Eltern sind in der Corona-Krise besonders belastet, weil Kitas und Schulen weitgehend geschlossen sind – und sie wenig Unterstützung vom Staat bekommen. Einige Mütter machen nun mit einem kreativen Protest darauf aufmerksam und stellen ihre Kinderbetreuung in Rechnung. Die Aktion sorgt im Netz für kontroverse Reaktionen.
Vorweg: Für Corona kann niemand was und dass Kitas und Schulen weitgehend geschlossen sind, halte ich für richtig und wichtig, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.
Eltern am Limit
Das ändert aber nichts daran, dass sehr viele Eltern an ihrer Belastungsgrenze angekommen sind oder schon darüber hinaus gegangen. Seit rund zwei Monaten betreuen sie ihre Kinder zuhause, die längste Zeit davon ohne viel Kontakt zu anderen Kindern, ohne Spielplätze, ohne Hilfe durch die Großeltern. Wer gleichzeitig Arbeitnehmer*in ist und kleine Kinder zu betreuen hat, hat nun vermutlich den Jahresurlaub annähernd aufgebraucht oder aber massive Gehaltseinbußen.
Während Unternehmen aus fast allen Wirtschaftsbereichen und Selbstständige in der Krise vollkommen zu recht Unterstützung vom Staat bekommen, werden Familien nach wie vor ziemlich allein gelassen.
In vielen Fällen sind es nun die Mütter, die zurückstecken, die Zuhause die Kinder betreuen – und angefeindet werden, wenn sie äußern, dass sie mit dieser Aufgabe Schwierigkeiten haben. Die Krise offenbart und befördert eigentlich längst überwunden geglaubte Geschlechterrollen.
#CoronaElternRechnenAb: symbolische Rechnungen
Drei Frauen wollten all diese Probleme sichtbar machen und haben dem Staat ihre Betreuungsleistung als Protestaktion symbolisch in Rechnung gestellt. Die drei Mütter und Bloggerinnen wollen zeigen: Familien leisten gerade Unglaubliches und brauchen dabei Unterstützung durch die Politik.
„Es kann nicht sein, dass Eltern und Kinder, Lehrer*innen und Erzieher*innen das einfach alleine wuppen sollen!
Wir (Karin Hartmann, Rona Duwe von Phönix Frauen und ich) werden daher von heute an dem Staat bzw. unserem Bundesland die zusätzlich erbrachte Betreuung und Beschulung unserer Kinder monatlich in Rechnung stellen.“
Das schreibt Bloggerin Sonja Lehnert in einem wütenden Blogpost.
Denn: „Wenn ich als Steuerzahlerin finanzstarken Industriezweigen aus der Krise helfen soll, steht auch mir für meine Krisenleistungen staatliche Unterstützung zu.“
Zwischen Shitstorm und Support
Die Aktion #CoronaElternRechnenAb bekommt derzeit im Netz viel Aufmerksamkeit – und spaltet dabei die Kommentator*innen: Die einen sehen darin ein wichtiges Symbol, die anderen werfen den Initiatorinnen vor, ihre Pflichten als Mütter abwälzen zu wollen. Viele User*innen scheinen dabei allerdings nicht zu verstehen, dass die „Rechnungen“ eine symbolische Aktion sind.
„Ich schreibe übrigens keine Rechnung für meine Arbeit zu Hause mit Kindern, Schulaufgaben und Haushalt. Ich glaube, wenn man Kinder bekommt, gehört es zum Lebensrisiko, dass man sich um sie kümmern muss“, schreibt beispielsweise ein Twitter-User.
Eine andere Userin weist darauf hin, es gehe nicht darum „dass sich Eltern nicht um ihre Kinder kümmern wollen. Sondern darum, dass man nicht ZEITGLEICH eine Präse halten & das Kind betreuen kann, wenn man nur EINEN Körper hat.“
Eine weitere Userin findet, dass die Aktion „auch zeigt, wie wenig gesellschaftliche Anerkennung Care-Arbeit noch immer hat.“
Utopia meint: Wenn man #CoronaElternRechnenAb und die gestellten Rechnungen als rein symbolische Protestaktion versteht, hat sie ein wichtiges Ziel erreicht: Sie rückt die aktuellen Schwierigkeiten von Eltern und insbesondere Müttern in den Fokus. Niemand wird für die Betreuung der eigenen Kinder bezahlt. Bezahlt werden Menschen, die dies beruflich tun (dass diese eigentlich mehr Gehalt verdient hätten, ist ein anderes Thema). Aber dass Familien für die Zeit der Corona-Schutzmaßnahmen dringend mehr finanzielle Unterstützung durch den Staat brauchen, steht außer Frage – und Aktionen, die darauf aufmerksam machen, sind deshalb wertvoll.
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