Millionen Tonnen eigentlich noch guter Lebensmittel landen allein in Deutschland jährlich im Müll. Ein handlicher und erschwinglicher Food-Scanner des Fraunhofer-Instituts soll das bald ändern.
Viele Nahrungsmittel landen im Abfall, obwohl sie noch verzehrbar sind. Mit einem mobilen Food-Scanner sollen Verbraucher und auch Händler oder Supermarktbetreiber in Zukunft prüfen können, ob Nahrungsmittel noch gefahrlos in den Verkehr gebracht werden können – und so Lebensmittelverschwendung reduzieren.
Das Gerät im Hosentaschenformat ermittelt per Infrarotmessung den Reifegrad und die Haltbarkeit von Gemüse, Obst und Co. und zeigt das Ergebnis mithilfe einer App an.
Hosentaschen-„Tricorder“ scannt Lebensmittel
Ist die schrumplige Gurke noch gut? Ist dieser Joghurt schon „drüber“? Wenn es um solche Fragen geht, entscheiden sich viele Konsumenten klar für die Sicherheit: Weg damit – lieber was frisches kaufen.
Daher werden viele Produkte in Deutschland nur deswegen weggeworfen, weil sie nicht mehr appetitlich aussehen, kleine Schönheitsfehler aufweisen oder das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Das gilt sowohl für private Konsumenten zu Hause als auch für Supermärkte, die Kunden mit frisch aussehender Ware locken – und die aus Erfahrung wissen, dass Schrumpel-Gemüse oft liegen bleibt.
Weil allein in Bayern 1,3 Millionen Tonnen Nahrungsmittel jährlich unnötigerweise in den Abfall wandern, will das Bündnis »Wir retten Lebensmittel« mit insgesamt 17 Maßnahmen der Verschwendung entgegenwirken. Eines der Projekte: der Food-Scanner, der den tatsächlichen Frischegrad von Lebensmitteln feststellen kann – bei abgepackten wie unverpackten Waren.
Das Demo-System haben Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher gemeinsam mit Partnern im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entwickelt. „Infrarotlicht wird punktgenau auf das zu untersuchende Produkt geschickt, anschließend misst man das Spektrum des reflektierten Lichts“, erläutert Dr. Robin Gruna, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IOSB. „Die absorbierten Wellenlängen lassen Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Ware zu.“
Eigentlich ist das Hightech, doch neuerdings geht das eben auch für wenig Geld. Dank Low-Cost-Sensoren könnten entsprechende Geräte für Privatnutzer theoretisch bald auch gefälschte Produkte wie etwa gepanschtes Olivenöl erkennen.
Food-Scanner gegen Food-Waste – brauchen wir das überhaupt?
Noch ist der Food-Scanner nicht perfekt und bewertet nur die Produktqualität von homogenen Nahrungsmitteln. Heterogene Produkte mit verschiedenen Zutaten wie beispielsweise Pizza lassen sich aktuell nur schwer prüfen – geforscht wird aber schon daran.
Utopia meint: Ein solches Gerät wäre sicherlich für den Handel sinnvoll und zeigt, was technisch möglich ist. Allerdings muss man auch fragen: Brauchen wir tatsächlich einen Food-Scanner – oder ist das nicht wieder eine nachträgliche, rein technisch gedachte Lösung für ein Problem, das man sinnvoller an der Wurzel bekämpfen sollte, etwa mit doch ganz klugen Ideen wie dem Verbrauchsverfallsdatum?
Wird der ökologische Impact von möglicherweise Millionen solcher Geräte nicht viel größer sein als der Nutzen – zumal wenn Konsumenten dennoch entscheiden, dass das drei Wochen alte Ei einfach nicht gut sein kann? (Lies auch: Eier-Test: Ist dieses Ei noch gut?)
Schlimmer noch: Es könnte auch hier der gefürchtete Rebound-Effekt auftreten, wenn etwa Konsumenten es zum Sport machen, per Food-Scanner die garantiert frischesten Sachen im Supermarkt ausfindig machen – und dann am Ende noch mehr Ware unverkäuflich liegen bleibt und weggeschmissen wird.
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