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Aktivkohle: Superfood oder sinnloser Trend?

aktivkohle
Foto: CC0 / Pixabay / felix_w (links) CC0 / Pixabay / pzphone (rechts)

Aktivkohle findet sich seit einigen Jahren in allerlei Produkten – von Kosmetik bis zu Lebensmitteln. Die Aktivkohle soll sie besonders gesund machen, doch Verbraucherschützer:innen warnen.

In den letzten Jahren hat Aktivkohle als Nahrungsergänzungsmittel und Wellness-Trend immer mehr an Beliebtheit gewonnen. Du findest in der Drogerie und im Supermarkt zahlreiche Produkte mit zugesetzter Aktivkohle, zum Beispiel Zahnpasta, Peelings, Eiscreme oder Brot. Die Hersteller setzen Aktivkohle als Farbstoff ein, der diese Cremes und Lebensmittel schwarz färbt. „Black Food“ nennt sich dieser Trend bei Lebensmitteln. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit stuft den Stoff als gesundheitlich unbedenklich ein. Er trägt die E-Nummer E153.

Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften soll Aktivkohle Produkte gesünder oder effektiver als die herkömmlichen Varianten machen. So werben Hersteller damit, dass Aktivkohle antibakteriell und entgiftend sei, Zähne weißer mache und noch vieles mehr bewirken könne. Doch wissenschaftliche Belege fehlen bislang. 

Was ist Aktivkohle und wie wirkt sie?

Aktivkohle in Lebensmitteln ist auf Dauer ungesund.
Aktivkohle in Lebensmitteln ist auf Dauer ungesund.
(Foto: CC0 / Pixabay / pzphone)

Aktivkohle, auch als medizinische Kohle bekannt, ist eine speziell behandelte Form von Kohle. Sie wird durch die Verbrennung von natürlichen Kohlequellen oder anderen organischen Materialien hergestellt und dann mit Dampf oder Chemikalien aktiviert, um ihre poröse Struktur zu schaffen. Diese Poren machen Aktivkohle zu einem wirkungsvollen Adsorbens, was bedeutet, dass sie in der Lage ist, Gase, Flüssigkeiten und Verunreinigungen an ihre Oberfläche zu binden.

Aufgrund dieser Fähigkeit kommt Aktivkohle schon seit Langem in der Medizin zur Anwendung. Laut der Pharmazeutischen Zeitung dient Aktivkohle dazu, verschluckte Giftstoffe im Magen-Darm-Trakt zu adsorbieren, aus dem Körper hinaus zu transportieren und so Vergiftungen zu verhindern.  

Auch bei Durchfall wird Aktivkohle teilweise eingesetzt. Ihre Wirkung diesbezüglich soll auf der Adsorption von Bakterien, Bakterientoxinen und anderen Giftstoffen beruhen, doch der Pharmazeutischen Zeitung zufolge rät die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) von der Anwendung von Aktivkohle bei akutem infektiösen Durchfall ab, weil die wissenschaftliche Evidenz fehlt. 

Die Fähigkeit von Aktivkohle, (Gift-)Stoffe aus dem Körper an sich zu binden, hat Hersteller im Bereich Wellness und Gesundheit auf den Plan gerufen. Sie reichern ihre Produkte damit an und bewerben diese als „entgiftend“ oder anderweitig gesünder. 

Ist Aktivkohle gesund?

Die Wissenschaftsjournalistin und Chemikerin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim unterzieht in ihrem Video Aktivkohle einem Gesundheits-Check:

  • Aktivkohle soll Gifte binden: Das stimmt tatsächlich und in der Medizin wird Aktivkohle auch bei Vergiftungen eingesetzt. Denn Aktivkohle-Moleküle binden Gift-Moleküle an sich.

Das Problem: Aktivkohle-Moleküle binden auch viele gute Stoffe, zum Beispiel Vitamine und Antioxidantien. Die wollen wir aber eigentlich nicht mit der Aktivkohle ausscheiden, sondern sollen vom Körper aufgenommen werden. Die Verbraucherzentrale Bayern warnt deshalb: „Wird Aktivkohle häufig verzehrt, können Vitamin- und Mineralstoffmängel entstehen sowie Verstopfung“. 

Besonders bedenklich ist der Verzehr von Lebensmitteln mit Aktivkohle, wenn auch Medikamente oder die Anti-Babypille eingenommen werden. Denn auch sie könnten durch die Aktivkohle gebunden und ausgeschieden werden.

Aktivkohle in Kosmetik: Was bringt sie?

Gesichtscremes, Masken, Peelings – in all diesen und noch mehr Kosmetik- und Hygieneprodukten kannst du mittlerweile Aktivkohle finden. Doch wie gesund Aktivkohle für die Haut ist, wurde bisher noch kaum erforscht. Trotzdem werben viele Hersteller mit Versprechen, für die es keine wissenschaftlichen Belege gibt, erklärt Dr. Mai Thi Nguyen-Kim.

  • In der Chemie wird Aktivkohle manchmal dazu eingesetzt, um einen verunreinigten Stoff wieder rein zu machen. Die Aktivkohle bindet die Verunreinigung und lässt sich dann entfernen. Nach diesem Prinzip versprechen auch Hersteller von Kosmetika eine reinigende Wirkung.
  • Allerdings muss in der Chemie die Flüssigkeit mit der Aktivkohle lange geschüttelt werden und braucht etwas Zeit. Bei Cremes müsste man also theoretisch sein Gesicht in Wasser tauchen und die Aktivkohle lange Zeit über die Haut reiben. Einen Vorteil hat Aktivkohle hierbei aber nicht, denn einfache Seife wirkt genauso gut.

2016 hat Öko-Test verschiedene Kosmetika mit Aktivkohle getestet. Kein einziges der 15 geprüften Kosmetikprodukte hat im Test mit der Bewertung „gut“ abgeschnitten, neun Produkte sind durchgefallen. Der Grund:

  • Keiner der Hersteller konnte Studien vorlegen, die die Wirksamkeit der Produkte belegten.
  • In einigen Kosmetikprodukten hat Öko-Test Spuren von Naphthalin nachgewiesen. Der Stoff entsteht bei der Kohleherstellung und gilt als krebserzeugend (BfR).

Fazit: Aktivkohle ist ein sinnloser Trend

Aktivkohle in Kosmetik: Vorteile nicht wissenschaftlich belegt
Aktivkohle in Kosmetik: Vorteile nicht wissenschaftlich belegt
(Foto: CC0 / Pixabay / felix_w)

Einen wissenschaftlichen Beweis, dass Aktivkohle in Zahncremes die Zähne tatsächlich aufhellt, gibt es nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfangreiche Studie von 2017, die alle bis dahin veröffentlichten Forschungsergebnisse zusammengefasst hat. Es gibt zudem Hinweise, dass Aktivkohle in der Zahnpflege schädlich sein kann:

  • Auf Dauer schleift die Kohle den Zahnschmelz ab und macht die Zähne anfälliger für Krankheiten.
  • Bei Öko-Test sind einige Aktivkohle-Zahncremes durchgefallen, weil sie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und PEG-Derivate enthalten. Beide Stoffe sind laut Umweltbundesamt potentiell krebserregend und können von der Umwelt nur schwer abgebaut werden.

Fazit: Aktivkohle verleiht Lebensmitteln einen schicken schwarzen Look, mehr aber auch nicht. Eine positive Wirkung auf die Gesundheit ist weder für Lebensmittel noch für Kosmetik-Produkte belegt. Im Gegenteil: Aktivkohle sollten wir nur in geringen Maßen zu uns nehmen, da sie wichtige Nährstoffe binden kann. Wer Medikamente oder die Anti-Babypille einnimmt, sollte vorsorglich ganz auf Aktivkohle in Lebensmitteln verzichten.

Weiterlesen bei Utopia:

English version available: What Does Activated Charcoal Do? 7 Uses in Health & Household

Überarbeitet von Annika Reketat

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