Fast jedes zweite Auto steht nur rum: Studie liefert Erklärung

Straße mit parkenden Autos auf beiden Seiten
Foto. CCo Public Domain / Pixabay - GLady

Das Auto steht öfter den ganzen Tag rum und die Wege zu Fuß nehmen zu – das sind zwei zentrale Erkenntnisse einer neuen großen Mobilitätsstudie. Die Studie zeigt, welche Verkehrsmittel Bürger:innen in Deutschland am häufigsten benutzen – und dass die Politik die Verkehrswende weiter ausbremst.

84 Minuten – so lang ist jeder von uns im Durchschnitt pro Tag unterwegs: am längsten freitags, am kürzesten sonntags, im Sommer öfter und im Winter weniger. Doch welche sind die meistgenutzten Verkehrsmittel in Deutschland und welche Veränderungen gibt es im Mobilitätsverhalten? Darum geht es in einer großen Mobilitätsstudie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums. Die zentralen Ergebnisse zeigen, dass sich unsere Mobilität in den vergangenen Jahren längst verändert hat – und dass die aktuelle Verkehrspolitik die Verkehrswende eher ausbremst als sie zu beschleunigen.

Mobilitätsstudie: Verkehrswende hat längst begonnen

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sagte, die Studie sei eine wichtige Entscheidungsgrundlage auf dem Weg in eine „attraktive Mobilität“ der Zukunft. Er betonte, die Bundesregierung wolle Mobilität in Stadt und Land „nach den Bedürfnissen“ der Menschen ermöglichen. 

Auto oder Fahrrad? Die Anteile der Verkehrsmittel im Vergleich

Einer der wichtigsten Kennwerte der Studie „Mobilität in Deutschland 2023“ (MiD) ist der „Modal Split„. Er drückt die prozentualen Anteile der Verkehrsmittel am gesamten Verkehrsaufkommen und damit an allen zurückgelegten Wegen aus. Auch wenn Verkehr durch Routinen geprägt sei, wie es in der Studie heißt: Es gibt Veränderungen. Der Autoverkehr bleibt zwar mit Abstand das zentrale Verkehrsmittel, der Anteil liegt bei 53 Prozent aller Wege. Das betrifft Fahrer:innen und Mitfahrende. Doch der Anteil sinkt im Vergleich zur MiD-Studie 2017 um vier Prozentpunkte. 

Der Anteil des Fahrrads liegt stabil bei bundesweit 11 Prozent – wobei davon inzwischen gut zwei Prozentpunkte auf das E-Bike entfallen. Der öffentliche Verkehr klettert auf 11 Prozent. Gewinner ist der Fußverkehr: Der Anteil ausschließlich zu Fuß zurückgelegter Wege wächst deutlich von 22 Prozent im Jahr 2017 auf 26 Prozent sechs Jahre später.

Bei den gefahrenen Kilometern ist der Anteil des Autoverkehrs mit 73 Prozent deutlich höher, weil vor allem längere Strecken mit dem Auto gefahren werden. Es folgt der öffentliche Verkehr – also vor allem Busse und Bahnen – mit einem knappen Fünftel, danach kommen das Fahrrad und reine Fußwege. 

Fazit: Die Bürger:innen gehen also häufiger zu Fuß und fahren länger mit dem Rad.

Paradox: Weniger Autofahrten, aber mehr Zweitwagen denn je

Der Anteil der Haushalte ohne Auto ist der Studie zufolge auf knapp unter ein Fünftel abgesunkenHaushalte mit mehreren Autos machen nun hingegen fast 30 Prozent der Haushalte aus. In Großstädten lebt ein deutlich größerer Anteil der Haushalte ohne Auto als in Kleinstädten und ländlichen Regionen. Aber: Fast die Hälfte der Autos wird an einem durchschnittlichen Tag nicht bewegt – 2008 blieb lediglich ein Drittel der Autos am Tag stehen. Auch die mittlere Fahrleistung ist auf etwa 26 Kilometer gesunken.

Die durchschnittliche Fahrzeit pro Fahrzeug pro Tag sinkt auf 42 Minuten. Die Parkzeiten zu Hause nahmen auf etwa 21 Stunden zu. Eine Erklärung dieser Entwicklung: der anhaltende Trend zum Homeoffice. Der Anteil des klassischen Berufsverkehrs mit Wegen von oder zur Arbeit geht laut Studie zurück.

Fazit: Private Autos werden weniger bewegt und stehen fast 21 Stunden am Tag zuhause herum.

Elektromobilität noch ohne große Klimaschutzwirkung

Bei der Nutzung von Elektroautos und anderen Autos gibt es laut Studie seit 2017 eine deutliche Angleichung. Laut Studie 2017 wurden Elektroautos überwiegend für kurze Strecken genutzt – ein Hinweis, dass Reichweitenbedenken vorherrschten.

Das hat sich geändert: Der Anteil für längere Strecken ab 30 Kilometern liege annähernd gleichauf mit den Weglängen, die mit Verbrennerfahrzeugen zurückgelegt werden. Nach wie vor seien aber nur etwa ein gutes Viertel der Elektroautos das einzige Auto eines Haushaltes. „Elektromobilität ist also weiterhin vor allem ein Phänomen von Haushalten mit mehreren Autos“, heißt es dazu in der Studie.

Fazit: E-Autos sind auf dem Vormarsch, spielen aber noch keine Schlüsselrolle für mehr Klimaschutz im Verkehr, da sie oft nur (wenig genutzte) Zweitwagen sind.

Deutschlandticket wirkt: Selbst auf dem Land nutzt es jede:r Zehnte

Der öffentliche Verkehr hat sich laut Studie dank des Deutschlandtickets im Nah- und Regionalverkehr von Einbrüchen in der Corona-Pandemie erholt. Das im Mai 2023 eingeführte bundesweit gültige Ticket im Nah- und Regionalverkehr hat das Tarifangebot stark vereinfacht und ist mit derzeit 58 Euro pro Monat günstiger als Abos zuvor. 16 Prozent verfügten zum Zeitraum der Erhebung der Studie zwischen Mai 2023 und Juni 2024 über ein Deutschlandticket. Ab Januar 2026 gibt es eine erneute Preiserhöhung und das Ticket kostet dann monatlich 63 Euro. Ab 2027 soll der Preis mit einem noch genau festzulegenden Index ermittelt werden.

Das Ticket ist beliebt vor allem in großen Städten mit einem gut ausgebauten ÖPNV. Die Studienautor:innen aber heben hervor, dass das Ticket auch im ländlichen Raum „nicht der oft erwartete Ladenhüter“ ist. Stattdessen entscheidet sich ein knappes Zehntel der Bevölkerung auch dort für das Angebot. Das Deutschlandticket wird auch nicht nur für den Weg zur Arbeit genutzt – fast ein Drittel der Fahrten sind Freizeitwege.

Bei der ÖPNV-Nutzung insgesamt gibt es aber laut Studie große Hindernisse. Für mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind keine oder schlechte Verbindungen ein Hindernis für die Nutzung – vor allem auf dem Land gibt es oft ein mangelhaftes Angebot.

Fazit: Das Deutschlandticket wirkt und wird gut angenommen – auch auf dem Land. Die Mängel in der Öffi-Infrastruktur kann es aber nicht kompensieren.

Fußverkehr wird zur Freizeitbeschäftigung

Eine der deutlichsten Entwicklungen der Alltagsmobilität in Deutschland seit 2017 sei die Zunahme des Fußverkehrs, heißt es in der Studie. Dabei gelte: Es gibt wenige Arbeits- und viele Freizeitwege. Warum gehen die Menschen mehr zu Fuß? Studienautor Robert Follmer vom infas Institut sprach von einem bunten Mix aus Gründen. So gebe es mehr Hunde, die ausgeführt werden. Außerdem sei das Gesundheitsbewusstsein gestiegen, viele Menschen zählten ihre Schritte. Es gab aber bereits bei der Studie 2008 einen hohen Fußgänger:innen-Anteil.

Roland Stimpel vom Fußgängerverband FUSS sagte: „Die Menschen in Deutschland gehen immer mehr, weil es gesund, einfach, kostengünstig und umweltfreundlich ist. Aber viele Menschen brauchen mehr Sicherheit und bessere Wege. Das muss der Bund viel stärker fördern.“

Darüber sprach Utopia.de zuletzt mit dem Fußverkehrsbeauftragten der Stadt Leipzig, der sich vor allem für schnelle und kostengünstige Fußverkehrsmaßnahmen ausspricht:

Die MiD-Studie basiert laut Bundesverkehrsministerium auf einer bundesweiten Befragung von Haushalten in mehr als 1.000 Städten und Gemeinden zu ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten. Zwischen Mai 2023 und Juni 2024 wurden über 218.000 Haushalte und rund 421.000 Personen befragt. Die Studie wurde bereits in den Jahren 2002, 2008 und 2017 erhoben.

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