Kaum einer versteht noch, was hinten auf den Verpackungen in der Zutatenliste steht. Doch es kommt noch schlimmer: Es gibt legale Schlupflöcher, damit die Hersteller noch nicht einmal alles draufschreiben müssen. Eine Petition des Zusatzstoffmuseums aus Hamburg plädiert deshalb für mehr Transparenz und mehr Ehrlichkeit auf dem Teller.
Bei den Zutaten auf unseren Lebensmitteln gilt die Faustregel: bei mehr als drei unbekannten – stehen lassen. Das ist nicht nur aufgrund der umfangreichen Zutatenlisten in der Praxis schwierig. Weitere Gründe: Die Deklaration ist nicht vollständig und nicht verständlich.
Für das Deutsche Zusatzstoffmuseum aus Hamburg ein untragbarer Zustand. Es wurde 2008 in Hamburg gegründet und informiert über die gesamte Bandbreite an Zusätzen, die sich in unseren Lebensmitteln befinden. Träger hinter dem Museum ist die Hamburger Lebensmittelstiftung, die wiederum von Familie Ahlers, den Hauptaktionären von Frosta, finanziert wird.
Museumsleiter Leiter Christian Niemeyer hat nun die Petition „Ehrlich isst besser“ auf der Plattform Change.org gestartet. Seine drei Forderungen: eine vollständige Auflistung aller Lebensmittelzusätze, der gute lesbare Hinweis „aromatisiert“ auf allen mit Aromen hergestellten Lebensmittel und die verständliche Deklaration sogenannter funktionaler Additive. Darunter fallen Zutatenbestandteile, die Zusatzstoffe in ihrer Funktion ersetzen können. Es sind also Substanzen, die beispielsweise wie Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Feuchthaltemittel wirken, diesen Funktionsgruppen jedoch nicht zugeordnet werden.
Nicht alle Inhaltsstoffe gelistet
Jetzt mag der eine oder andere ins Stolpern geraten. Sind etwa nicht alle Inhaltsstoffe auf der Rückseite angegeben? Nein, wie Niemeyer in seiner Petition aufklärt: „Nach geltendem Recht müssen Zusatzstoffe in Zutaten nicht im Endprodukt deklariert werden, wenn sie dort keine technologische Wirkung haben. Ein Beispiel: Margarine enthält immer Emulgatoren und fast immer Farbstoffe und Aromen. Diese Zusätze müssen auf der Margarinepackung deklariert werden. Ist in einem Fertiggericht Margarine enthalten, so müssen Emulgator, Farbstoff und Aroma auf der Zutatenliste des Fertiggerichtes nicht deklariert werden, obwohl sie im Produkt enthalten ist.“
Seiner Meinung nach muss der Staat die drei Grundprinzipien des Lebensmittelrechtes wieder verstärkt wahrnehmen. Denn es ist eigentlich zum Schutz vor Gesundheitsgefahren, zum Schutz vor Täuschung und Irreführung und für ausreichende Information der Verbraucher gedacht.
Durch die Entwicklungen im Lebensmittelsektor sieht Niemeyer diese Funktionen nicht mehr gewährleistet. „Die Werbung zeigt immer nur das schöne, traditionelle Bild von handgemachtem Essen. Doch der Wirklichkeit entspricht das nicht. Die Lebensmittelproduktion ist undurchschaubarer geworden“, sagt Niemeyer. Ein Grund sei der weitverbreitete Trend zum „Clean Label“, also zu einer sauberen Zutatenliste, die beispielsweise auf E-Stoffe verzichtet.
Unter E-Stoffen versteht man von der Europäischen Union zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe. Insgesamt sind dies in der EU zurzeit 341 Stoffe und 34 Gruppen. Der Ruf der E-Stoffe ist nicht besonders gut, weshalb die Lebensmittelproduzenten sie zu vermeiden versuchen.
Niemeyer führt aus: „Mononatriumglutamat, das als Geschmacksverstärker genutzt wird, hat eine E-Nummer. Hefeextrakte, die ebenfalls ein Geschmacksverstärker eingesetzt werden, haben als Inhaltsstoffe drei 3 E-Nummern, die aber nicht zugesetzt werden, sondern einfach bei der Produktion dieser Extrakte entstehen. Diese können geschmacksverstärkend wirken und man bekommt sie von der Industrie bereits in verschiedenen Geschmacksrichtungen, beispielsweise Fisch oder Fleisch. Sie müssen aber nicht angegeben werden. Für Mononatriumglutamat gibt es zudem eine Mengenbegrenzung, für die Hefextrakte nicht.“
Mehr Transparenz für die Verbraucher
Natürlich ist auch Niemeyer klar, dass endlos lange Listen auf den Verpackungen nicht die Lösung sind. Stünden komplette Analyselisten, also alles an Spuren- oder Trägerstoffen oder welche Enzyme bei der Produktion eingesetzt wurden, auf den Verpackungen, dann würden die Leute wahrscheinlich alles stehen lassen. „Aber wenn die Zusatzstoffehersteller und Lebensmittelproduzenten von den eingesetzten Stoffen überzeugt sind, dann sollen sie diese offen und transparent erklären. Dann weiß der Konsument, dieser Stoff hat folgende Vor- oder Nachteile“, sagt Niemeyer. So könne beispielsweise „Geschmacksverstärker: Hefeextrakt (Typ Lamm), Feuchthaltemittel: Fructose, Farbstoff: Rotes Palmöl“ auf den Verpackungen stehen. Weiterführende Informationen sollten seiner Meinung nach im Internet verfügbar sein.
„Die Deklaration soll die Minimalinformation für den Verbraucher darstellen und ihm so die Entscheidung ermöglichen, will ich dieses Produkt kaufen oder nicht. Das ist aber aktuell nicht der Fall“, so Niemeyer. Dabei geht es ihm nicht darum, die Lebensmittelindustrie zu verteufeln. Schließlich gebe es viele Produktionsverfahren, die im Laufe letzten Jahrhunderte unsere Lebensmittel sicherer und besser gemacht hätten. „Wir wollen Interesse wecken. Es handelt sich um einen Bereich, um den sich die Politik kümmern muss, sonst haben wir Produkte, die man nicht annähernd durchschauen kann.“ Aktuell sei man eine „gesetzeskonforme Täuschung“ des Verbrauchers möglich.
Natürliches Aroma ist nicht immer besser
Dies gelte auch für den Bereich Aromen. „Es gibt über 2000 zugelassene Aromastoffe, die nach geltendem Recht zur Aromatisierung unserer Lebensmittel verwendet werden dürfen. Über die Zusammensetzung, die Ausgangsstoffe und die Gewinnung dieser Aromen erfährt der Verbraucher nichts“, sagt Niemeyer. Der Begriff „natürliches Aroma“ liegt ihm dabei besonders schwer im Magen. Er suggeriere, dass das Aroma aus der Frucht oder der Zutat gewonnen wurde, nach der es schmeckt. Dies werde aber vom Gesetzgeber nicht verlangt. So könne ein „natürliches Aroma“ Typ Himbeere aus Zedernholz extrahiert werden. Zudem sind die Begrifflichkeit im Bereich der Aromen nicht präzise und verständlich. Hinter „natürliches Erdbeeraroma“, Erdbeeraroma“, „natürliches Aroma Typ Erdbeere“, „Aromaextrakt“ stehen beispielsweise vier verschiedene Produkte. Ein weiteres Problem: Mit dem Begriff „natürlich“ verbinde der Verbraucher eine bessere Art von Aromatisierung. Nach Ansicht von Niemeyer eine absolute Irreführung.
Der Verbraucher habe nach Ansicht Niemeyers das Recht auf 100-prozentige Transparenz. Und deshalb müsse endlich wieder mehr Ehrlichkeit auf den Tellern herrschen.
Hier könnt ihr die Petition unterschreiben
GASTBEITRAG aus enorm
Text: Phillip Bittner
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