Eine junge deutsche Architektin hat eine Anlage entwickelt, welche die Meere von Müll befreien könnte: Die schwimmende Plattform soll Plastik ganz einfach aus dem Wasser filtern. Das Projektteam will nun so richtig loslegen.
Es sieht aus wie ein riesiger Kamm und könnte unsere Ozeane retten: das „Pacific Garbage Screening“ (PGS). Noch ist die Anlage in der Entwicklungsphase, doch die Idee ist vielversprechend. Das PGS ist eine riesige schwimmende Plattform, die durch ihre spezielle Bauweise Plastikmüll aus dem Meer filtern soll. So könnten die Meere gereinigt und tausende Meereslebewesen gerettet werden. Denn für Fische, Meeressäuger und Vögel stellt Plastikmüll eine große Gefahr dar: Sie verheddern sich darin, fressen ihn versehentlich und sterben daran.
So funktioniert das Pacific Garbage Screening
Plastik schwimmt nicht nur an der Oberfläche der Meere – ein Großteil des Mülls sinkt unter die Wasseroberfläche. Die Strömungen und Umwälzungen in den Meeren ziehen die Kunststoffteile unter Wasser, ein Großteil treibt in den obersten 50 Metern. Ohne Strömungen würde Plastik an der Oberfläche schwimmen wie in einem Swimmingpool, denn Plastik ist leichter als Wasser.
Plattform kann Strömungen beruhigen
Soweit der theoretische Hintergrund des Projekts. Die PGS-Plattform soll architektonisch so konzipiert sein, dass sie die Strömungen beruhigen kann und das Plastik wieder an die Oberfläche treibt. 35 Meter lange „Kiele“ bilden unter der Anlage eine Art Kanalsystem von etwa 400 Metern Länge.
„Das Wasser strömt durch das Kanalsystem, dabei werden die Bewegungen des Meers punktuell beruhigt“,
erklärt uns die Initiatorin des Projekts, Marcella Hansch. Das Plastik kann nun also durch seinen eigenen Auftrieb an die Oberfläche steigen und dort abgeschöpft werden.
„Wir wissen aufgrund von ersten Berechnungen, dass dieses Prinzip funktioniert“, sagt Hansch. Das Projekt Pacific Garbage Screening war ihre Masterarbeit im Fach Architektur. Vor vier Jahren entwarf sie die Anlage, inzwischen steht hinter dem Projekt ein 15-köpfiges Team von Ehrenamtlichen.
Keine Gefahr für Meereslebewesen
Der Vorteil der Plattform gegenüber ähnlichen Projekten: „Das System braucht keine Netze, Rechen oder Filteranlagen, die für Meerestiere gefährlich werden können“, sagt Hansch. Der Plastikmüll kann ganz einfach von der Oberfläche abgesammelt werden.
Einsatz im Müllstrudel
Aufgrund der globalen Meeresströmungen sammelt sich der Müll auf offener See in fünf riesigen Meeresstrudeln. Im Pazifik hat sich inzwischen der sogenannte „Great Pacific Garbage Patch“ (pazifischer Müllstrudel) gebildet, in dem sich extrem viel Plastik angesammelt hat. Insbesondere innerhalb solcher Hotspots könnte die PGS-Anlage eingesetzt werden, um das Wasser von Müll zu reinigen.
Hier kann sich die Plattform die natürliche Meeresströmung zunutze machen: Die Anlage, die jeweils etwa 400 Meter breit und lang sein soll, könnte durch starke Seile im Meeresboden verankert werden und so fest an einem Ort treiben. Die Verankerung soll dabei nur die „Vorderseite“ der Plattform (die offene Seite des „Kamms“) fixieren, so kann sich die gesamte Anlage optimal zur Strömung ausrichten.
Im hinteren Bereich des PGS sollen Maschinenräume, Lagerräume und Wohnräume für die Crew liegen. Der Vision der Erfinderin zufolge könnte die Anlage außerdem auch als Forschungsstation dienen.
Aus Plastikmüll werden neue Rohstoffe
Plastik wird im Meer vom Salzwasser angegriffen und lässt sich dann meist nicht mehr recyceln. Doch anstatt es an Land zu verbrennen, haben sich Hansch und ihr Team einen sinnvollen Verwendungszweck ausgedacht: Sie wollen den Müll mittels der sogenannten Plasma-Vergasung zu Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid umwandeln. Der Wasserstoff soll als Brennstoff für Brennstoffzellen genutzt werden und so als Energiequelle für den Betrieb der Anlage dienen.
Das Kohlenstoffdioxid, welches aus dem Plastikmüll entsteht, könnte extra gezüchtete Algenkulturen auf der Wasseroberfläche innerhalb der Anlage ernähren. Diese Algen-Biomasse wiederum könnte als Ausgangsmaterial für biologisch abbaubaren Algenkunststoff dienen – der Kreislauf wäre geschlossen. „Was diesen zweiten Schritt angeht, braucht es aber noch einiges an Forschung“, sagt Hansch.
Projekt mit Symbolcharakter
Das Team hinter dem Pacific Garbage Screening sieht sein Projekt als „schwimmenden Symbolträger für das größte Umweltproblem unserer Zeit.“ Die Hoffnung: Das Projekt könnte nicht nur eines Tages die Meere reinigen, sondern auch noch mehr Aufmerksamkeit für die Problematik schaffen.
Die Anlage bezieht alle wesentlichen Aspekte des Müllproblems in den Meeren mit ein – von der Entfernung des Mülls aus dem Wasser über die Aufbereitung bis zur Nutzung als Rohstoff für einen umweltfreundlicheren Kunststoff. Auch wenn manches noch etwas vage ist: Diese ganzheitliche Strategie macht das Projekt zu einer spannenden – und hoffentlich realisierbaren – Zukunftsvision.
Jetzt könnt ihr das Projekt unterstützen
Das Great Pacific Garbage Screening will nun“endlich Vollgas geben“ und hat dazu ein Crowdfunding gestartet. Bis 15.7.2018 läuft der Finanzierungszeitraum. „Wir haben ganz viele Pläne, ganz viele Ideen. Aber da wir komplett ehrenamtlich arbeiten haben wir einfach noch zu wenig Zeit und zu wenig Kapazitäten, um uns für den Schutz unserer Meere einzusetzen“, schreibt das Team auf Startnext. „Wir wollen, dass das Ding endlich schwimmt!“.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Plastikmüll im Meer – was kann ich dafür?
- 12 Tipps, was du gegen Mikroplastik tun kannst
- So leiden Meereslebewesen an Plastikmüll (Video)
- English Version: Pacific Garbage Screening (Utopia.org)
English version available: Pacific Garbage Screening Will Remove Tons of Plastic Waste from the Ocean
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