Anthroposophische Medizin sieht sich als Erweiterung der Schulmedizin und betrachtet den Menschen als Ganzes. In der Wissenschaft hat sie nach wie vor den Ruf der Esoterik, sie gewinnt aber zunehmend an Beliebtheit.
Was ist anthroposophische Medizin?
Rudolf Steiner, der Begründer der anthroposophischen Medizin, wollte mit seinem Medizinkonzept eine ganzheitlich arbeitende Behandlungsform entwickeln. Ihre Bedeutung leitet sich aus dem Griechischen ab – „anthropos“ bedeutet Mensch und „sophia“ bedeutet Weisheit.
Zum „ganzen“ Menschen gehören laut Steiner vier Säulen:
- Der Körper
- Die Seele bzw. der Astralleib
- Der Geist bzw. das Ich
- Das Lebendige
Neben dem materiellen System des Menschen, also das System der molekularbiologischen Zusammenhänge, sieht die anthroposophische Medizin auch ein immaterielles Dasein. Sie sagt, es gebe auch immaterielle Kräfte wie zum Beispiel das Bewusstsein, das vom Gehirn nicht erzeugt, sondern ermöglicht wird. Das schildert ein Artikel zur anthroposophischen Medizin in der Onkologie.
Die anthroposophische Medizin versteht sich daher nicht als Alternative zur Schulmedizin, sonder als Erweiterung. Sie erweitert die naturwissenschaftliche Betrachtung der Schulmedizin nämlich um den Fokus auf das lebendige, das geistige und das seelische Wesen des Menschen, oder anders gesagt: Die anthroposophische Medizin bemüht sich, den naturwissenschaftlichen Fokus um einen geisteswissenschaftlichen zu erweitern.
Zu den Behandlungsmethoden gehören neben Beratungsgesprächen und speziellen Arzneimitteln auch künstlerische Therapien, Bewegungstherapien und Massagetherapien.
Einzelne Anwendungen der anthroposophischen Medizin
Die anthroposophische Medizin zieht die Wechselwirkungen zwischen Seele oder Geist und Körper von Anfang an in Betracht. Krankheiten werden als Krisen verstanden, die ihren Ursprung auch in Seele oder Geist haben können und die zur individuellen Entwicklung beitragen können, so eine Aufsatz zur anthroposophischen Medizin in einer Serie von Alnatura (Teil 5).
Daher sind künstlerische Therapien ein zentraler Bestandteil von anthroposophischen Behandlungen. Dazu gehören plastisches Gestalten, Malen, Zeichnen, Musizieren oder auch die therapeutische Sprachgestaltung. Letztere geht davon aus, dass Sprache eine sehr ursprüngliche Kunstform darstellt und Ausdruck unserer Individualität ist, anstatt nur ein Kommunikations- und Informationsinstrument. Sprache besteht laut anthroposophischer Medizin aus drei Komponenten: Artikulation, Stimme und Sprechatem. Diese drei Elemente geben Aufschluss über das physische und psychische Wohlbefinden eines Menschen. Ganz grob gesagt: Wer zum Beispiel zu stark artikuliert, bei dem könnte das auf physischer Ebene ein Hinweis auf Asthma oder Herzerkrankungen sein, auf psychischer auf Verkrampfungen oder Ängste. Die Stimme vermittelt einen Eindruck der psychosomatischen Befindlichkeit. Mithilfe von sprachlichen Atemübungen kannst du in einer therapeutischen Sprachgestaltung Einfluss auf verschiedene Körperfunktionen nehmen. Das Thema interessiert dich näher? Hier findest du einen ausführlichen Artikel dazu.
Besonders durch die Waldorfpädagogik bekannt geworden ist die Heileurythmie. Sie ist eine Bewegungstherapie, die die verschiedenen Ebenen eines Menschen – Körper, Seele und Geist – wieder ins Gleichgewicht und Verbindung miteinander bringen sollen. Angewandt wird die Heileurythmie bei akuten, chronischen oder degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechselsystems oder des Bewegungsapparates, so der Berufsverband Heileurythmie.
Als Geheimtipp der anthroposophischen Medizin gelten Öldispersionsbäder: Dafür wird eine spezielle Apparatur benötigt, die das Wasser mit dem Öl vermischt. Sehr beliebt für diese Bäder ist Olivenöl als Basis. Dieses wird dann mit ätherischen Ölen angereichert. Ein Öldispersionsbad soll die Eigenwärme des Menschen anregen und kann bei Hautkrankheiten, Erkrankungen des Bewegungsapparates, Schmerzzuständen und Erschöpfung, Nervosität und Schlafproblemen, psychosomatischen Erkrankungen, Entwicklungsstörungen, Krebserkrankungen, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Stoffwechselstörungen angewendet werden.
Auch beliebt in der anthroposophischen Medizin sind rhythmische Massagen, die auf die Mitbegründerin der Anthroposophie Ita Wegmann zurückgehen. Der Berufsverband Rhythmische Massage bezeichnet diese Massageart auch als „Hilfe zur Stärkung der Selbstregulation“. Ziel der Massagetechnik ist es, verdichtete oder verfestigte Flüssigkeitsströme im Körper wieder in Bewegung zu bringen. Sie wirkt auf Blut, Lymphe und Atmung. Auch die Wärmezirkulation soll mit der rhythmischen Massage angeregt werden. Diese physische Stimulation wirkt dann wiederum auch auf die Psyche: Nach der Behandlung fühlt der Patient sich leichter, weniger passiv, gewinnt an Initiativkraft und Schmerz und Überspannungen lösen sich.
Anthroposophische Medizin in der Schulmedizin
In seinem Buch „Anthroposophische Medizin und Wissenschaft“ erklärt der Autor Peter Heusser, dass die anthroposophische Medizin wie keine andere medizinische Richtung konventionelle und anthroposophische Elemente integriert. Und das, obwohl sie eine der jüngsten komplementärmedizinischen Systeme ist.
Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten für anthroposophische Anwendungen als Ergänzung zu konventionellen. In der Wissenschaft genießt die anthroposophische Medizin bisher allerdings einen zweifelhaften Stellenwert und gilt als Pseudowissenschaft. Das Hauptproblem dahinter ist, dass die anthroposophische Medizin eine Esoterik beinhaltet, die wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist.
Dennoch erfreuen sich komplementäre Medizinrichtungen – nicht zuletzt wegen der steigenden Nachfrage in der Bevölkerung – immer größerer Beliebtheit und erhalten auch in der Wissenschaft zunehmend mehr Aufmerksamkeit, so Peter Heusser. Das gilt auch für die anthroposophische Medizin.
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