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Peter Wohlleben: „Ich bin nicht gegen Holznutzung, ich bin nur dagegen, den Wald brutal zu behandeln“

Fotos: CC0 Public Domain / Unsplash - Rodion Kutsaev (L); Miriam Wohlleben (R)

Wie steht es um den deutschen Wald? Wir haben mit jemandem gesprochen, der es wissen muss: Peter Wohlleben, Deutschlands bekanntester Förster und Wald-Schützer.

Klimawandel, Waldsterben oder Für- und Wider-Aufforstung – der deutsche Wald sorgt immer wieder für Debatten: Vor allem im Sommer wird deutlich, wie stark er unter anderem durch andauernde Trockenheit gefährdet ist. Aber wie ist das denn genau mit dem Wald: Haben wir überhaupt noch genug? Wie schützen wir das, was wir haben? Und gibt es Chancen auf Fortschritte durch Aufforstungsprojekte und Ähnliches?

Ob Waldbesitzer*in, Förster*in oder interessierte*r Laie – oft scheint es, alle haben dazu eine Meinung. Utopia hat mit Peter Wohlleben gesprochen, der durch sein Buch „Das geheime Leben der Bäume“ bekannt wurde, aber auch darüber hinaus in zahlreichen Facetten des Waldschutzes aktiv ist.

Hier eine etwas gekürzte Version – das vollständige Gespräch findest du im Utopia-Podcast:

„Echten Wald gibt es nicht mehr“

Utopia: Herr Wohlleben, haben wir heute überhaupt noch Wald in Deutschland?

Peter Wohlleben: Die Frage ist, was man als Wald bezeichnet. Unser heimisches Ökosystem besteht ja aus Buche, Eiche und noch so zwanzig, dreißig anderen Baumarten. Wälder, in denen diese Bäume über 500 Jahre alt werden können gibt es in Deutschland nicht mehr. Die ältesten Bäume sind etwas über 300 Jahre alt – immerhin. In dem Sinne ist es schon recht urwaldnah, aber davon haben wir nur noch Flächengrößen im Promillebereich.

Die Antwort lautet also: Echten Wald gibt es in der Regel nicht mehr. Was wir haben, das sind meist Plantagen, ganz überwiegend aus Nadelbäumen. Über die Hälfte davon bestehen aus Fichte und Kiefer, aber auch Douglasie, Lärche und was es da noch so gibt an Nadelbaumarten. Auch die übrigen Laubwälder sind häufig Plantagen.

Doch genauso wenig, wie Teak- oder Mahagoni-Plantagen „Regenwald“ sind, ist ein gepflanzter Eichenwald ein richtiger Wald.

Wem gehört eigentlich der Wald?

Über die Hälfte ist in öffentlicher Hand. Das heißt, er gehört uns allen. Von daher finde ich es übrigens gut, dass viele Leute eine Meinung zum Thema haben. Es ist wie bei allen anderen politischen Themen auch: Es befeuert die Diskussion.

Auch Sie sind also Waldbesitzer. Und das ist genau das Gefühl, das wir in der Waldakademie stärken wollen [Wohllebens Unternehmen, Anm. d. Red.]. Zum Beispiel, indem wir NGOs wie Waldbürgerinitiativen fortbilden. Die können dann aktiv mitreden.

Das können Sie zwar in jedem anderen Politikfeld auch, aber beim Wald ist es ganz besonders einfach: Wenn Sie zum Beispiel eine Bürgerinitiative gründen, brauchen Sie nichts außer ein paar Leute und sagen „Wir sind jetzt eine Bürgerinitiative“ und dann sind Sie eine. Sie müssen keinen Verein gründen, Sie müssen nichts eintragen lassen und dann können Sie mitmischen. Und die meisten Leute haben ein ganz gutes Bauchgefühl, was in Ordnung ist und was nicht.

Damit der Wald nachhaltig bewirtschaftet werden kann, muss sich in der Forstindustrie einiges verändern.
Um die Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, muss sich etwas ändern. (Foto: Peter Wohlleben/ privat)

„Der Klimawandel hat das Fass zum Überlaufen gebracht“

Waldsterben, Borkenkäfer, Aufforstung, Baumpflanz-Projekte: Was würden Sie sagen, machen wir in Deutschland falsch beim Wald?

Die Forstindustrie macht jede Menge falsch. Die ist bei Bäumen auf dem Stand wie die Landwirtschaft bei der Massentierhaltung. Es werden Plantagen gepflanzt mit Baumarten, die hier nicht hingehören, alle Bäume sind gleich alt und werden sehr früh wieder geerntet. Wie ein großes Maisfeld, wo Großmaschinen die Böden so kaputtfahren, dass sie kaum noch Wasser speichern.

Was wir aktuell sehen, sorgt ja viele Menschen. Doch diese Fichtenplantagen, die gerade absterben, das ist nicht der Klimawandel. Der Klimawandel hat das Fass nur zum Überlaufen gebracht.

Diese alten Böden, die jetzt mit Maschinen befahren werden, sind eigentlich wie ein Schwamm gewesen. Sie können pro Quadratmeter bis zu 200 Liter Wasser speichern. Wenn man da jetzt mit einer Maschine drüberfährt, reduziert sich das Speichervermögen fast gegen Null. Diese Wälder, die eigentlich diese im Winter gespeicherten 200 Liter Wasser brauchen, die vertrocknen jetzt, weil der Waldboden kaum noch etwas gespeichert hat.

Und das steht im Zusammenhang mit Baumarten, die sich hier sowieso nicht wohl fühlen. Schon vor diesen trockenen, heißen Sommern sind Fichten in großen Mengen ausgefallen, weil es einfach eine Baumart des hohen Nordens ist. Das ist so, als wenn wir hier Kokospalmen pflanzen würden und uns wundern, dass sie im Winter erfrieren. So ist es umgekehrt mit einer Baumart aus Polargegenden, denen es hier zu heiß und zu trocken ist, und dann kommt eben noch Wassermangel und Klimawandel obendrauf.

Ist der Wald bei Förstern in den besten Händen?

Die Gesetze sagen, dass zumindest im öffentlichen Wald Holzerzeugung nicht im Vordergrund stehen darf. Demnach dürften fremde Baumarten, wo es ja nur um die Holzproduktion geht, gar nicht angebaut werden. Demnach dürften die Böden gar nicht mit Maschinen kaputtgefahren werden, da gibt es ja Bodenschutzgesetze und so weiter.

Das wird aber alles nicht eingehalten. Derlei lässt sich halt schlecht überprüfen, weil die Forstgesetze so schwammig formuliert sind, dass man sie kaum durchsetzen kann. Die Forstverwaltungen führen letztendlich ein Eigenleben.

Nur mal als Beispiel: Die Bundesregierung hat schon 2007 beschlossen, dass fünf Prozent aller Wälder bis 2020, also bis zum jetzigen Jahr, unter Schutz stehen sollen. Geschafft hat sie nur 2,8 Prozent, weil die Forstverwaltung, die ja die Exekutive ist, sich sperrt.   

Förster, Autor und Baumliebhaber Peter Wohlleben engagiert sich seit über 30 Jahren für die Wälder.
Peter Wohlleben engagiert sich seit über 30 Jahren für den Wald und die Bäume. (Foto: Peter Wohlleben / privat)

Wie erklären Sie sich den Erfolg, den Sie mit dem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ haben?

Ich mache seit 30 Jahren Waldführungen, da hat man das Publikum als Feedback und sieht sofort „Ah, das muss ich einfacher erklären, das langweilt die Leute“. Dann habe ich eben gelernt, so zu sprechen, dass es packender klingt.

Dass man zum Beispiel, wenn Mutterbäume sich um ihren Nachwuchs kümmern, dass auch so sagt. Und wenn die mit Zuckerlösung versorgt werden auch sagt, „das ist so etwas wie Stillen“. Das ist ein aktiver Prozess bei Bäumen.

Übrigens, bei Pflanzen von Bewusstsein zu sprechen, löst ja die nächste Protestwelle bei konservativen Förstern aus, dass klingt einfach zu abgehoben. Aber das ist konservative Grundlagenforschung Stand 2020, zum Beispiel bei der Universität Bonn. Das können sich viele nicht vorstellen. Weil Wissenschaft, die das übrigens schon seit Jahrzehnten erforscht, das häufig so staubtrocken in Fachbegriffe verpackt. Das liest ja kein Mensch durch. Ich habe es quasi übersetzt.  

„Das ist nicht das Waldsterben, sondern das Plantagensterben.“

Lebt der Wald noch, stirbt er schon – oder ist es ganz anders?

Der Wald stirbt nicht! Unser echter alter Wald, von dem wir in Deutschland ja noch diese paar Promille haben, wird gut wissenschaftlich erforscht in Bezug auf seine Widerstandskraft. Da gibt es eine Forschung von vor zwei Jahren, an der man sehr schön sieht, dass alter Wald mit dem Klimawandel aktuell noch gar keine Probleme hat. Das kommt daher, dass er sich im Vergleich zur freien Landschaft im Sommer um bis um zehn Grad runterkühlt. Die Oberflächentemperatur im Juni, Juli, August ist im Durchschnitt zehn Grad kühler und auch noch acht Grad kühler als eine Nadelholzplantage. Das hat man mit Satelliten gemessen.

Dieser Wald macht sein eigenes Klima. Das merkt man übrigens auch, wenn man reingeht. Wenn Sie im Sommer mal in so einen schönen alten Laubwald gehen, da ist es sehr kühl. Und das ist nicht der Schatten! Alter Wald kühlt, indem er viel Wasser verdunstet. Über solchen Wäldern bilden sich übrigens signifikant mehr Gewitterwolken und es regnet viel mehr. Diese Wälder halten das noch sehr gut aus.

Unsere Plantagen mit plattgefahrenen Böden, die kaum noch Wasser speichern, wo ständig Bäume gefällt werden und es dadurch sehr sonnig und auch heiß wird, die geben jetzt auf. Was wir aktuell sehen, ist nicht das Waldsterben, sondern das Plantagensterben. Und sobald wir die Finger rauslassen, kommt der Laubwald zurück.

Bäume kommunizieren über ihre Wurzeln, die Blätter und die Luft miteinander.
Bäume wie diese Buchen kommunizieren unter anderem über ihre Wurzeln miteinander. (Foto: Peter Wohlleben / privat )

Manche sehen kritisch, wie Sie darstellen, dass etwa Bäume mit Menschen kommunizieren. „Sprechen“ Bäume tatsächlich?

Untereinander machen die das. Und das ist wirklich schon seit 40 Jahren abgeprüft. Man hat, glaube ich, schon über 800 verschiedene Duftvokabeln entschlüsselt. Die Bäume warnen sich vor Insektenbefall und vor Dürre, das kann man messen. Man kann die Abwehrreaktionen in Nachbarbäumen messen. Es läuft oft chemisch über die Blätter und die Luft, aber auch über die Wurzeln und funktioniert elektrisch wie in unserem Gehirn. Das ist alles gut abgeprüft.

Die Kritik kommt häufig aus der Forstwissenschaft, die ist in der Regel verbunden mit der staatlichen Forstindustrie. Der Staat bewirtschaftet ja zum größten Teil und verkauft den größten Teil des Holzes, und kontrolliert gleichzeitig, ob das ganze ökologisch ist. Es ist alles in einer Hand.

Es ist einzigartig, dass die Kontrollbehörde den Markt beherrscht – und aus diesem Umfeld kommen die Forstwissenschaftler, die sagen: „Das ist alles Quatsch, ein Baum ist ja eigentlich nicht viel mehr als ein grüner Stein, und den kann man absägen. Das tut dem Wald sogar gut.“ Das wäre ungefähr so, wie wenn die Firma Tönnies in Deutschland Beauftragter für den Tierschutz wäre. Da würde man ja auch einwenden: „Na ja, da gibt es gewisse Sonderinteressen, das sollte man vielleicht nicht tun.“

Auch die Idee, Waldparzellen zu verpachten, wird teilweise kritisch gesehen, weil die Parzellen dann sich selbst überlassen werden …

Genau das ist das, was die Natur seit 350 Millionen Jahren mit Wald macht. Und das können Sie selber auch machen. Sie können übrigens schon ab einem Quadratmeter Größe Wald für 50 Jahre pachten.

Pachten statt kaufen deswegen, weil diese Wälder niemand verkauft. Die sind meist in öffentlicher Hand und die öffentlichen Waldbesitzer sagen: „Ja, nee, nur ein abgesägter Baum ist ein guter Baum, nur ein bewirtschafteter Wald, also in dem Holz eingeschlagen wird, ist ein guter Wald“.

Wir sagen aber: „Die Natur muss doch irgendwie auf Kleinstflächen machen dürfen, was sie will.“ Und das darf sie in Deutschland interessanterweise noch nicht mal in Nationalparks. Auch dort wird noch vielfach gewirtschaftet, es werden Kahlschläge gemacht mit großen Maschinen.

Da haben wir gesagt „Es ist fünf vor zwölf, wir müssen diese Flächen jetzt retten“. Und noch mal – diese alten, unbewirtschafteten Wälder, das sind Buchenwälder, die über 160 Jahre alt sind, das sind diejenigen, die den Klimawandel noch am besten überstehen werden. Die müssen wir unbedingt retten!

Die Forstindustrie versucht, die Ausweisung von Schutzgebieten zu verhindern. Da ist das Pachtmodell halt die beste Möglichkeit, das zu umgehen.

„Ich bin dagegen, den Wald so brutal zu behandeln“

Fühlen Sie sich von Medien manchmal missverstanden?

Also grundsätzlich bin ich ganz zufrieden. Natürlich wird in Interviews von der Gegenseite häufig gesagt: „Der will ja, dass alles stillgelegt wird, woher sollen wir denn unser Holz bekommen?“ Aber darum geht es ja gar nicht.

Meine Wunschvorstellung wäre, 20 Prozent des Waldes geschützt und 80 Prozent bewirtschaftet. Und zwar mit heimischen Baumarten so bewirtschaftet, dass der Unterschied zu Schutzgebieten nicht so groß ist. Das wäre ein Kompromiss, mit dem man übrigens mehr Holz ernten könnte als bisher.

Aktuell brechen ja die ganzen Plantagen zusammen. Da kommt in den nächsten Jahrzehnten gar kein Holz mehr raus. Also ich bin nicht gegen Holznutzung, ich bin nur dagegen, den Wald so brutal zu behandeln.

Aufforstungsprojekte helfen dem Wald nur dann, wenn dabei die individuellen Bedürfnisse von Boden, Klima und Baumarten beachtet werden.
Aufforstungsprojekte helfen dann, wenn die Bedürfnisse des Waldes beachtet werden. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash / stevenkamenar)

Wie sehen Sie die Bemühungen von Initiativen wie Trillion Trees Campaign und den Menschen, die möglichst viele neue Bäume pflanzen wollen?

Da gibt es gute und schlechte Projekte, wie überall. Fangen wir vielleicht mal mit den schlechten Projekten an.

Schlechte Projekte sind die, wo Forstverwaltungen die Bevölkerung die Dinge machen lassen, die sie eigentlich selber erledigen müssten. Ich habe gerade erst gelesen, dass niedersächsische Landesforsten Klimazertifikate vergeben, damit man in den sterbenden Plantagen (die hat die Forstverwaltung ja selber angelegt) jetzt die Wiederaufforstung bezahlt. Und das teilweise mit Baumarten, die da von Natur aus gar nicht hingehören.

Man betreibt also eine Plantage und lässt sich das von der Bevölkerung auch noch bezahlen. Aber die bezahlt das ja eh schon – über Steuern. Das wäre so ähnlich, wie wenn Sie der Polizei die Uniform bezahlen oder stiften würden.

Es gibt aber auch sehr sinnvolle Projekte, nämlich wenn man neuen Wald anlegt. Und zwar dort, wo vorher keiner war – also nicht in sterbenden Plantagen, denn wie gesagt, dort muss es die Forstverwaltung schon selber machen.

Neue Wälder anzulegen, das brauchen wir dringend. Ein einfaches Beispiel: Die Hälfte der Fläche, die wir in Deutschland haben, besteht aus landwirtschaftlichen Flächen. Das sind 16 Millionen Hektar, und davon sind 12 Millionen Hektar nur für Tierhaltung und Bioenergie, also nicht direkt zur Lebensmittelproduktion, die notwendig ist.

Wenn wir auf den klassischen Sonntagsbraten zurückgehen und diese unsägliche Biogasproduktion endlich einstellen würden, dann könnten wir die Waldfläche in Deutschland praktisch verdoppeln. Und wenn man dann bedenkt, dass die Temperatur im Vergleich von Wald und freier Landschaft eine Differenz von zehn Grad aufweist und wir die Waldfläche verdoppeln könnten – mal rein hypothetisch – dann könnten wir die Sommertemperatur in Deutschland im Laufe des fortschreitenden Klimawandels sogar absenken. Und der Regen würde wieder zunehmen.

Solche Projekte, die befördern, dass die Waldfläche wächst, die sind klasse.

Bemerken Sie bei den Menschen ein Umdenken hinsichtlich des Umgangs mit Wald und Natur?

Wir hören immer wieder, dass die Menschen sich Hinweise versprechen, wie: Was kann ich denn in meinem täglichen Leben ändern und was gibt es für Dinge, die vielleicht auch nicht so weh tun?

Das allereinfachste ist völlig banal. Ein Aufkleber „Bitte keine Werbung einschmeißen“ für den Briefkasten. Da bleiben schon mal Millionen von Bäumen stehen in Deutschland, wenn Sie nur ihre Werbepost streichen.

Es gibt ganz viele einfache Tipps, es gibt natürlich auch schwierigere Sachen, zum Beispiel: Wie heize ich am besten? Die Bürogebäude unserer neuen Waldakademie haben zum Beispiel gar keine richtige Heizung mehr drin. Das braucht man heutzutage in gut isolierten und vernünftig belüfteten Häusern gar nicht mehr. Da gibt es eine Riesenbandbreite von Wünschen.

Aber man merkt und das finde ich schön: Die Leute wollen was tun, denen reicht es jetzt einfach. Die Frage ist eben einfach, was man tun kann. Und da helfen wir gerne weiter.

Wer Setzlinge zur Aufforstung pflanzt, der sollte sich überlegen, ob die Umgebung stimmt und die Baumart zum Klima passt.
Nachhaltige Aufforstung bedeutet einen schonenden Umgang mit dem Wald. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash / matthewsmith)

„Ich bin sehr optimistisch“

Was wünschen Sie sich für das Klima und das nachhaltige Leben auf unserer Erde?

Ich würde mir natürlich wünschen, dass wir den Klimawandel stoppen. Dass wir ihn rückgängig machen, das werden wir nicht erleben, aber wenigstens stoppen. Und wenn wir gleichzeitig mehr aufforsten und weniger Energie konsumieren…

Das heißt ja übrigens nicht weniger Freude oder weniger Glück. Das wird häufig verwechselt. Es wird einfach nur anders gemacht, sodass wir den Ausstoß deutlich reduzieren und gleichzeitig die Waldfläche wieder vergrößern.

Ich kann es wirklich nur noch mal wiederholen, das Stichwort ist Fleischproduktion, tierische Produkte reduzieren. Es muss jetzt keiner Vegetarier werden – aber auf den klassischen Sonntagsbraten zurückgehen, wenn man Fleisch isst. Dann vielleicht aus einer vernünftigen Haltung und die freiwerdenden Flächen wieder bewalden.

Wenn wir das so machen, dann können wir noch erleben, dass sich Dinge zum Besseren wenden. Es ist jetzt keine Utopie oder so, nur muss man langsam damit anfangen. Das wäre meine Vision und ich glaube auch, dass wir das schaffen. Ich bin da sehr optimistisch.

Was muss passieren, damit der Einzelne die Natur schützen und trotz Einschränkungen gut leben kann?

Das ist genau das Thema, was mich ärgert. Diese dämliche Verzichtsdiskussion. Wir müssen auf gar nichts verzichten, sondern wir sollten Dinge ändern.

Ich nenne mal ein einfaches Beispiel: Wenn alle Neubauten Solaranlagen aufs Dach kriegen, dann haben die Besitzer anschließend deutlich geringere Stromkosten. Das heißt, es wird ja sogar billiger und es macht auch Spaß. Das ist wie eine Challenge. Wenn die Sonne scheint und man auf seinem Handy sehen kann, was da wieder für Kilowattstunden reinrauschen, das ist doch schön. Und das ist außer von der Herstellung der Solarzellen eben CO2-neutral. Und man hat gleichzeitig die Feinstaubproblematik in den Städten reduziert.

Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass man alle Städte individualverkehrs-frei macht. Punkt. Und den öffentlichen Nahverkehr kostenlos zur Verfügung stellt. Dann hätte man riesige, freiwerdende Flächen. Es ist ja ganz grob 40 Prozent Fläche in den Städten nur für Autos reserviert, Parkplätze und Straßen. Man kann also mehr Grün in die Städte bringen, mehr günstige Wohnungen und gleichzeitig mehr Platz für Radfahrer.

Wir hatten dieses Geheule auch mit den Fußgängerzonen, als das losging in den 70er Jahren. Da hat der Einzelhandel gesagt: „Wenn die Leute nicht mehr vor das Geschäft fahren können, dann bricht der Umsatz ein.“

Aber nein. Wie kam es wirklich? Fußgängerzonen wurden Einkaufsmagneten! Und wenn man die ganze Stadt zu Fußgängerzonen macht, sagen wir mal zu Radfahrzonen und deutlich mehr Flächen für Wohnen und Grün zur Verfügung hat, das wäre doch mal was.

Also nur als Beispiel, und das können Sie im Wald fortführen. Mit echter ökologischer Waldwirtschaft, die Arbeitsplätze schafft und die ein gesundes Klima für alle schafft, die deutlich mehr Kohlendioxid speichert und so weiter. Das sind alles Dinge, die bringen uns voran.

Also, was mir fehlt, das ist eher: Optimismus. Das man einfach sagt, wir schaffen das, das macht Spaß und wir gehen mit Freude in eine grüne Zukunft. Und nicht wie Asketen in Sack und Asche, das macht keinem Spaß.

Es sieht also gar nicht so schlimm aus wie es uns oft vermittelt wird?

Sagen wir mal so, es sieht draußen in der Umwelt aktuell schon schlimm aus. Das Schöne ist aber, wir können das jederzeit ändern. Also wir können den Kurs ändern, und zwar ohne dass uns dabei die Freude verloren geht.

Und ich würde mir wirklich wünschen, dass wir diese Wende schnell herbeiführen, damit das Gejammer aufhört und jeder sieht – Umweltschutz macht Spaß!

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(Foto: Heyne Verlag/ Random House)

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