Nutzen wir die Corona-Krise, um die Wirtschaft grüner zu machen, oder wird alles so weiterlaufen wie bisher? Eine Scheinwahl – eigentlich gibt es nur eine Option. Denn: Die Bedrohung durch den Klimawandel ist wegen Corona nicht weniger real. Ein Kommentar.
Wie wird die Zeit nach Corona aussehen? Unter anderem mit dieser Frage hat sich der Petersberger Klimadialog beschäftigt, an dem 30 Staaten virtuell teilgenommen haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte in ihrer Ansprache am Dienstag ehrgeizigere Klimaschutzziele und, um diese einzuhalten, klimafreundliche Investitionen. „Wenn wir Konjunkturprogramme auflegen, [müssen wir] immer den Klimaschutz ganz fest im Blick […] haben“, erklärte die Kanzlerin.
Doch es gibt auch Stimmen, die das Gegenteil fordern – nämlich Lockerungen von Klimaschutzmaßnahmen zum Wohle der Wirtschaft. Der Industrieverband BDI verlangte beispielsweise, die Zwischenziele bis 2030 erneut zu prüfen, aus Angst, die Finanzierung des EU-GreenDeals könnte finanziell geschwächte Unternehmen überfordern. Auch der Wirtschaftsrat der CDU forderte bereits, klimapolitische Zielvorgaben zu strecken.
Wie also die Wirtschaft wieder ankurbeln? Indem man Unternehmen Geld zuschießt und sie so weiter machen lässt wie bisher? Oder Umweltschutzmaßnahmen sogar zurückfahrt?
Nein, das wäre genau der falsche Weg. Wir können nicht weiter machen wie bisher, dürfen den Klimawandel nicht ignorieren. Stattdessen müssen wir einen Weg finden, Klimaschutz und Wirtschaftswachstum miteinander zu verbinden. Alles andere würde bedeuten, die Realität zu ignorieren.
Ignoriert das Klima nicht
Fürs Klima gingen bis vor kurzem wöchentlich tausende Schüler*innen auf die Straße – auch in Deutschland. Nun ist es stiller um Fridays for Future und Co. Woran liegt das? Ist Klimaschutz jetzt weniger wichtig? Ist das Thema den Menschen plötzlich egal?
Nein. Noch immer steigen Temperaturen, schmelzen Gletscher und sterben Arten aus. Es wird bloß weniger darüber berichtet. Und noch immer machen sich Schüler*innen und Aktivist*innen fürs Klima stark. Bloß nicht mehr auf der Straße, das ist gerade nicht möglich. Sie haben die Demos zwangsläufig ins Netz verlegt.
Im Moment steht das Coronavirus im Fokus und das ist auch verständlich. Das heißt aber nicht, dass Klimaschutz plötzlich nicht mehr wichtig ist. Wir müssen die gesteckten Ziele trotzdem einhalten, denn: An der Situation hat sich nichts geändert. Die Politik darf nicht einfach so tun, als ob es anders sei – denn das hieße, die Realität zu ignorieren.
Ignoriert die Wissenschaft nicht
Die Wirtschaft muss grüner werden – denn was wäre die Alternative? Während der Finanzkrise 2009 hat die Bundesregierung die Abwrackprämie eingeführt, um die Autobranche zu unterstützen. Das heißt: Sie hat die Leute dazu ermutigt, oftmals noch fahrtüchtige Autos zu verschrotten, damit sie sich neue kaufen. Klimaschutz? Fehlanzeige! Dabei wussten Politiker*innen damals schon um den Klimawandel und seine Gefahren. Sie haben sich aber dazu entschlossen, das Problem einfach zu ignorieren.
Auch für die Zeit nach Corona ist eine Abwrackprämie schon wieder im Gespräch – doch das wäre der falsche Weg! Denn uns bleibt nicht mehr viel Zeit: Wir müssen unseren CO2-Ausstoß bis 2050 auf Null senken, sonst können wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen. Und das schaffen wir nicht, indem wir ohne Ende Autos produzieren! Das dürfte auch Politiker*innen klar sein und dieser Realität müssen sie sich stellen. Auf Virologen hören sie ja, wieso sollten sie Klima-Wissenschaftler*innen ignorieren?
Ignoriert die Lösungen nicht
Wir brauchen also eine grünere Wirtschaft. Doch wie soll das gehen? Und kann die Wirtschaft, eine grüne Wirtschaft, trotzdem so stark werden wie vorher?
Ja. Davon sind europäische Unternehmer*innen, Politiker*innen und Expert*innen überzeugt. 180 von ihnen haben bereits eine Forderung nach „Green Investments“ unterzeichnet, also Investitionen, die die Wirtschaft klimaneutral machen und Artenschutz fördern sollen – und gleichzeitig Jobs und Wirtschaftswachstum schaffen. Ganz ähnlich lauteten die Forderungen von 68 deutschen Unternehmen in einem offenen Brief, der zum Auftakt des Petersbergers Klimadialogs veröffentlicht wurde.
Laut dem Think Tank Agora Energiewende bräuchte man nur 100 Milliarden Euro, um die Wirtschaft nachhaltig umzubauen – geschätzt ist das übrigens die Summe, die Deutsche jährlich für ihren Urlaub ausgeben.
Auch wie man das Geld investieren müsste, haben die Forscher*innen bereits ausgerechnet. Jeweils fünf Milliarden Euro würden zum Beispiel in den Ausbau von Solar- und Windenergie fließen. Davon würden wir gleich doppelt profitieren: Wir würden uns der Klimaneutralität nähern und den Stromsektor an zukünftige Herausforderungen anpassen. Es gibt also Lösungsansätze, die sowohl die Wirtschaft als auch das Klima retten. Die Politik muss nur noch darauf zurückgreifen, anstatt so weiterzumachen, wie bisher.
Fazit: Ignoriert die Realität nicht
Natürlich muss der Staat Menschen aus allen Branchen unterstützen, deren Arbeitsplätze in Gefahr sind. Doch das „Wie“ wird entscheidend sein. Wird man planlos investieren, nur um möglichst schnell möglichst große Gewinne zu erzielen – egal was danach kommt? Oder wird man ein, zwei, zehn Jahre in die Zukunft denken und eine robustere, weil nachhaltigere Wirtschaft etablieren?
Ist Letzteres der Fall, führt kein Weg an einem klimafreundlichen Wirtschaftswandel vorbei. Davon profitieren auf lange Sicht sogar Branchen wie die Autoindustrie. Sie würden nicht nur vor dem Konkurs gerettet, sondern hätten auch die Chance, den Vorsprung Anderer im Bereich Elektromobilität und alternative Antriebe aufzuholen. Ganz zu schweigen von dem Klima, dass man vielleicht doch noch retten könnte – ganz wie Schüler*innen, Wissenschaftler*innen und Menschen überall auf der Welt das seit Jahren fordern.
Wie soll die Zukunft nach Corona aussehen? Schreibt uns eure Wünsche und Meinungen in die Kommentare!
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