Babys und Kleinkinder lieben es, ganz nah bei Mama und Papa zu schlafen. Eltern sind sich jedoch häufig unsicher, ob das sogenannte „Co-Sleeping“ – wenn das Kind mit im Familienbett schläft – eine gute Idee oder vielleicht sogar gefährlich ist. Wir sind den Mythen ums Familienbett auf den Grund gegangen und sagen dir, wo du vorsichtig sein musst.
Ein Thema, das nach wie vor heftige und kontroverse Diskussionen auslöst: das Familienbett. Sollen Babys so früh wie möglich in ihrem eigenen Bett schlafen? Oder dürfen sie auch bei den Eltern im Bett nächtigen? Verwöhnen wir sie vielleicht zu sehr, wenn wir sie bei uns im Zimmer oder sogar im eigenen Bett schlafen lassen?
Viel Stress beim Thema Schlafen
Das Thema Babyschlaf ist ein sensibles und hoch-emotionales Thema. Wenn in der Krabbelgruppe oder am Sandkasten die Frage „Schläft Mia eigentlich inzwischen im eigenen Bettchen?“ gestellt wird, entspricht die Antwort häufig nicht ganz der Wahrheit.
Noch immer kursiert das Gerücht, dass Babys, die bei den Eltern schlafen, nicht selbstständig würden. Die Annahme dahinter: Kinder müssen erzogen werden und sollen rechtzeitig lernen, dass sie nicht immer bekommen, was sie wollen. Diese Vorstellung mag nach längst vergangenen Zeiten klingen, sie ist aber auch im Jahr 2023 noch gängige Meinung. Doch langsam aber sicher ändern sich die Gewohnheiten, das Schlafen im Familienbett – auch Bed-Sharing oder Co-Sleeping – genannt, wird von immer mehr Familien praktiziert.
Fakt ist: Das Thema Schlafen sorgt in vielen Familien für Stress. Bei kleinen Babys, bei Kleinkindern, nicht selten auch bei Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter. Das Familienbett könnte für manche Familien eine Lösung sein.
Es gibt keine Überdosis Nähe für Kinder
Kinderärzt:innen, Hebammen und Schlafwissenschaftler:innen sind nahezu einhellig der Meinung: Ein Zuviel an Nähe und Geborgenheit kann es gar nicht geben. Und wir als Eltern dürfen diese Nähe genießen – ohne die Angst, dass wir unsere Kinder verziehen oder diese später nicht selbstständig werden.
Die Stillberaterin Nora Imlau und der Kinderarzt Herbert Renz-Polster sind in ihrem Buch „Schlaf gut, Baby“ der Meinung: „Am besten schlafen wir, wo wir uns sicher und geborgen fühlen – das gilt für große und kleine Menschen gleichermaßen. Und weil wir Eltern für unsere Kinder die personifizierte Sicherheit und Geborgenheit sind, schlafen sie nirgendwo lieber als ganz nah bei uns.“
8 Vorteile des Familienbetts
Wenn du dir überlegst, dein Kind bei dir im Bett schlafen zu lassen, gibt es dafür viele gute Argumente:
1. Das Familienbett ist kein neuer Trend
Was heute als „neuer Trend“ bezeichnet wird, hat eine lange Tradition: Bis vor etwas 150 Jahren war es auch bei uns gang und gäbe, dass Eltern und Kinder in einem Bett schlafen. In den meisten Ländern teilen sich auch heute noch Groß und Klein ein Bett, nur in den westlichen Industrienationen gibt es den Luxus eines extra Baby- und Kinderzimmers. Und nur hier stellen sich Eltern die Frage nach dem Für und Wider des gemeinsamen Betts. Viele Familien, die das Familienbett praktizieren, machen die Erfahrung: Mit sanftem Körperkontakt und dem Duft von Mama und Papa in der Nase schlafen Babys und Kinder sicher und geborgen.
2. Offizielles „Go“ fürs Familienbett
Manch eine:n mag es beruhigen, wenn nicht nur Mediziner:innen und Pädagog:innen, sondern auch große Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Unicef das Co-Sleeping befürworten: Beide Organisationen sprechen sich seit vielen Jahren für das Familienbett aus. Gemeinsam haben sie etliche Studien ausgewertet, die es weltweit zum Thema gibt und sind zu dem Schluss gekommen: Das Schlafen im Familienbett erhöht das Risiko für den plötzlichen Kindstod (siehe unten) höchstwahrscheinlich nicht, sondern kann es sogar senken.
3. Das Familienbett ist praktisch fürs Stillen
Ein großer Vorteil, wenn Eltern und Kind im selben Bett schlafen: Wenn das Baby weint oder Hunger hat, sind Mama oder Papa direkt da und können trösten, füttern oder stillen. Niemand muss sich aus dem Bett quälen und extra aufstehen. Oft reichen die vertraute Wärme und Nähe, dass das Baby gleich wieder einschläft.
4. Nähe erleichtert Kommunikation
Wenn das Baby bei den Eltern schläft, bekommen die schneller mit, wenn das Baby unruhig wird und können es, quasi im Halbschlaf und ohne richtig wach zu werden, beruhigen und Bedürfnisse wie Nähe, Wärme oder Trost stillen. Wenn das Baby in seinem eigenen Zimmer schläft, hat es nur eine Möglichkeit, seine Eltern auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen: Weinen.
5. Besserer Schlaf für die ganze Familie
Nicht nur der Nachwuchs schläft besser, wenn er nicht alleine ist, erklären Nora Imlau und Herbert Renz-Polster in ihrem Buch. „Heute wissen wir, dass nicht nur kleine Kinder nachts aufwachen und sich versichern, nicht allein zu sein. Auch Mütter, die neben ihren Babys schlafen, wachen nachts regelmäßig kurz auf und überprüfen unbewusst, ob es ihrem Kind gut geht.“ Ohne richtig wach zu werden, schlafen sie nach dem kurzen Check beruhigt wieder ein.
Studien haben gezeigt, dass Säuglinge im Familienbett weniger schreien, das sorgt für einen ruhigeren Schlaf der Eltern.
6. Familienbettkinder sind selbstbewusste Kinder
Die Nähe zu den Eltern im Schlaf stärkt Babys und Kinder in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Beziehungsfähigkeit – das legt eine Studie der amerikanischen Kinderärztin James McKenna nahe.
7. Nähe unterstützt wichtige Körperfunktionen
Das Schlafen nah am Körper von Mama oder Papa „verhilft jungen Babys nicht nur zu einem stabileren Herzschlag und Atmungsrhythmus, sondern hilft ihnen auch ihre Wärme besser zu halten“, erklärt Kinderarzt Herbert Renz-Polster.
8. Mütter schützen ihre Babys im Bett
Ein immer wieder genanntes Argument gegen das Familienbett ist die Gefahr, dass die Eltern das Baby im Schlaf überrollen. Nora Imlau: „Videoaufnahmen vieler tausend Familien im gemeinsamen Bett haben außerdem gezeigt: Niemand muss Angst haben, sein Kind im Schlaf zu überrollen.“
Untersuchungen zeigen auch: Mütter schützen ihre Babys intuitiv durch unbewusste Berührungen im Schlaf vor Überhitzung und auch vor Atemstillständen in extremen Tiefschlafphasen. Beides sind Risikofaktoren für den von Eltern so gefürchteten plötzlichen Kindstod.
Familienbett und plötzlicher Kindstod
Bei der Diskussion ums Familienbett geht es häufig auch um das Risiko des plötzlichen Kindstods, der vor allem in den ersten Lebensmonaten auftreten kann. Beim plötzlichen Kindstod (Sudden Infant Death Syndrome, SIDS) sterben Kinder ohne erkennbare Ursache unerwartet und plötzlich. Ab dem Alter von ungefähr einem Jahr stellt der plötzliche Kindstod keine Gefahr mehr dar.
Familienbett mit Baby – sicher schlafen für alle
Zum Teil vermeiden Eltern das Familienbett, weil sie ihr Kind nicht in Gefahr bringen wollen. Grund für diese Angst ist eine Meta-Studie von Robert Carpenter aus dem Jahr 2013 mit der Aussage, das Elternbett würde das Risiko des plötzlichen Kindstods um das Dreifache erhöhen. Die Studienergebnisse wurden von Wissenschaftler:innen, Schlafforscher:innen und Mediziner:innen (zum Beispiel auch von dem Kinderarzt Herbert Renz-Polster) scharf kritisiert.
In Deutschland ist die Zahl der SIDS-Fälle in den vergangenen 30 Jahren stark gesunken: um ganze 93 Prozent, darauf weist die Stiftung Kindergesundheit hin. Im Jahr 2020 lag die Zahl bei 84 Babys. „Die radikale Wende ereignete sich ganz ohne neue Medikamente oder medizinischen Eingriffe – sie geschah allein durch die intensive Aufklärung der Familien über das richtige Verhalten und über die notwendigen Vorbeugemaßnahmen“, berichtet der Vorsitzende der Stiftung, Berthold Koletzko.
So schläft dein Kind sicher im Familienbett
Safety first – das gilt auch fürs Familienbett! Wenn du einige Hinweise beachtest, stellt das Familienbett keine übermäßige Gefahr dar.
Gut zu wissen: Diese Hinweise gelten vor allem für Babys in den ersten zwölf Lebensmonaten. Nur vereinzelt tritt der plötzliche Kindstod bei Kindern auf, die ein Jahr oder älter sind.
- Zusätzliche Kissen und Decken können gefährlich für Babys werden. Die Gefahr, dass das Baby unter Kissen oder Decken gerät und im schlimmsten Fall keine Luft mehr bekommt, ist zu groß. Das gilt nicht nur fürs Familienbett, sondern auch wenn das Baby im eigenen Bett schläft. Deshalb haben Dekokissen und große Kuscheltiere im Bett nichts verloren.
- Dein Kind sollte ohne Kissen und Decke im eigenen Schlafsack schlafen.
- Die Matratze sollte auf keinen Fall zu weich sein, ein Einsinken sollte vermieden werden. Wenn das Elternbett aus zwei Matratzen besteht, sollte es dazwischen keine Lücke geben. Am besten ist eine große durchgehende Matratze fürs Familienbett. Wasserbetten eignen sich nicht als Familienbett.
- Je größer das Bett ist, umso besser. Eine Breite von 1,80 Meter ist das Minimum, damit alle gut und erholsam schlafen.
- Babys sollten im ersten Lebensjahr immer auf dem Rücken schlafen.
- Wenn ihr als Eltern raucht, Alkohol getrunken oder Drogen konsumiert habt oder starke Medikamente einnehmt, sollte euer Kind nicht bei euch im Bett schlafen.
- Die ideale Temperatur fürs Schlafzimmer liegt bei 16 bis 18 Grad.
- Wenn ein größeres Geschwisterkind mit ihm Bett schläft, sollte es nicht direkt neben dem Baby liegen.
- Haustiere haben im Familienbett nichts verloren.
- Das Kind sollte so liegen, dass es nicht aus dem Bett fallen kann. Guten Schutz bieten Bettgitter, die an der Bettkante angebracht und später wieder entfernt werden können.
Viele Varianten des Familienbetts
Wenn das Baby dicht bei den Eltern, aber nicht im selben Bett schlafen soll, sind ein Baby-Balkon oder ein Beistellbettchen, das mit im Eltern-Schlafzimmer steht, eine gute Alternative.
Familienbett ist kein Muss!
Nicht für alle Familien ist das Familienbett die beste Lösung. Richtig ist, was sich für euch gut anfühlt. Das gilt natürlich genauso, wenn ihr euch entscheidet, dass euer Kind nicht bei euch im Bett, sondern in seinem eigenen Bettchen oder in einem eigenen Zimmer schläft.
Schlussendlich zählt nur eins: Alle sollen gut schlafen und am nächsten Morgen erholt aufwachen.
Und Angst, dass der Junior für immer im Elternbett schläft, muss keiner haben: Alle Kinder schlafen irgendwann lieber im eigenen Bett. Wichtig ist hier, die richtige Phase abzuwarten und den „Auszug“ sanft zu gestalten.
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