In der Region Stuttgart soll der erste Rad-Highway entstehen: Eine Fahrradschnellstraße in schwindelerregender Höhe. Sie soll aus Holz sein, beleuchtet und im Winter beheizt – und ähnlich wie eine Spielzeugautobahn zusammen- und umgebaut werden können.
Wer als Kind mit einer Rennbahn gespielt hat, kennt das Prinzip: Einzelne Module werden verbunden, um daraus Fahrbahnen zu bauen. Etwas ähnliches soll es bald in Baden-Württemberg geben, bloß in viel größer, für Fahrräder – und mehrere Meter über dem Boden.
Der Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann, hat eine Teststrecke für eine Fahrradschnellstraße aus Holz angekündigt. Diese soll in der Region Stuttgart gebaut werden, mindestens einen Kilometer lang sein und fünf Meter über dem Boden verlaufen.
So setzt sich der beheizbare Bike-Highway zusammen
Für die Umsetzung sorgt das schweizer Start-up Urb-X. Dieses baut die Strecke mittels eines patentierten Baukastens, welcher verschiedene Fahrbahn- und Tragelemente miteinander verbinden kann. Als Hauptmaterial dient Brettschichtholz, die Tragekonstruktion besteht aus Stahl. Photovoltaik-Module am Geländer erzeugen Energie für die Beleuchtung und Beheizung der Strecke – denn der Rad-Schnellweg soll auch im Winter genutzt werden können. Integrierte Sensoren und Leitsignale sollen die Konstruktion noch sicherer machen.
Laut Urb-X-COO und Mitgründer Bálint Csontos hat Landesverkehrsminister Hermann versichert, das Projekt solle noch in der laufenden Legislaturperiode finalisiert werden. Das Magazin t3n schreibt, noch in diesem Jahr wolle Hermann den ersten Fahrrad-Highway aus Holz im Stuttgarter Raum einweihen.
Warum einen Radweg in die Höhe bauen?
Urb-X baut nicht nur in Stuttgart Radschnellwege. Auch in der Schweiz werde bereits eine Teststrecke gebaut, versichert Bálint Csontos gegenüber Utopia. Die Höhe hängt dabei immer vom Standort ab. „Nach oben sind wir technisch nicht begrenzt und nach unten prinzipiell auch nicht.“
Dies schafft neue Möglichkeiten. Csontos verweist zum Beispiel auf eine Autobahn in der Schweiz, entlang der keine traditionelle Fahrradstrecke gebaut werden könnte, weil der Platz zu eng ist. „Eine Brückenlösung wäre zu teuer, eine Modularlösung wäre aber möglich“ – in etwa 1-2 Metern Höhe.
Günstiger als Straßen sind die Modulradwege auch. Für einen Kilometer Straße veranschlagt das Unternehmen zwei Millionen Euro plus Stützen (etwa 300.000 bis 500.000 Euro pro Kilometer) und Kosten für Auffahrten. Ein Kilometer Straße kostet in der Regel zwischen 6 und 20 Millionen Euro, rechnet das Magazin t3n vor.
Und was die Reparatur angeht: „Um die Infrastruktur zu erhalten, muss man nicht mehr 200 Meter Straße aufgraben, sondern kann einfach ein Modul auswechseln“, erklärt Csontos. „Das spart nicht nur Geld, sondern natürlich sehr viel CO2-Emissionen.“ Der Ansatz mache es auch möglich, die Strecke relativ leicht zu verlegen, und dafür dieselben Module wiederzuverwenden. Dazu sollen die verbauten Solarpanele Kosten einsparen und vielleicht sogar nachgerüstete Ladestationen mit Strom versorgen.
Auf dem Bike-Highway sollen Geschwindigkeiten von bis zu 45 Kilometer pro Stunde mit schnellen E-Bikes möglich sein. Zum Vergleich: Traditionelle Radschnellwegen sind auf durchschnittlich 15 Kilometer pro Stunde ausgelegt. Außerdem ist der Bike-Highway durchgängig und weist weniger Unterbrechungen auf – für Radfahrer kann das sehr angenehm sein.
Winfried Kretschmann: „Genau sowas brauchen wir“
Aktuell baut das Unternehmen Urb-X eine Teststrecke in Basel, die auch schon von Verkehrsminister Hermann und Ministerpräsident Winfried Kretschmann besichtigt wurde. Letzter erklärte gegenüber dem SWR: „Genau sowas brauchen wir“ und verwies auf „riesige“ Stauprobleme, zum Beispiel in Stuttgart. „Da kommen wir nur weg, wenn wir solche innovativen Ideen umsetzen.“
Das Magazin t3n zitiert Verkehrsminister Herrmanns Verweis auf Experten-Befürchtungen: Das Holz gammele und die Konstruktion müsse nach 30 Jahren abgerissen werden. Zum Thema Verwitterung entgegnet Bálint Csontos von Urb-X: „Das Problem ist gar nicht so groß, wie man auf den ersten Blick denkt. Es kommt sehr auf die Verarbeitung an, hohe Lebensdauern sind für uns eine gut lösbare Herausforderung.“
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