Lesen findet immer häufiger digital statt, E-Book-Reader sind inzwischen Mainstream. Doch wie sieht’s mit der Umweltbilanz aus? Wie öko sind E-Book-Reader? Utopia zeigt, wann elektronische Lektüre die Umwelt schont – und unter welchen Umständen du besser zum Buch greifst.
Das große Fest der Bücher, die Buchmesse 2020 in Frankfurt, findet dieses Jahr coronabedingt nur digital statt. So bedauerlich das ist – es passt zu unserem Leseverhalten, das dank E-Book-Reader, Tablet und dem Smartphone ebenfalls zunehmend digitaler wird. Jede:r vierte Mitbürger:in in Deutschland greift zum E-Book – immer mehr fragen sich dabei, ob die elektronischen Bücher unterm Strich umweltfreundlicher sind als die gedruckten aus Papier.
Digital vs. gedruckt – welche Buchform ist nachhaltiger?
Der Stromverbrauch ist beim E-Book-Reader kaum der Rede wert: Für einen Cent kannst du den Akku eines typischen E-Book-Readers etwa sechs Mal komplett laden. Damit lassen sich dann ungefähr 40.000 Seiten lesen, also mindestens 80 Bücher (wenn du Fantasy-Schinken magst). Das Kunststück funktioniert, weil E-Book-Lesegeräte mit einer ganz speziellen Bildschirmtechnologie arbeiten: Winzige Farbtropfen bewegen sich unter dem Einfluss elektrischer Spannung derart, dass entweder ein schwarzer Punkt zu sehen ist oder nicht.
Das Lesematerial fließt bei E-Book-Readern durch Datenleitungen direkt auf das Gerät, das E-Book ist mindestens 20 Prozent günstiger in der Anschaffung als ein herkömmliches Buch und braucht nach dem Konsum nicht recycelt zu werden.
Die Technik, „E-Ink“ genannt, eignet sich perfekt zur Anzeige von Text. Das Schriftbild ist ebenso kontrastreich wie bedrucktes Papier, es lässt sich auch am Strand noch hervorragend entziffern, und dank einer zusätzlichen Beleuchtung fühlt sich der Partner im gemeinsamen Schlafzimmer durch einen nächtlichen Lese-Marathon nicht gestört.
Das gute alte Buch mutet dagegen altmodisch an. Es raschelt beim Umblättern. Es leuchtet nicht von selbst, man braucht eine Nachttischlampe. Ein Lkw muss es von der Druckerei in den Buchladen transportieren (oder gleich zu dir nach Hause, wenn du zu den Onlineshopper:innen gehörst). Für das Papier von 80 Prozent aller Bücher müssen Bäume sterben, nur 20 Prozent entstehen durch Recycling.
Knifflig: Die Ökobilanz von E-Book-Readern
Doch wie so oft täuscht der erste Blick. Die Frage, ob E-Book oder das traditionelle Buch umweltfreundlicher sind, lässt sich nicht in einem Satz beantworten. Und nicht einmal die Master-Arbeit, die Ulrike Wilke im Studiengang Medienmanagement an der HTWK Leipzig vorgelegt hat (PDF), kommt zu einem eindeutigen Urteil.
Das Problem: Wer die Umweltfreundlichkeit eines Produktes beurteilen will, muss den kompletten Prozess betrachten, in dem es hergestellt und konsumiert wird. Für den ersten Teil sind dabei die Hersteller verantwortlich – für den zweiten jedoch die Nutzer:innen. Die gute Nachricht: Eben deshalb steht es auch in deiner ganz privaten Macht, die Ökobilanz deines Lieblingsmediums zu verbessern (siehe auch Tipps am Ende vom Text).
Grundsätzlich haben Buch und Elektronik etwas gemeinsam: Die größten Auswirkungen für die Umwelt entstehen bei der Produktion. Während die Papierherstellung Abholzung fördert und organische Kohlenstoffe ins Abwasser entlässt, müssen für E-Book-Reader und Tablets zunächst Mineralien gefördert werden – mit den bekannten Folgen wie Schwermetall-Freisetzung im Boden und Freisetzung von Giften bei der Herstellung.
Ulrike Wilke weist aber auch auf die ethischen und moralischen Probleme hin: die schwindende Biodiversität durch Wald-Monokulturen etwa oder Kahlschlag und Urwaldvernichtung auf der einen Seite – Kinderarbeit, Umweltverschmutzung, vorindustrielle Arbeitsbedingungen auf der anderen. Zusammen mit Energiebedarf, Wasserverbrauch sowie Treibhausgas- und Schadstoff-Emissionen führen diese Faktoren zu einem Ranking, in dem zunächst das Buch klar vor Tablet und E-Book-Reader abschneidet.
Wann E-Reader besser sind als das Buch
Zunächst, denn nun kommst du ins Spiel – als Leser:in. Vermutlich gehörst du nicht zu den Einzelbuch-Konsument:innen, sonst würdest du diesen Artikel nicht lesen. Aber vielleicht findest du dich ja unter den Gelegenheitsleser:innen wieder, die etwa zehn Bücher pro Jahr schaffen: In diesem Fall wäre das Tablet das zu bevorzugende Gerät. Das gilt allerdings nur, wenn du dich nicht aufs Lesen beschränkst, sondern damit auch andere Medien konsumierst. Ist das nicht der Fall, bleib lieber beim Buch, das hier nur wenig schlechter abschneidet.
Ganz anders sieht es bei Vielleser:innen aus. Bei 50 Büchern pro Jahr liegt der E-Book-Reader eindeutig an der Spitze. Die Herstellung von 50 Druckwerken verbraucht über zehn Mal mehr Ressourcen als die Produktion eines E-Book-Lesegeräts. Auch das Tablet kann hier nicht mehr mithalten, da seine Nutzung durch den höheren Energieverbrauch ökologisch teurer ist.
Welchen E-Reader kaufen?
Wer sich einen E-Book-Reder zulegen möchte, steht vor der Frage nach dem besten E-Reader-Modell. Technisch unterscheiden sich die Geräte der Hauptkonkurrenten Tolino (ein Zusammenschluss von Thalia, Weltbild, Hugendubel und anderen deutschen Buchhändlern) und Amazon kaum.
Die Modelle Tolino Shine 3 und Kindle Paperwhite spielen preislich in einer ähnlichen Liga (um 120 Euro). Amazons Paperwhite ist wassergeschützt und damit auch für die Badewanne geeignet und bietet eine gute Hörbuchunterstützung. Der Tolino Shine 3 hat ein blaulichtreduziertes Nachtlicht, das die Augen schont und für besseren Schlaf sorgen soll. In Bezug auf das Format der Bücher sind die Tolino E-Book-Reader flexibler.
Wichtiger als das Modell ist der Hersteller. Bei Amazon haben die Nutzer:innen weniger Freiheiten: Du kannst die E-Books nur bei Amazon kaufen und nicht weitergeben. Wer sich nicht mit Amazon anfreunden möchte oder kann, ist mit einem offenen System wie Tolino, Pocketbook oder Kobo besser beraten.
Das Tolino-Modell erhältst du bei allen Buchhändlern, die das Projekt unterstützen, darunter auch bessere Anbieter wie Ecobookstore. Amazons E-Book-Reader erhältst du nur bei den Elektronik-Discountern. Lies dazu auch den folgenden Ratgeber:
Leihbuch aus der Bücherei ist unschlagbar
Die geschilderten Szenarien sind allerdings aus Umweltsicht rückwärts gedacht – sie gehen vom Durchschnitt aus. Deine private Ökobilanz kannst du selbst am besten gestalten: Wer auf einem alten Drahtesel in die Stadtbibliothek strampelt, dort vorhandene Bücher ausleiht und nur bei natürlichem Licht schmökert, hinterlässt bei der Lektüre einen minimalen ökologischen Fußabdruck.
Tipps: So verbesserst du deine Lese-Ökobilanz
Buch aus Papier – so wird die Ökobilanz besser:
- mit dem Rad einkaufen
- öffentliche Leihbibliotheken nutzen
- bei Tageslicht lesen
- auf Ökostrom umstellen
- Bücher in der Stadt gebraucht kaufen
- halte im Buchladen Ausschau nach „Green Publishing“. Diese Bücher tragen das Umweltzeichen „Blauer Engel“.
- gelesene Bücher tauschen oder verschenken
E-Reader für E-Books: So wird die Ökobilanz besser:
- Gerät innerhalb der Familie teilen
- E-Reader im Laden kaufen
- möglichst selten einen neuen E-Reader oder gleich einen gebrauchten kaufen
- Gerät mit austauschbarem Akku kaufen
- defekte Geräte möglichst reparieren (Anleitungen auf iFixit),
- E-Ink-E-Reader statt Tablet-PC verwenden
- auf Ökostrom umstellen
- altes Gerät ordnungsgemäß entsorgen
- mehr lesen 😉
Mitarbeit: Benita Wintermantel
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