Die E-Scooter galten einst als grüne Hoffnungsträger der Mobilitätswende. Inzwischen wissen wir: Das sind sie nicht – sondern eher eine grüngewaschene Stolperfalle für Fußgänger. Ein Kommentar.
Vor über zwei Monaten wurden E-Scooter in Deutschland zugelassen. Die Erwartungen waren groß, denn die Alu-Flitzer wurden als Werkzeug der Verkehrswende gepriesen: Als umweltfreundliche Alternative zum stinkenden Diesel sollten Städter damit elektrisch in die Mobilitätszukunft rollen.
Viele sprangen begeistert auf den Trend auf – buchstäblich. In größeren Städten kann man täglich beobachten, wie Menschen jedes Alters die Straßen entlangsurren. Unübersehbar ist aber auch, dass viele andere davon genervt sind.
Genervt von Rollern, die kreuz und quer in Parks und auf Gehsteigen herumstehen. Von Rasern, die sich nicht an Verkehrsregeln halten. Und von immer neuen Negativschlagzeilen über betrunkene Fahrer, Unfälle – und neuerdings über unfaire Arbeitsbedingungen bei den Roller-Verleihern.
Was mit den E-Scootern nicht stimmt
Die Verkehrswende, soviel ist nach 11 Wochen klar, schaffen wir nicht mit den E-Scootern von Verkehrsminister Scheuer. Denn zahlreiche Studien belegen: Die von ihm propagierte grüne Alternative zum Auto sind sie nicht.
Ein Beispiel: Forschern der North Carolina State University zufolge produzieren die Roller im Vergleich zu Auto zwar nur etwa halb so viele Treibhausgase. Doch zugleich nutzen nur 34 Prozent den E-Scooter anstelle des eigenen Wagens (was sinnvoll wäre).
Statt dessen verwenden viele den E-Scooter unsinnig – also für Strecken, die sie stattdessen zum Beispiel mit dem Fahrrad gefahren oder zu Fuß gegangen wären. Einige wären auch einfach daheim geblieben. In solchen Fällen ist der E-Scooter die umweltschädlichere Option. Sogar eine Busfahrt mit einem vollen Dieselbus wäre den Forschern zufolge emissionsärmer.
E-Scooter: CO2-Bilanz schlechter als gedacht
Kann das denn sein? E-Scooter fahren doch mit (Öko-)Strom, verbrennen kein Benzin und keinen Diesel. Betrachtet man eine einzelne Fahrt, müssen sie doch umweltfreundlicher abschneiden als andere Verkehrsmittel.
Ist auch so: Alexander Jung vom Thinktank Agora Verkehrswende rechnet vor, dass E-Scooter auf 100 Kilometer nur etwa 0,5 Kilo des Treibhausgases CO2 ausstoßen – indirekt, über die Stromerzeugung. Bei einem neuen benzinbetriebenen Kleinwagen käme man auf etwa 11 Kilogramm – direkt in die Luft. Klingt eindeutig nachhaltiger.
Doch diese Rechnung geht nicht auf: Sie unterschlägt den Transport der E-Scooter zu den Ladestationen, das Material und die Herstellung. Fliest das in die Berechnung ein, kommen die elektrischen Roller laut Zeit Online auf 12,5 Kilogramm CO2 pro 100 Kilometer. Klingt schon weniger nachhaltig.
Und es kommt noch schlimmer: Sogenannte „Juicer“ holen die E-Scooter nämlich regelmäßig ab, um sie aufzuladen: meist mit Diesellastern. Und Zeit Online zufolge nehmen sie dabei auch Roller mit, deren Akku noch nicht mal leer ist – obwohl die Geräte den Akkustand an die Anbieter übertragen würden. All das verschlechtert die Ökobilanz der „Verkehrswende“-Roller weiter.
Erste Stadt zieht E-Scootern den Stecker
Zurück zu den Bürgersteigern, auf denen E-Scooter wahlweise im Weg stehen oder Fußgänger anrempeln. Von denen haben immer mehr Städte und Gemeinden genug – nicht nur in Deutschland: Mailand hat die Roller letzte Woche komplett verboten. Zu gefährlich, befanden die Behörden.
Inzwischen fordern auch der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund strengere Regeln für E-Scooter. Anbieter sollen falsch abgestellte Fahrzeuge schneller entfernen, auch soll es Abstell- und Fahrverbote für bestimmte Zonen geben – und eine Beschwerdehotline. Eine entsprechende Vereinbarung habe Anbieter wie Circ, Lime, Tier und Voi zwar unterzeichnet – verbindlich ist sie aber nicht.
Kriegen wie so die Gehwege wieder frei? Vielleicht. Retten wir damit das Klima? Nein. Denn dafür brauchen wir eine echte Verkehrswende. Eine, die uns befreit von Millionen von Autos, welche knapper werdende fossile Brennstoffe abfackeln und so die Atmosphäre belasten. Bleibt zu hoffen, dass den Politikern das nächste Mal mehr einfällt als ein spaßiges Elektro-Spielzeug.
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