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„Lucky Girl Syndrome“: Wie problematisch ist der TikTok-Trend?

lucky girl syndrome
Foto: CC0 / Unsplash / Solen Feyissa; CC0 / Unsplash / Dayne Topkin

Ein neuer TikTok-Trend verspricht einen Weg, in Zukunft nur noch Glück zu haben. Positives Denken und optimistische Aussagen allein sollen Wunder wirken. In der Realität birgt diese Methode aber Gefahren.

Fast 500 Millionen Aufrufe zählt der Hashtag #luckygirlsyndrome bisher auf der Video-Plattform TikTok. Die Methode verspricht jungen Frauen und Mädchen ein Leben mit mehr Glück – einfach, indem sie sich einreden, sie hätten es. Expert:innen zufolge ist das nicht nur wirkungslos, sondern kann auch sehr problematisch sein.

Im Dezember ging das Video der US-Amerikanerin Laura Galebe viral, in dem sie beschreibt, wie viel Glück sie schon immer hätte – und wie oft sie das auch anderen Leute erzähle. Sie sei also ein „Lucky Girl“ (also ein Mädchen, das Glück hat). Unter ihrem Video benutzt sie unter anderem den Hashtag #lawofassumption (Gesetz der Annahme) sowie #luckygirlsyndrome – der sich daraufhin schnell verbreitet hat. Man solle einen Monat lang sein Glück gedanklich manifestieren und dann resümieren, ob sich das eigene Leben verändert hat, fordert die Tiktokerin ihre Zuschauer:innen auf.

„Positives Denken allein führt nicht zu mehr Glück“

Expert:innen wie Dr. Aljoscha Dreisörner von der Forschungsplattform „The Stress of Life“ warnt gegenüber dem ZDF jedoch vor diesem Trend: Wenn den positiven Worten nicht auch Verhaltensänderungen folgen, würde man dadurch „rein gar nichts“ erreichen. Im Gegenteil, man entziehe sich dadurch der Verantwortung, selbst für ein gutes Leben zu sorgen, erklärt auch Manifestations-Coachin Kerstin Grenzau.

Sich negative Gedanken und Gefühle zu verbieten, könne sogar schaden. Denn auch negative Erfahrungen, die jede:r im Leben unweigerlich macht, müssen verarbeitet werden, so Grenzau. Wer dem „Lucky Girl Syndrome“ zu stur folge, ließe dafür jedoch keinen Raum im Leben. Sich allein auf positive Gedanken zu verlassen sei daher „gefährlicher Unsinn und gleichzusetzen mit Quantenheilung und Homöopathie“, so Dreisörner.

Der Grad, zu dem die Methode möglicherweise funktionieren könnte, ist nicht wissenschaftlich belegt. Es ist also unklar, ob das „Syndrom“ überhaupt positive Auswirkungen haben könnte. Außerdem machen Kritiker:innen darauf aufmerksam, dass Unterschiede in Privilegien, körperlichen Einschränkungen und psychischer Gesundheit dabei außer Acht gelassen werden.

Auch der Hashtag #luckyboysyndrome existiert, zählt jedoch bisher nur etwas über 140.000 Aufrufe. Haben Jungs etwa weniger Interesse daran, Glück zu haben? Manifestations-Coachin Grenzau zufolge zeigt dies, dass insbesondere junge Frauen und Mädchen im Grunde unglücklich seien.

„Toxic Positivity“ und #lawofassumption

Im originalen Lucky-Girl-Video, das den Trend losgetreten hat, spricht die betreffende TikTokerin toxische Positivität selbst kurz an: „Ich würde das nicht mal toxische Positivität nennen, weil ich wirklich glaube, dass mir die besten Dinge passieren.“ Doch die Expert:innen sehen die Verbindung durchaus.

Dreisörner erklärt im ZDF-Beitrag, dass die von „Lucky Girl Syndrome“ angestrebte Handlungsweise „nur das Positive im Leben haben will“. Negative Emotionen würden also unterdrückt, obwohl diese ja begründet seien und man oft auch an ihnen wachsen könne, so Grenzau.

Das Konzept suggeriere, so auch die Psychologin Pia Kabitzsch einem Video der Tagesschau, dass „immer alles positiv“ sein müsse, „Stichwort: toxische Positivität“.

„Was ist falsch mit mir?“: Psychologin kritisiert den Trend

Außerdem könnten selbst ernannte „Lucky Girls“ ihr zufolge schnell den Eindruck bekommen, für positive Entwicklungen im eigenen Leben nichts zu können: Sie habe eben einfach Glück gehabt, wird suggeriert. Misserfolge würde man dann jedoch eher auf sich beziehen, sagt die Psychologin: „Was hat das Universum gegen mich? Was ist falsch mit mir?“

Auch der im ursprünglichen Lucky-Girl-Video verwendete Hashtag #lawofassumption könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die Idee an das bereits bekannte „Gesetz der Anziehung“ anlehnt – also das „law of attraction“. Dieses „Gesetz“ wurde zum ersten Mal in einem gleichnamigen Buch beschrieben: Gleiches ziehe Gleiches an. Wer also positiv denke und fühle, dem passiere auch Positives – und andersherum.

Hinweis: Eine positive Wirkung des Lucky-Girl-Syndrom ist keineswegs belegt und niemand sollte sich darauf verlassen, um emotionale oder psychische Probleme in den Griff zu bekommen. Wer mit psychischen Problemen oder depressiven Symptomen kämpft, sollte sich professionelle Hilfe holen. Kostenlose und anonyme Beratung sind bei der Telefonseelsorge unter 0800 / 1110111 zu finden. Speziell für Jugendliche gibt es unter 116111 die Nummer gegen Kummer. Weitere Beratungsstellen finden sich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: bzga.de.

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