Mit „Tiere Essen“ hat Jonathan Safran Foer viele Menschen zu Vegetariern gemacht. In seinem neuen Buch „Wird sind das Klima“ präsentiert er seinen Lösungsansatz für die Rettung des Planeten – den jeder sofort umsetzen kann.
Neun Jahre ist es her, dass Jonathan Safran Foer sein vielbeachtetes Buch „Tiere essen“ veröffentlicht hat. Damals habe ich eine Kurzrezension samt Plädoyer für bewussten Konsum verfasst, die im Verhältnis zur damaligen Größe von utopia.de ebenfalls eine sehr große Runde gemacht hat.
Warum? Foer hatte einen Nerv getroffen. Er hatte das Thema Massentierhaltung in einer Art versprachlicht wie niemand zuvor. „Seine Mischung aus journalistischer Recherche, Autobiographie und Wissenschaft ist bestechend“, schrieb ich damals und findet das noch heute. Entsprechend groß sind die Erwartungen an „Wird sind das Kima“. Schafft es ein literarisches Ausnahme-Talent erneut, Menschen für ein Thema zu gewinnen, vor dem sie sich allzu gern verschließen?
Unsere Emotionen haben Grenzen
Foer ist ein außergewöhnlicher Schriftsteller, weil er sich Themen nähert, indem er sie gekonnt in andere Kontexte setzt. Wenn er über den Klimawandel schreibt, spricht er über Selbstmord, die kollektiven Verzichte der amerikanischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg, Rosa Parks, die Mondlandung, den Tod seiner Großmutter oder die Fähigkeit von Menschen, in lebensbedrohlichen Situationen übermenschliche Kräfte zu entwickeln. Das macht er, um eine Antwort auf die Frage zu finden, warum uns die Klimakrise scheinbar egal ist – obwohl unser aller Zukunft davon abhängt, wie wir jetzt reagieren. Foer beobachtet sich hierzu selbst:
„Ich ringe mit meiner eigenen Reaktion auf die Krise des Planeten. Zwar habe ich keinen Zweifel, dass mir das Schicksal des Planeten am Herzen liegt, aber gemessen an der investierten Zeit und Energie liegt mir viel mehr am Schicksal eines bestimmten Baseball-Teams auf diesem Planeten“. Seine Schlussfolgerung: „Nicht nur unsere Körper haben Grenzen, auch unsere Emotionen“. Dass es der Klimadebatte an Emotionen fehlt, ist zwar keine neue Erkenntnis, Foers Auseinandersetzung, die sich über die ersten Kapitel des Buchs zieht, ist dennoch bemerkenswert. Eines aber hat der Autor hier vergessen und das ist mein einziger großer Kritikpunkt am Buch: bekanntermaßen hat es ein inzwischen 16-jähriges Mädchen aus Schweden durch ihren Schulstreik geschafft, die Klimadebatte komplett zu verändern und emotionaler aufgeladen, als sie je war. Nein, Greta Thunberg und Fridays For Future kommen im Buch nicht vor – und das mutet seltsam an.
Die Welt könnte bis 2020 tödlich verwundet werden
Drei Jahre hat Foer zum Klimawandel recherchiert, schreibt er. Ein zentrales Kapitel von „Wir sind Klima“ sind daher knapp 30 Seiten, auf denen er in Stichpunkten die wichtigsten Fakten verdichtet. Dort stehen Dinge wie „Fünfmal in der Geschichte kam es zu einem Massenaussterben. Alle außer dem der Dinosaurier wurden durch Klimawandel verursacht“. Oder: „Die Welt kann nicht innerhalb der nächsten Jahre geheilt, könnte aber durch Nachlässigkeit bis 2020 tödlich verwundet werden“.
Und der in Augen Foers wichtigste Fakt: „Wir wissen genau, dass wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, solange wir die Nutztierhaltung nicht in den Griff bekommen.“
Lösung: Keine tierischen Produkte vor dem Abend
Erst auf Seite 78 offenbart Foer, dass sein Buch eigentlich von den Auswirkungen landwirtschaftlicher Tierhaltung auf die Umwelt handle und er das bis zu dieser Stelle verschleiert habe – weil er mit dem Thema nicht abschrecken wollte. Viele unserer Handlungen haben Einfluss auf das Klima, und wir müssen vieles ändern, um den Klimawandel so klein wie möglich zu halten.
Doch kein Unternehmen der Menschheit verursacht laut Foer so viele Treibhausgase wie die Nutztierhaltung. Dieser Wert wird seinen Recherchen zufolge häufig zu klein angeben, weil die durch „viehzuchtbedingte Entwaldung verlorengegangene CO2-Absorbtion“ außen vorgelassen wird. Berechnet man diese mit ein, ist die Nutztierhaltung für 51 Prozent der Treibhausgase verantwortlich! Foer folgert:
„Wir können nicht unsere vertrauten Mahlzeiten und zu gleich unseren vertrauten Planeten behalten. Eins davon müssen wir aufgeben“.
Der immense Einfluss unserer Ernährungsweise auf das Klima hat aber auch sein Gutes – wir können sie sehr schnell ändern. Foers Vorschlag: Keine tierischen Produkte vor dem Abend.
Millionen einzelner Entscheidungen werden die Welt verändern
„Was soll das bringen, wenn ich weniger tierische Produkte konsumiere?“ mag man entgegenhalten. Foers Antwort ist so einfach wie schlagend: Natürlich würde ein Einzelner, der sich (bis zum Abend) ab sofort vegan ernährt, die Welt nicht verändern. Aber genauso wahr sei es, dass Millionen solcher Entscheidungen in Summe sie verändern werden.
Selbstverständlich bräuchten wir auch einen strukturellen Wandel: erneuerbare Energien, statt fossile Brennstoffe, eine CO2-Steuer, nachhaltige Plastikalternativen oder fußgängerfreundliche Innenstädte – aber das sind für Foer „Strukturen, die uns in Richtung der Entscheidung stupsen, die wir schon jetzt treffen wollen.“
Wichtig für diese alltäglichen Entscheidungen sei außerdem, mehr Ernsthaftigkeit: Permante Selbstdarstellung verschafft uns zwar Selbstzufriedenheit, verstellt uns aber den Blick darauf, was wir wirklich bewirken. Weitergesponnen meint das: Verschwendet eure Zeit nicht damit, euch mit den vielen, tollen, (angeblich) nachhaltigen Produkten zu inszenieren– vor anderen und vor euch selbst: „Um unseren Planeten zu retten, brauchen wir das Gegenteil von einem Selfie.“
Fazit: Großartiger Schriftsteller, wichtiges Buch, auch wenn Greta Thunberg nicht vorkommt. Leseempfehlung für alle, denen die Zukunft unseres Planeten nicht egal ist – und die, die sich endlich für diese interessieren sollten.
Jonathan Safran Foer: „Wir sind das Klima! Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können“ Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019336 Seiten, 22 EuroISBN: 978-3-462-05321-0
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