte – und wüssten auch selbst nichts damit anzufangen: „Geht in die Natur! Das ist wunderschön, man lernt noch dazu und es ist kostenlos!!!“ oder „Pippi hätte niemals vor dem Smartphone geklebt. Sie hat Abenteuer erlebt, draußen“, heißt es unter dem Post.
Kaufland schreibt dazu: „Sei Pippi, nicht Annika!“
Kaufland kapert für seine Werbung im Übrigen nicht nur Pippis Botschaft, sondern schreibt dazu noch über dem Bild: „Sei Pippi, nicht Annika!“ Diese Aufforderung, die darauf abzielt, man solle mehr den eigenen Kopf durchsetzen und frecher durchs Leben gehen, statt sich Pippis brave Freundin Annika zum Vorbild zu nehmen, ist nicht neu: Seit Jahren wird der Spruch als Graffiti an Wände gesprüht und ziert mittlerweile unzählige T-Shirts, Jutebeutel und Tassen.
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Pippi steht sicher nicht für Konsum und Realitätsflucht
Utopia meint: Dass der Appell „Sei Pippi, nicht Annika“ ausgerechnet an potenzielle Kunden gerichtet wird, um ihnen ein überflüssiges Produkt zu verkaufen, tut weh. Pippi Langstrumpf steht für Fantasie, Lebensfreude, Chaos und Freiheit – und sicher nicht für Konsum, digitale Ersatzwelten und Realitätsflucht.
Würden wir Pippi 2019 kennenlernen, würde sie vielleicht auf einer „Fridays for Future“-Demo mitlaufen, durch Europa trampen oder Greta Thunberg in ihrem fliegenden Heißluftballon-Bett über den Altantik befördern – wobei sie vorher aus Konrads Spezialkleber einen umweltfreundlichen, klimaneutralen Treibstoff entwickelt hätte.
Wenn überhaupt, dann wäre die Mitläuferin Annika wohl die richtige Zielgruppe für überteuerte Smartphones, Bluetooth-Kopfhörer oder VR-Brillen. Man kann nur hoffen, dass Pippi ihr den Quatsch ausgeredet hätte.
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