Dass es guttut, in der Natur zu sein, ist kein Geheimnis. 2019 haben Forscherinnen untersucht, wie oft und wie lange man sich in Wäldern oder Parks aufhalten sollte, um Alltagsstress effektiv abzubauen.
Durchatmen, abschalten, entspannen: Wenn man durch Wiesen und Wälder spaziert, gelingt das besonders gut. Aber die wenigsten von uns schaffen es, ausgedehnte Wanderungen regelmäßig in ihren Alltag zu integrieren. Die gute Nachricht ist: Auch ein kurzes „Bad“ in der Natur reicht schon aus.
Bislang war unklar, wie lange man in die Natur gehen sollte
Wissenschaftlerinnen der US-amerikanischen Universität Michigan wollten 2019 in einer Studie herausfinden, wie hoch die Dosis an Grün tatsächlich sein sollte, um einen stresslindernden Effekt zu spüren. „Wir wissen bereits, dass es Stress reduziert, wenn man Zeit in der Natur verbringt“, sagt die Ökologin und Hauptautorin der Studie, MaryCarol Hunter. „Bislang war aber unklar, wie lange und wie oft man in die Natur gehen sollte und auch, welche Art von Naturerfahrung uns nützt.“
Im Visier der Forscherinnen war zum einen das Stresshormon Cortisol, zum anderen das Enzym Alpha-Amylase, das vermehrt bei Stress ausgeschüttet wird. Chronischer Stress, und damit dauerhaft erhöhte Cortisolwerte, können das Immunsystem schwächen und unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Übergewicht führen.
Stressfaktoren wie das Handy ausschalten
Die Studienergebnisse wurden im Fachmagazin „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht. Für ihre Untersuchung haben die Forscherinnen 36 Teilnehmer:innen, darunter 33 Frauen, zu regelmäßigen Naturerlebnissen ermuntert – mindestens drei Spaziergänge pro Woche von jeweils mindestens zehn Minuten sollten es sein.
Eine weitere Bedingung war, einige Stressfaktoren schon im Vorfeld auszuschalten: Der Gang im Grünen sollte laut Hunter bei Tageslicht und ohne sportliche Übungen stattfinden. Die Freiwilligen mussten auf Internet, Social Media, Unterhaltungen und Lesen verzichten und durften ihre Handys nicht benutzen. Über Tag, Dauer und Ort des Geschehens durften die Proband:innen jedoch selbst entscheiden.
Es kommt auf die effektiven ersten 20-30 Minuten an
Davor und danach mussten die Teilnehmer:innen Speichelproben abgeben, damit die Forscherinnen ihren Cortisolspiegel und den Wert des Enzyms Alpha-Amylase messen konnten. Das Ergebnis: Schon nach 20 Minuten der „Naturpille“ – wie die Wissenschaftlerinnen das Naturerlebnis nennen – hatte sich das Stresshormon bei den Teilnehmenden deutlich reduziert. Interessanterweise sankt der Cortisolspiegel nach 30 Minuten zwar noch weiter, aber nicht so stark wie am Anfang.
Bei der Alpha-Amylase gab es nur dann einen messbaren Unterschied, wenn sich die Proband:innen kaum bewegten und zum Beispiel auf einer Bank saßen. Es kommt also vor allem auf die effektiven ersten 20-30 Minuten an, die man sich sitzend oder gehend in der Natur aufhält – eine Dauer, die auch für einen regelmäßigen Feierabendspaziergang machbar sein sollte. Gerade für Menschen, die in der lauten und hektischen Stadt leben, kann die Natur somit einen wichtigen Ausgleich zum Alltagsstress bieten – wenn sie sich auf die Ruhe einlassen und ihr Smartphone ignorieren.
In Japan schwört man schon lange auf das „Waldbaden“
Die Forscherinnen räumen ein, dass die geringe Teilnehmerzahl noch nicht ausreicht, um die Effekte unter zehn und über 30 Minuten genauer zu untersuchen. Auch für eine robuste Basis, auf der die „Naturpille“ verordnet werden könnte, seien weitere Studien vonnöten. Die Untersuchung ist jedoch nicht die erste, die die positiven Effekte der Natur auf unsere Gesundheit zeigt: Ebenfalls 2019 kam eine großangelegte Studie aus Dänemark zu dem Ergebnis, dass Menschen, die ihre Kindheit umgeben von Wäldern, Parks oder Gärten verbringen, ein bis zu 55 Prozent geringeres Risiko haben, eine psychische Erkrankung zu bekommen.
Eine japanische Studie fand heraus, dass ausgiebige Waldspaziergänge die Aktivität unserer natürlichen Killerzellen erhöht und somit das Immunsystem stärkt. In Japan schwört man schon seit langem auf „Shirin-yoku“, das „Waldbaden“, als Aktivität mit therapeutischem Effekt. In Deutschland wird unter anderem an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München zur gesundheitsfördernden Wirkung des Waldes auf Körper und Psyche geforscht.
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