Wie vertrauenswürdig ist das Label „klimaneutral“? Wie leicht es ist sein Unternehmen oder Produkt mit dem Label „klimaneutral“ auszeichnen zu lassen, zeigt eine investigative Recherche.
Zwei Reporterinnen der Wochenzeitung Die Zeit haben drei „klimaneutral“-Label von drei unterschiedlichen Anbietern für eine nicht existierende Firma (einem angeblichen Blumenladen) erwerben können. Dafür mussten sie keine Belege für den CO2-Fußabdruck vorlegen oder ihre CO2-Emissionen reduzieren.
Keine Belege zu CO2-Emissionen
Bei den derzeit in Deutschland verbreiteten Anbietern für „klimaneutral“-Label ClimatePartner und myclimate sowie bei einer kleinen Beratungsfirma beantragten die beiden Reporterinnen unter falschem Namen und für ein ausgedachtes Startup – einen nicht existierenden Blumenladen – die Zertifizierung. Keiner der Anbieter verlangte Belege zur Strom- oder Heizkostenabrechnung als Grundlage für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks. Auch wurden die beiden vermeintlichen Unternehmerinnen nicht zum Einsparen von CO2 aufgefordert.
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Die Zeit hat bei myclimate nachgefragt, warum sie die Angaben von Unternehmen zum CO2-Fußabdruck nicht kontrollieren. Dem Anbieter zufolge würde es Unternehmen „nicht wagen“ Falschaussagen zu treffen, aus Sorge um ihr Ansehen hätten. Außerdem sei das CO2-Einspar-Potenzial von Unternehmen „von außen fast unmöglich“ festzustellen. „Wir müssten hier Einblicke in Unternehmensdaten anfordern, die wohl kein Unternehmen offenlegen würde“, wird myclimate bei Zeit zitiert.
Die beiden Reporterinnen der Zeit hatten bei ihrer Recherche den Eindruck, sie bezahlen mehr Geld für das Label und somit an die Anbieter als für den Klimaschutz. So rechnen sie beispielsweise für das Label der kleinen Beratungsfirma, dessen Namen nicht in der Recherche genannt wird, 46,41 Euro für das Label und einen Cent für den Klimaschutz.
„Klimaneutral“ ohne Regulierungen
Das Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerium kritisiert auf Anfrage der Zeit, die Werbung mit Begriffen wie „klimaneutral“ sei „häufig eine Täuschung der Verbraucher:innen„. Anders als bei Bio-Siegeln gibt es in Deutschland keine verbindlichen Regulierungen, um ein Produkt oder Unternehmen als „klimaneutral“ zu bezeichnen. Weder die Kriterien zur Vergabe noch die Aussagekraft der Label wird reguliert.
Utopia meint: Unternehmen oder Produkte als klimaneutral auszuzeichnen, kann Verbraucher:innen helfen, nachhaltigere Produkte zu finden. Jedoch begrüßen wir solche Label nur dann, wenn ein Unternehmen für ein nachhaltigeres Produkt die Treibhausgasemissionen über die gesamte Produktion und Lieferung minimiert und lediglich die unvermeidbaren Emissionen kompensiert. Kompensation ist gut, aber Vermeiden ist besser. Durch und durch unnachhaltige Produkte durch Kompensationszahlungen klimaneutral zu färben, kann nicht die Lösung sein. Solche Produkte wurden in der Vergangenheit zurecht öffentlich kritisiert. Zwei Beispiele: Hühnchenfleisch aus Massentierhaltung von Rewe und klimaneutral Tanken bei Shell.
Damit solche Siegel aber überhaupt Aussagekraft haben, müssen sie ihre Kriterien transparent darlegen und die Einhaltung kontrollieren. Die Recherche der Zeit zeigt hier erhebliche Mängel auf.
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