Prosumer können einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten, denn sie produzieren saubere und billigere Energie. Doch was sind Prosumer, und wie kann man dazu werden?
Der Begriff „Prosumer“ taucht zunehmend in Debatten rund um die Energiewende auf. Doch was ist damit gemeint? Der Begriff ist zusammengesetzt aus zwei englischen Wörtern: „producer“ (Produzent:in) und „consumer“ (Konsument:in). Prosumer sind also Menschen, die ein bestimmtes Gut sowohl produzieren als auch konsumieren.
Der Begriff kann für viele Bereiche verwendet werden. Gerade ist er jedoch vor allem im Kontext von Energieproduktion und der Energiewende zu hören. Prosumer sind demnach Menschen, die Energie sowohl produzieren als auch konsumieren. Und wichtig: Im Kontext der Energiewende geht es um erneuerbare Energien.
Das wohl bekannteste Beispiel sind Menschen, die Photovoltaikanlagen auf ihrem Dach installieren. Scheint die Sonne, produzieren sie Solarstrom, den sie dann selbst nutzen. Wenn sie mehr Energie produzieren als sie brauchen, können sie den überschüssigen Strom ins Netz einspeisen und verkaufen.
Gleichzeitig sind Prosumer nicht darauf angewiesen, nur mit selbst produzierter Energie auszukommen. Denn sie sind nach wie vor ans Stromnetz angeschlossen und können weiterhin Energie beziehen, wenn sie sie brauchen. Sie müssen sich also nicht sorgen, wenn die Sonne mal nicht scheint.
Hinweis: Da Prosumer ein englischer Begriff ist, gendern wir ihn in diesem Text nicht. Auf Deutsch werden Prosumer auch Prosument:in genannt. Der englische Begriff findet sich jedoch häufiger in Debatten.
Beteiligungsformen und Modelle des Konzepts „Prosumer“
Zu Prosumern können sowohl Einzelpersonen, Haushalte und Gemeinschaften als auch Firmen oder öffentliche Institutionen werden, wie beispielsweise Schulen, Krankenhäuser, Gemeinden oder Kommunen. Sie dürfen nur nicht hauptberuflich Energie produzieren, wie beispielsweise große Energiefirmen. Dann zählen sie nicht mehr als Prosumer.
Prosumer können ganz unterschiedliche Modelle der Beteiligung, der Finanzierung und der Besitzverhältnisse verfolgen. Manche Gemeinschaften werden von Ehrenamtlichen getragen. Andere, eher größere Projekte stellen Mitarbeiter:innen an.
Gemeinschaften aus Menschen, die gemeinsam Erneuerbare Energien produzieren haben einige Vorteile: die Mitglieder der Gruppe können ihre Fachkenntnisse bündeln und so das Vorhaben gemeinsam angehen. So können sie vielleicht auch Menschen motivieren, die sich alleine nicht an das Thema heranwagen würden, oder denen auch das Start-Kapital fehlt. Generell bringt das sogenannte Energy-Sharing viele Vorteile mit sich.
Wind und Sonne, Wärmepumpen und Solarthermie – Prosumer können wählen
Doch nicht nur die Akteur:innen und ihre Zusammensetzung können sich unterscheiden, auch die Energie-Ressourcen variieren. Wissenschaftler:innen kamen 2019 zu dem Ergebnis, dass bis dato Prosumer in Europa am häufigsten Solarenergie wählten. Doch Solarenergie ist nicht die einzige Möglichkeit.
Auch Windenergie können Prosumer erzeugen. Einzelpersonen, die den Bau und die Finanzierung einer Windkraftanlage stemmen können, sind zwar eher die Ausnahme. Eine solche Ausnahme sind Landwirt:innen. Sie haben oft einen großen Energiebedarf und gegebenenfalls das finanzielle Kapital für den Bau einer Windkraftanlage. In der Regel braucht es dafür jedoch eine Gruppe von Menschen, die für die Finanzierung zusammenlegen und sich gemeinsam den bürokratischen Hürden stellen. Denn die sind gerade bei Windenergie nicht unerheblich. Wer ein solches Projekt starten möchte, vernetzt sich deswegen am besten mit anderen Prosumern, die ihre Idee bereits erfolgreich in die Tat umgesetzt haben. Ein erfolgreiches Beispiel für eine Renewable Energy Community, die mit Windenergie begann, ist Ecopower in Belgien.
Neben Strom können Prosumer auch Wärme selbst erzeugen und durch Wärmepumpen oder Solarthermie zur Wärmewende beitragen. Bei vielen Prosumern stehen die mitunter recht großen Anlagen im Keller. Mehr dazu hier:
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Insbesondere Wärmepumpen sind im Frühjahr 2023 ein diskutiertes Thema in Deutschland. Denn die Ampel-Koalition hat sich auf einen Entwurf geeinigt, um das bestehende Gebäudeenergiegesetz zu ändern.
Prosumer zu sein hat Vorteile
Doch warum genau sind Prosumer so wichtig? Ihre Vorteile sind vielfältig – für sie selbst, sowie für die Gesellschaft und die Energiewende.
- Für die Energiewende und das Erreichen der Pariser Klimaziele müssen wir die erneuerbaren Energien (EE) in den kommenden Jahren schnell und massiv ausbauen, in Deutschland und in Europa. Hierbei können Prosumer eine ganz entscheidende Rolle spielen.
- Prosumer können auch die Energiesicherheit verbessern. Denn je mehr Energie ein Land selbst produziert, desto weniger abhängiger ist es von anderen Ländern.
- Zudem können Prosumer deutlich zur Akzeptanz von erneuerbaren Energien beitragen. Denn neuere Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass Bürger:innen EE-Projekte deutlich besser akzeptierten, wenn sie von Anfang an in die Prozesse mit eingebunden waren. So verstehen sie die Abläufe und das Abwägen verschiedener Interessen besser und haben ein Mitspracherecht.
- Prosumer demokratisieren zudem den Energiemarkt: Anstatt einiger weniger Energiefirmen kann es so in Zukunft viele kleinere und mittelgroße Kooperative und Akteur:innen auf dem Energiemarkt geben.
- Gleichzeitig wird die Energie billiger. Für Prosumer, die ihren eigenen Strom produzieren, wird der Strom bereits kurzfristig billiger. Und auch für die übrige Gesellschaft können sich die Energiepreise durch die Demokratisierung des Energiemarkts mittel- bis langfristig reduzieren.
- Zudem erfahren Bürger:innen als aktive Akteur:innen am Energiemarkt Empowerment (Autonomie, Selbstbestimmung). Sie entscheiden selbst, welches Modell für ihre eigene Situation am besten passt und sind aktiv an der Energieproduktion beteiligt.
- Gruppen von Menschen, die gemeinsam Erneuerbare Energie produzieren und konsumieren, können zudem das Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft stärken, argumentieren Wissenschaftler:innen.
- Gemeinschaften können außerdem einen großen Beitrag gegen Energiearmut leisten. Einige Gemeinschaften unterstützen beispielsweise besonders bedürftige Menschen ihrer Gemeinschaft, indem sie ihnen billigere Preise anbieten oder ihnen die Kosten sogar ganz erlassen. Alle anderen zahlen dann ein klein wenig mehr.
Potenzial für die Energiewende
In Europa sind bereits viele Einzelpersonen und Gemeinschaften zu Prosumern geworden. Doch ihr Potenzial ist noch deutlich größer.
Die niederländische Forschungs-Organisation CE Delft forscht zu dem Potenzial von Prosumern für die Energiewende in der EU. 2021 haben die Wissenschaftler:innen, finanziert durch EU-Gelder, ein Modell erstellt, mit dem sie das Potenzial von Prosumern für das Jahr 2050 kalkuliert haben.
- Nach dieser Kalkulation könnten 2050 bis zu 89 Prozent des Bedarfs an elektrischer Energie von Haushalten in Europa von eben diesen Haushalten selbst erzeugt werden.
- Der Bericht kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Prosumer 30 bis 70 Prozent des nationalen Elektrizitätsbedarfs produzieren könnten, je nach EU-Mitgliedsstaat. Solar- und Windenergie hätten das höchste Potenzial. Deutschland liegt bei 55 Prozent.
- Außerdem könnten Prosumer den gesamten Wärmebedarf von europäischen Haushalten im Jahr 2050 abdecken.
Von den technischen Voraussetzungen her sei es für jede:n EU-Bürger:in möglich, Prosumer zu werden, argumentierten Forscher:innen 2020 in einem Bericht. Auf vielen Gebäuden ließen sich beispielsweise Solaranlagen anbringen. Und auch Fassaden sollen zukünftig mehr genutzt werden, um Solar-Strom zu produzieren. Es sind sogar Photovoltaik-Fenster und Solaranlagen für die Fensterbank möglich.
Das Potenzial von Prosumern ist also enorm. Doch noch gestaltet es sich für EU-Bürger:innen mitunter schwierig, zu Prosumern zu werden. Es hakt an verschiedenen Stellen. Ob sich das Potenzial also auch realisieren lässt, hängt deswegen entscheidend von insbesondere drei Faktoren ab, argumentieren Expert:innen:
- einer klaren und Prosumer-freundlichen Gesetzgebung pro EU-Land sowie transparenten und möglichst einfachen bürokratischen Prozessen
- übersichtlichen, hilfreichen und praxisnahen Informationen für jedes EU-Land
- finanziellen Unterstützungen der Länder und der EU für die Prosumer
Die Organisation REScoop analysiert die rechtlichen und finanziellen Bedingungen in allen EU-Mitgliedstaaten für Energie-Kooperativen. Wie ihr Bericht zeigt, schneidet Deutschland überwiegend gut ab.
Andere Arten von Prosumern
Als Prosumer können, je nach Definition, auch Menschen gelten, die nicht nur Energie produzieren, sondern auch andere Energie-Dienstleitungen anbieten. Dazu zählt das Speichern von Energie, beispielsweise in Batterien oder Wärmespeichern. Auch die Batterien in E-Autos könnten künftig eine zentrale Rolle als Energie-Speicher spielen. Um Solarstrom zu speichern haben Prosumer bereits jetzt verschiedene Möglichkeiten.
Ein anderes Beispiel ist der flexible Umgang mit Energie. Das bedeutet, Energie dann zu nutzen, wenn es viel davon gibt. Also das E-Auto zu tanken und die Spül- und Waschmaschine dann anzustellen, wenn die Sonne scheint, zum Beispiel. Gerade bei erneuerbaren Energien ist der flexible Umgang wichtig, da das Wetter schwankt. Durch eine umsichtige Energienutzung können die Konsument:innen so dazu beitragen, „das ganze Stromsystem stabil zu halten und damit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten“, betont das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Auch Menschen, die in erneuerbare Energien investieren, können in einem weiteren Verständnis als Prosumer bezeichnet werden.
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