Agriphotovoltaik ist eine Kombination von Stromerzeugung und der Nutzung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Kann das die Energiewende bringen? Hier erfährst du alles zum Thema Agriphotovoltaik.
Agriphotovoltaik, auch bekannt unter Agrophotovoltaik, beschreibt die Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Das bedeutet: Auf den Flächen wird erneuerbarer Strom mithilfe von Photovoltaikanlagen erzeugt, ohne dass dabei fruchtbarer Ackerboden für die Nahrungsmittelproduktion verloren geht. Denn dieser kann weiterhin unter oder zwischen den Paneelen genutzt werden.
Das steigert insgesamt die Flächeneffizienz. Die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen soll dabei im Vordergrund stehen.
Mit dieser Doppelnutzung soll die Energiewende vorangebracht werden. Wir haben uns den Stand der Forschung und die aktuelle Situation in Deutschland angeschaut. Außerdem zeigen wir hier, welche Herausforderungen es zu meistern gibt.
Modelle der Agriphotovoltaik
Bisher haben sich zwei Arten der Agriphotovoltaik etabliert:
Horizontale Agriphotovoltaik
Hier wird die landwirtschaftliche Fläche auf zwei Stockwerken genutzt:
- Am Boden wird Landwirtschaft betrieben.
- Darüber sind PV-Module auf einem Gestell.
So ergibt sich ein zweites Stockwerk für Solarstrom. Der Platzverlust durch die Gestelle für die Photovoltaikmodule ist minimal.
Vertikale Agriphotovoltaik
Die Photovoltaikmodule werden hier vertikal aufgestellt, dabei werden sogenannte bifasziale Module verwendet. Das heißt: Sie können das Sonnenlicht von beiden Seiten aufnehmen. Die Flächen können zwischen den Photovoltaikplatten normal genutzt werden. Die vertikalen Platten können zur Zweitnutzung auch als Zäune für Weideflächen dienen.
Zudem kann man die Anlagen in geschlossene oder offene Systeme untergliedern. Ein PV-Gewächshaus ist zum Beispiel ein geschlossenes System, während Solarmodule über Weide- oder Ackerflächen offene Systeme bilden: Sie lassen Licht und Niederschlag durch.
Warum Agriphotovoltaik?
Um die Energiewende voranzubringen, ist ein massiver Ausbau der Solarstromproduktion notwendig. Durch konventionelle Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen gehen wertvolle natürliche Ressourcen verloren. Landwirtschaftliche Nutzflächen sind begrenzt und wertvoll.
Mit Agriphotovoltaik kann dieses Problem gelöst werden: Es können sowohl Lebensmittel als auch Strom auf derselben Fläche erzeugt werden. Die Effizienz jeder landwirtschaftlichen Nutzfläche wird dadurch gesteigert.
Weitere Vorteile von Agriphotovoltaik:
- Steigerung der Resilienz der landwirtschaftlichen Produkte: Obst und Gemüse sind durch die Photovoltaikplatten, die wie ein Dach fungieren, besser vor Hagel, Dürre und Frost geschützt. So lassen sich auch Ernteausfälle in den zunehmenden Trockenperioden reduzieren oder ganz vermeiden.
- Geringerer Bewässerungsbedarf: Durch die Teilbeschattung der Photovoltaikplatten sinkt der Bewässerungsbedarf, da der Boden nicht so schnell austrocknet.
- Geringere Bodenerosionen durch Wind: Die Photovoltaikanlagen bremsen automatisch starke Windböen aus. So wird weniger Bodenmaterial durch den Wind abgetragen. Bodenerosion wird dadurch vermieden, wodurch die Bodenqualität langfristig erhalten bleibt.
- Doppelnutzung der Photovoltaikkonstruktion: Bei vielen Obst,- Gemüse,- oder auch Sonderkulturen, wie zum Beispiel Hopfen, braucht es Konstruktionen zur Befestigung der Pflanzen. Hierfür kann bei Agriphotovoltaikanlagen die Konstruktion der Photovoltaikanlagen benutzt werden, oder auch als Zaun für Tiere.
- Möglichkeit der autarken Landwirtschaft: Landwirtschaftliche Betriebe können durch den Eigenverbrauch des Stroms ihre Kosten senken und autark werden.
- Einkommensquelle für Landwirt:innen: Strom, den die Landwirt:innen selbst nicht benötigen, können sie verkaufen.
Laut dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) soll die in Deutschland installierte Photovoltaikkapazität bis zum Jahr 2050 acht- bis zehnfach erhöht werden. So könnte nicht nur die Energiewende vorangebracht, sondern auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Gleichzeitig können die integrierten Photovoltaikanlagen die Pflanzen und Böden vor negativen Umwelteinflüssen schützen.
Herausforderungen der Agriphotovoltaik
Im Bereich der Agriphotovoltaik gibt es auch einige Herausforderungen.
Landschaftsbild und Akzeptanz
Die Agriphotovoltaik verändert das Landschaftsbild. Vor allem in touristischen Gebieten könnte das zum Nachteil werden. Doch im Gegensatz zu klassischen Freiflächenphotovoltaikanlagen, bei denen die komplette Fläche mit Paneelen „zugepflastert“ ist, ist die Bebauung bei der Agriphotovoltaik nicht so konzentriert.
Hier stellt sich die Frage, was uns wichtiger ist: Das Landschaftsbild oder der Umstieg auf Erneuerbare Energien? Wenn die Agriphotovoltaikanlagen so konzipiert werden, dass sie in das Landschaftsbild passen, kann mit einer höheren Akzeptanz gerechnet werden.
Wirtschaftlichkeit
Bisher ist unklar, ob sich eine Agriphotovoltaikanlage wirtschaftlich rechnet. Dies hängt von vielen Faktoren ab, diese müssen im Einzelfall genau geprüft werden. Wie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme untersucht hat, ist es am effizientesten, wenn Landwirt:innen den Strom für den Eigenverbrauch nutzen.
Schwieriger zu bearbeiten
Flächen mit Agriphotovoltaikanlagen sind schwieriger zu bewirtschaften als solche ohne. Je nachdem, welche Modelle und Konstruktionen verwendet werden, braucht es gegebenenfalls spezielle Maschinen zur Bearbeitung.
Laufende Projekte in Deutschland
Im APV-Obstbau-Projekt untersucht das ISE bis 2025, inwiefern durch Agriphotovoltaik eine Schutzfunktion im Apfelanbau gewährleistet ist, welches Anlagenmodell für die Kultur sinnvoll ist und wie sich die Ernteerträge verhalten. Ziel des Projektes ist eine erhöhte Widerstandsfähigkeit der Früchte im Obstanbau durch den Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen.
Im Forschungsvorhaben Modellregion Agri-Photovoltaik Baden-Württemberg erprobt das ISE gemeinsam mit 12 weiteren Partnern Pilotanlagen in dem Bundesland. Das Projekt läuft bis 2024 und erhält Förderung von verschiedenen Landesministerien. Der Schwerpunkt liegt bei diesem Projekt auf dem Anbau von Kern- und Beerenobst.
HyPErFarm ist ein weiteres bis 2024 laufendes Projekt in Belgien, Dänemark und Deutschland. In jedem Land wird dabei eine Anlage gebaut, die jeweils an die regionalen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen angepasst sein soll. Es werden Synergien mit neuen Pflanzensorten getestet, und neue Technologien erprobt – wie beispielsweise die solare Erzeugung von grünem Wasserstoff.
In Deutschland wird außerdem im Rahmen der Projekte APV-RESOLA und ADAPT zum Thema geforscht.
Bis 2021 betreute das ISE zudem eine landwirtschaftliche Fläche am Bodensee, die mit Agriphotovoltaik ausgerüstet ist. Hier werden insgesamt Hektar Ackerfläche mit horizontalen Photovoltaikmodulen ausgestattet. Angebaut werden in diesem Pilotprojekt Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras. Erste Ergebnisse haben gezeigt, dass vor allem in den heißen Jahren bessere Erträge erzielt werden konnten. Das liegt an der Verschattung und damit einhergehenden geringeren Verdunstung von Wasser.
Förderung von Agriphotovoltaik
In Deutschland gibt es laufende Pilotprojekte zur Agriphotovoltaik, die auch gefördert werden. Das EEG sieht für 2023 erhöhte Energiepreisvergütungen für jede Art von Photovoltaik vor. Agriphotovoltaikanlagen werden seit diesem Jahr auch aufgeführt. Das heißt, dass sie genau wie andere Nischen-Technologien wie „Floating Photovoltaik“ und Photovoltaik auf Parkplätzchen mit den üblicheren Solarstromanlagen um Förderungen konkurrieren müssen.
Die bisher größte Agriphotovoltaikanlage steht übrigens in China. Dort wurde zuvor unfruchtbares Land am Rande der Wüste dank schattenspendender Solarplatten zu fruchtbarem Land gemacht. Im Blick auf immer stärker werdende Hitzeperioden in Deutschland könnte Agriphotovoltaik auch hier eine Lösung sein.
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