Das Argument scheint absurd: Bundesverkehrsminister Volker Wissing erklärte in einem Interview, ein Tempolimit auf Autobahnen sei wegen zu wenig Straßenschildern nicht umsetzbar. Worauf stützt der FDP-Politiker seine Aussage?
Die Diskussion um ein Tempolimit anlässlich der hohen Energiepreise reißt nicht ab. Während die Grünen und die SPD für eine dreimonatige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen sind, spricht sich die FDP dezidiert dagegen aus.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat angesichts dessen nun ein Argument genannt, das absurd klingt. Laut des Politikers würde ein Tempolimit schon an der Logistik scheitern. Im Interview mit der „Hamburger Morgenpost“ erklärte Wissing am Dienstag, er halte nichts von einem Geschwindigkeitslimit auf Autobahnen, da das „mit einem erheblichen Aufwand verbunden“ sei. „Man müsste entsprechende Schilder aufstellen, wenn man das für drei Monate macht und dann wieder abbauen. So viele Schilder haben wir gar nicht auf Lager“, so der Bundesverkehrsminister.
Das sagt das Bundesverkehrsministerium
Demnach würde die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit schlichtweg am Schildermangel scheitern. Wie aber kommt Wissing zu so einen Schluss? Utopia hat beim Bundesverkehrsministerium nachgefragt. Eine Sprecherin teilte mit, Wissing habe nur verdeutlichen wollen, „dass er seine solche Maßnahme für 12 Wochen nicht für sinnvoll hält“. Vielmehr würde er „anderen Möglichkeiten, wie die Stärkung des ÖPNV“ den Vorzug geben. Das Verkehrsministerium verweist auf das Entlastungspaket, auf das sich die Koalitionspartner verständigt haben. Es sieht unter anderem ein vergünstigtes Monatsticket für Bus und Bahn vor.
Auf die Frage, ob sich die Aussage des Ministers auf Zahlen zu fehlende Ressourcen oder andere Fakten zum Vorrat an Verkehrsschildern stützt, hat Utopia bislang keine Antwort aus dem Ministerium erhalten. Offenbar handelte es sich um reine Rhetorik, die aber angesichts des Kriegs, den Russland weiterhin unerbittlich gegen die Ukraine führt, unangebracht ist.
Grund für den Vorstoß zum Tempolimit sind die hohen Energiepreise infolge des Kriegs. Eine Höchstgeschwindigkeit, so ihre Befürworter, würde einen wirksamen Beitrag zum Energiesparen leisten und dabei helfen, unabhängiger von Öl- und Gas-Importen aus Russland zu werden.
Die FDP verkennt die Wirksamkeit eines Tempolimits
Anstatt Schilder aufzustellen, wäre auch eine Anpassung der Straßenverkehrsordnung (StVO) denkbar. Bereits Anfang der 1970er Jahre galt für vier Monate Tempo 100 auf Autobahnen und 80 km/h außerorts. Ausschlaggebend war die erste Ölkrise zwischen November 1973 und März 1974, wegen der die damalige Bundesregierung Treibstoff einsparen wollte. An vier Sonntagen galten damals sogar Fahrverbote, abwechselnd für gerade und ungerade Kennzeichen. Während die damalige Bundesregierung unter SPD-Kanzler Willy Brandt das Tempolimit verlängern wollte, widersetzte sich der Bundesrat.
Außerdem verkennt die FDP die Wirksamkeit einer Drosselung des Tempos auf Schnellstraßen. Insbesondere auf der Autobahn ist der Verbrauch pro Kilometer Expert:innen zufolge stark von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig. Laut Umweltbundesamt verbraucht beispielsweise ein typisches Fahrzeug mit 90 Stundenkilometern auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometer pro Stunde.
Ein Tempolimit ist nicht nur effektiv – sondern angesichts des Klimawandels, der durch klimaschädliche Treibhausgase vorangetrieben wird, durchaus sinnvoll. Gegenüber Utopia erklärte eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums: „Wir wollen, dass Mobilität bezahlbar bleibt und gleichzeitig Energie eingespart wird“. Genau das könnte ein Tempolimit zusätzlich zu dem geplanten 9-Euro-Monatsticket erreichen.
mit Material der dpa
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