Menschen, die Land kultivieren, das ihnen nicht gehört – und das gilt auch für verwilderte, verlassene Grundstücke genauso wie für Verkehrsinseln und zugemüllte Parkstreifen – nennt man heute Guerilla-Gärtner. Ob aus der Not heraus, weil der Hunger sie treibt, oder aus der puren Lust heraus, seine Umgebung ein wenig schöner zu gestalten – die Geschichte des Guerilla Gardening von Grundstücken fängt schon im Mittelalter an.
Seit fünf Jahren ist der Londoner Richard Reynolds als Garten-Guerillero aktiv. Angefangen hat er mit nächtlichen Aktionen, in denen er sich um die verwahrlosten Blumenbeeten vor seinem Wohnhaus gekümmert hat. Heute ist der ehemalige Werber stolzer Besitzer eines Diploms der „Royal Horticultural Society“ und betreibt einen der bekanntesten Websites www.guerrillagardening.org zum Thema. Seine Erfahrungen und alles Wissenswerte zum Thema hat er jetzt als Buch herausgegeben: „Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest“. Wer schon einmal mit dem Gedanken an Guerilla Gardening gespielt hat, dem kann man es nur empfehlen. Es ist bei Orange-Press (www.orange-press.com) erschienen. Utopia hat daraus – mit freundlicher Genehmigung des Verlags – ein kleines ABC des Guerilla Gardening zusammengestellt.
Das ABC des Guerilla Gardening
Ausrüstung
„Ein einfacher Guerilla-Gärtner braucht kein Werkzeug – um Samen zu verstreuen, ist wirklich keine spezielle Ausrüstung nötig. Willst du jedoch sichergehen, dass die Saat auch aufgeht, lohnt es sich, die Erde vorher ein wenig zu lockern.“ (S. 109)
Begriff
„Der Begriff Guerilla Gardening wurde im Jahr 1973 geprägt und geht auf Liz Christy zurück, eine junge Künstlerin, die zu jener Zeit in New York City lebte.“ (S. 78)
Che
„(…) Guerilleros riskieren, in den Augen der Öffentlichkeit zu geradezu mythischen Charakteren zu mutieren. Die Geschichte von Che Guevara sollte uns eine Warnung sein. Sein Ansehen geht fast ausschließlich auf dieses zum Symbol gewordene Foto von Alberto Korda zurück. Mit seinen tatsächlichen Erfolgen als Guerillero hat sein Ruf wenig zu tun …“ (S. 171)
Dankesbezeugungen
„Freu dich über positive Reaktionen: das anerkennende Lächeln eines Passanten, das aufmunternde Hupen eines Autos und andere Dankesbezeugungen.“ (S. 242)
Erlaubnis
„Was kein Guerilla Gardening ist: Gärtnerische Aktivitäten für die man eine offizielle Erlaubnis hat, sind kein Guerilla Gardening.“ (S. 18)
Flugblätter
„Wenn du nicht willst, dass das Gartenbauamt die Lorbeeren für dein Engagement einheimst, wenn du weg bist, musst du selbst für Publicity sorgen. Das Verteilen von Flugblättern ist eine der einfachsten Methoden.“ (S. 158)
Gruppen
„In der weltweiten Guerilla-Gardening-Gemeinschaft lassen sich zwei Gruppen ausmachen: Die Ziergärtner und die Nutzgärtner. Die einen wollen verschönern, die anderen ernten.“ (S. 19)
Hundebesitzer
„Hunde sind in unseren Reihen durchaus gut zu gebrauchen. Bei einer Aktion in der Öffentlichkeit sorgt ein gut erzogener Hund für zusätzliche Sicherheit und oft auch für Gelegenheit, mit Passanten einen Plausch anzufangen.“ (S. 147)
Im Klaren sein
„Ästhetische Aufwertung bringt wirtschaftlichen Gewinn. (…) Manche Guerilla-Gärtner haben was gegen eine Verbindung von Guerilla Gardening und Kommerz. Über eines sollten sich aber alle im Klaren sein: Verschönerung führt nun einmal zu Wertsteigerungen, ob man will oder nicht. (…) Die New Yorker Guerilla Gärtner, die in den siebziger Jahren ihre heruntergekommenen Stadtviertel schöner machten, mussten erleben, wie dort aufgrund ihrer eigenen Arbeiten die Grundstückspreise in die Höhe schossen und die von ihnen begrünten Flächen plötzlich von den zuvor so desinteressierten Besitzern zurückgefordert wurden.“ (S. 37)
Journalisten
„Wenn dich ein Journalist anruft, beantworte seine Fragen so sachlich wie möglich. Tappe nicht in die Falle, indem du Medienstereotype bedienst, die bei Guerilla Gardening naheliegen“ (S. 169)
Kamikaze-Blumen
„Auf Straßen angelegte Gärten halten meist nicht sehr lang – sie sind als vorübergehende Provokation gedacht, und die hier eingesetzten Pflanzen sind so etwas wie Kamikaze-Blumen. Diejeningen, die Gärten wirklich lieben (wie ich), interessieren sich nicht so sehr für die Werbegags. Wir wollen, dass unseren Gärten ein langes Leben beschert ist.“ (S. 65)
Land (fehlendes)
„Wenn dir Land zum Gärtnern fehlt, denk immer daran, dass dir das Land fehlt, während andere mehr als genug besitzen. Es macht also Sinn, Gelände zu bewirtschaften, die anderen gehören. Aus Mangel an eigenem Land zum Guerilla-Gärtner zu werden, ist die natürlichste Sache der Welt. (…) Vergiss neben dem Mangel nicht die zweite wichtige Bedingung für Guerilla Gardening: Vernachlässigung. Such dir am besten ein Grundstück, das verwahrlost aussieht. Denn nur ein Grundstück, für das sich sonst niemand interessiert, verheißt dir langjährige Gartenfreuden ohne Ärger mit dem Besitzer.“ (S. 50)
Munition
„Guerilla Gardening ist eine Schlacht um die Ressourcen, ein Kampf gegen Landmangel, gegen ökologischen Raubbau und verpasste Möglichkeiten. (…) Guerilla Gardening ist eine Schlacht, in der die Blumen die Munition sind.“ (S. 12)
Nachbarschaftsgärten
„Viele gedeihende Nachbarschaftsgärten, die als Guerilla-Gärten angefangen haben, sind heute Mikrokosmen einer glücklicheren, geselligeren und nachhaltigeren Gesellschaft.“ (S. 260)
Öffentlichkeit
„Je mehr das Interessae an der Bewegung Guerilla Gardening in der Öffentlichkeit steigt, desto mehr Einladungen werden an uns herangetragen, die Botschaft von anderen zu promoten. Ich hatte Anfragen, als Guerilla Gärtner Schmelzkäse, Shampoo, Chips, Autos, Suppen und Wodka (zweimal) zu vermarkten.“ (S. 174)
Polizei
„Mit Polizei oder Sicherheitsdiensten gibt es selten Ärger, obwohl sie im Gegensatz zu Bauunternehmern auch abends auf Patrouille gehen. Wenn nicht offensichtlich ist, was du tust, erklär ihnen, dass du die Gegend sauber hälst und schöner machst.“ (S. 138)
Saatbomben
Samen zu verstreuen ist die einfachste Art des Guerilla-Gärtnerns. Es geht schnell, und man braucht keine Werkzeuge. (S. 108)
Tabu
„Kein Fleckchen Erde ist tabu für einen Guerilla Gärtner, in beinahe jeder Landschaft steckt Potenzial. (S. 123)
Umwelt
„Guerilla Gardening tut auch der Umwelt gut – mehr Pflanzen bedeuten mehr CO2-Absorption, mehr Artenvielfalt und ein gemäßigteres Klima.“ (S. 35)
Verwahrlost
„Straßenränder, Kreisverkehre und Mittelstreifen sind von strategischer Priorität. Fast immer sind sie verwahrlost, weil sie irgendwo im Dickicht der Verantwortungsbereiche aus dem Blickfeld geraten und sowieso zu nichts zu gebrauchen sind. Aufsehen sowie die Bewunderung der täglich vorbeikommenden Autofahrer sind dir sicher, wenn du hier schöne Pflanzen setzt.“ (S. 125)
Widerstandsfähige Bepflanzung
Dein Widerstand gegen Verwahrlosung kann nur fruchtbare Folgen haben, wenn du auch widerstandsfähige Pflanzen einsetzt. Sie müssen mit raueren Umweltbedingungen fertig werden als in wohlbehüteten Hausgärten. (S. 95)
Yu Chi Chan
„Mao Tse-tung und Che Guevara sind zwei der berühmtesten Guerilleros, und beide haben Bücher über das Thema geschrieben. In Yu Chi Chan (Über den Guerillakrieg) von 1937 beschreibt Mao detailliert seine Attachen auf die japanische Armee in China.“ (S. 13)
Zerstörerischer Aspekt
„Kriege und Gärten haben einiges gemeinsam. In beiden Fällen ringst du mit fremden Kräften. Du hinterlässt Spuren in der Landschaft und machst dir dabei die Finger schmutzig. Es gibt Gewinner und Verlierer. Kriegsführung und Gärtnerei haben jeweils einen schöpferischen und einen zerstörerischen Aspekt.“ (S. 19)
Text vom 20.03.2010
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