Wir fliegen mehr denn je, schließlich ist das Flugzeug oft schneller als die Bahn. Mit dem ICE-Sprinter auf der neuen Schnellfahrtstrecke soll sich das zumindest zwischen Berlin und München ändern. Über den Komfort des Bahnreisens und die Schwierigkeit, bei Tempo 300 bis zur Toilette zu kommen.
5:52 Uhr am Morgen. Berlin Hauptbahnhof. Gleis eins. Gleich fährt der ICE 1001 nach München ein. Geplante Fahrtzeit mit dem ICE-Sprinter: knapp vier Stunden. Bislang saß man für die 623 Kilometer zwischen beiden Städten rund sechs Stunden im Zug – viele Reisende, besonders Business-Reisende, wählten daher den Flieger.
Nach knapp zehn Jahren Bauzeit, unzähligen neuen Tunneln und Talbrücken, 500 Kilometer neu- und ausgebauter Bahnstrecke und zehn Milliarden Euro ist die neue Sprinterstrecke zwischen München und Berlin fertig.
ICE-Sprinter: schneller von Berlin nach München
Seit dem 10. Dezember 2017 starten die extraschnellen ICE-Sprinter mit einer geplanten Fahrtzeit von circa 3:55 Stunden dreimal am Tag in Berlin und München – jeweils 6, 12 und 18 Uhr. Sie halten nur in Halle, Erfurt und Nürnberg. Auf der neuen Schnellfahrtstrecke fahren zudem fast stündlich reguläre ICE-Züge mit mehr Zwischenstopps; sie brauchen 4:30 Stunden zwischen Berlin und München.
Bis zu 300 Kilometer pro Stunde fahren die ICEs nur auf einigen Teilen der Strecke: In den vielen Tunneln und den neu ausgebauten Abschnitten. Fun Fact: 400.000 archäologische Fundstücke wurden bei den Bauarbeiten entdeckt.
5.58 Uhr. Der Bahnsteig füllt sich minütlich: Unter den Reisenden sind einige in Business-Outfit und mit Laptoptasche, aber nicht nur. Der Mann vor mir fotografiert die Digitalanzeige der Zugauskunft mit seinem Smartphone. Es dürfte für alle eine Jungfernfahrt auf der Schnellfahrtstrecke sein – einen Tag zuvor startete der erste schnelle Zug zwischen Berlin und München.
Zeit für Fliegen und Bahnfahren fast gleich
Doch ist man auf der neuen Schnellfahrtstrecke der Bahn wirklich schneller als mit dem Flugzeug? Zum Vergleich: Fliegt man von Berlin nach München, sitzt man ungefähr 1:10 Stunde im Flieger – reine Flugzeit. Hinzu kommen die Anfahrt zum Flughafen, der Check-in, das Anstehen bei der Security, das Boarding und nach der Landung die Zeit, um aus dem Flughafen zu gelangen. Dann dauert es noch ungefähr eine Stunde, um in die Innenstadt von München zu gelangen. In Summe ist man somit ungefähr vier Stunden unterwegs.
Bei der Fahrt im ICE-Sprinter kommen zu den vier Stunden Fahrtzeit noch die An- und Abfahrt zum Bahnhof hinzu – in etwa eine Stunde insgesamt. Somit liegen Bahn und Flugzeug in puncto Zeit fast gleichauf. Verspätungen bei beiden Verkehrsmitteln nicht mit eingerechnet.
Ökobilanz: Bahn schlägt Flugzeug
6:02 Uhr. Einstieg. Es ist voll im Zug. Zum Glück habe ich eine Sitzplatzreservierung. Auf dem Screen kann man die Fahrt des Sprinters auf der Deutschlandkarte verfolgen. „Ich wollte eigentlich fliegen“, höre ich die Frau hinter mir sagen. Doch der Flug nach München sei gecancelled worden – einige dieser Passagiere sitzen jetzt in meinem Zug.
Will man Bahnfahren und Fliegen vergleichen, spielen neben der Schnelligkeit auch Preis und Ökobilanz eine Rolle: Fährt man von Berlin nach München, zahlt man drei Monate im Voraus mit dem Sparpreis der Bahn ungefähr 68 Euro, per Flugzeug sind es ja nach Airline in etwa 60 bis 80 Euro. Will man kurzfristig für den nächsten Tag buchen, ist es mit der Bahn deutlich günstiger: 140 Euro für die einfache Zugreise und 260 Euro mit dem Flugzeug.
In puncto Preis und Zeit liegen ICE-Sprinter und Zug also ungefähr gleich auf – doch in der Ökobilanz glänzt die Bahn: Bei der Hin- und Rückfahrt mit dem Flugzeug hätte ich 310 Kilogramm CO2 verursacht – mit der Bahn sind es nur 45 Kilogramm (siehe CO2 online).
Mehr Komfort im ICE-Sprinter
7:25 Uhr. Wir rasen mit 288 Kilometern die Stunde Richtung Erfurt. Spätestens jetzt sind alle Plätze belegt. Es ist gemütlich im ICE-Sprinter. Ich packe mitgebrachten Kaffee, Wasser und belegtes Brot aus und logge mich in das kostenlose Wlan der Bahn ein.
Manche Unternehmen setzen bei der Mobilität konsequent auf Nachhaltigkeit; setzen ihre Mitarbeiter einen Tag vor dem Meeting in den Zug, statt sie am selben Tag mit dem Flugzeug anreisen zu lassen. Mit der neuen Schnellfahrstrecke dürften noch mehr Geschäftsreisende die Bahn dem Flugzeug vorziehen. 40 Prozent Marktanteil will die Bahn auf der Strecke Berlin–München erreichen. Doppelt so viel wie heute und mehr als das Flugzeug.
8:11 Uhr. Aufstehen bei Tempo 283 ist eine Herausforderung. Ich werde ruckartig von links nach rechts gerissen und erreiche taumelnd die Toilette.
Meine knapp vierstündige Reise ist trotz der hohen Geschwindigkeit auch eine entschleunigte Reise. Denn vier Stunden Reisezeit mit dem Zug bedeuten vier Stunden Zeit, um zu lesen oder am Laptop zu arbeiten. Mit dem Flieger bin ich ungefähr gleichlang unterwegs, doch ist diese Reisezeit sehr zerstückelt – und das macht es anstrengend.
10:24 Uhr. Einfahrt in München Hauptbahnhof. Wir haben 20 Minuten Verspätung. Ich bin dennoch nur unwesentlich später am Zielort, als wenn ich das Flugzeug genommen hätte. Entspannter bin ich allemal.
Vier Tage später sitze ich wieder im Sprinter zurück nach Berlin. Auch dieses Mal haben wir circa 17 Minuten Verspätung. Doch geht die Fahrt schnell vorüber: Man steht mal auf, telefoniert, vertritt sich die Beine oder surft im kostenlosen Wlan.
Mein Fazit: Mit der neuen Schnellfahrtstrecke gibt es einen Grund mehr, nicht den Flieger zu nehmen. [Update 2018] Auch nach mehrfacher Nutzung würden wie den Sprinter weiterhin empfehlen – und wer es übrigens nicht ganz eilig hat, wird auch mit dem normalen ICE (4:30h) zufrieden sein.
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