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Feministische Außenpolitik: Was ist das eigentlich?

feministische außenpolitik
Foto: CC0 / Pixabay / tvjoern

Die 2023 amtierende Regierung hat sich zur feministischen Außenpolitik verpflichtet. In deren Zentrum stehen drei „R“: Rechte, Ressourcen und Repräsentanz. Was das konkret bedeutet, erfährst du hier.

Als erstes Land der Welt hat Schweden 2014 eine feministische Außenpolitik eingeführt. Doch die Idee dahinter geht bereits auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Im Kern handelt es sich um eine Strategie, die darauf abzielt, feministische Prinzipien in den außenpolitischen Entscheidungsprozess eines Staates zu integrieren. Das soll sicherstellen, dass die Perspektiven, Erfahrungen und Bedürfnisse von Frauen, aber auch von anderen marginalisierten Gruppen in der Außenpolitik Berücksichtigung finden.

Mit Annalena Baerbock hat nun auch Deutschland seit 2021 eine Außenministerin, die sich zu feministischer Außenpolitik bekennt und kürzlich eigene Richtlinien dafür vorgestellt hat.

Ursprung der feministischen Außenpolitik

Feministische Außenpolitik kommt nicht nur Frauen zugute.
Feministische Außenpolitik kommt nicht nur Frauen zugute. (Foto: CC0 / Pixabay / OpenRoadPR)

Die Entscheidungen bezüglich der Außen- und Sicherheitspolitik betreffen nicht nur alle Bürger:innen eines Landes, weil sie direkt ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden beeinflussen – sondern auch die Bürger:innen anderer Länder. Allerdings werden Frauen und andere exkludierte Gruppen auch bei Entscheidungen mit internationalen Auswirkungen oft nicht angemessen berücksichtigt. Sie haben nur begrenzte Möglichkeiten, sich politisch zu beteiligen, weil sie strukturell benachteiligt sind.

Ein Ansatz, der diese Missstände beheben will, ist die feministische Außenpolitik. Die ihr zugrunde liegenden Ideen entsprangen dem Ersten Internationalen Frauenkongress 1915 in Den Haag. Damals trafen sich Pazifistinnen aus 12 Ländern, um ein Ende des Ersten Weltkrieges, demokratische Rechte für alle Völker und für beide Geschlechter, Abrüstung und einen internationalen Gerichtshof zu fordern.

Was macht feministische Außenpolitik aus?

Das Ziel feministischer Außenpolitik ist ein „feministischer Frieden“.
Das Ziel feministischer Außenpolitik ist ein „feministischer Frieden“. (Foto: CC0 / Pixabay / sweetlouise)

Heute bekennen sich bereits mehrere Länder zu den Prinzipien der feministischen Außenpolitik: Dem Beispiel Schwedens folgten zum Beispiel Kanada und Mexiko. Doch nach welchen konkreten Prinzipien richten sie ihre außenpolitischen Entscheidungen aus?

Was feministische Außenpolitik bedeutet, ist nicht einheitlich definiert. Der Grund dafür: Auch der Feminismus an sich kann in unterschiedlichem Kontext und für unterschiedliche Akteur:innen eine andere Bedeutung haben.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) definiert feministische Außenpolitik als „eine menschenrechtsbasierte Friedenspolitik, die Geschlechtergerechtigkeit und die Überwindung internationaler Herrschafts- und Gewaltverhältnisse als eine Voraussetzung für Frieden versteht.“

Das Ziel sei ein „feministischer Frieden“, der nicht nur das Ende physischer Gewalt und Kriegshandlungen einschließt, sondern auch die Überwindung struktureller Gewalt, insbesondere im Hinblick auf Diskriminierung. Letzteres meint damit konkret die Abschaffung von Systemen und Strukturen, die bestimmte Gruppen benachteiligen. Solche Systeme und Strukturen gibt es überall auf der Welt. Sie äußern sich zum Beispiel darin, dass manche Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, Behinderung (Ableismus), Hautfarbe, Herkunft, Religion, ihres Alters (Ageism) und so weiter, einen schlechteren Zugang zu Bildung, Beschäftigungsmöglichkeiten oder Gesundheitsversorgung haben als andere Menschen.

Die feministische Außenpolitik ist daher machtkritisch: Sie strebt der bpb zufolge eine Transformation internationaler Herrschaftsverhältnisse an, „insbesondere militarisierter, patriarchaler, rassifizierter und neokolonialer Gewaltstrukturen“. So kommt die feministische Außenpolitik nicht nur Frauen zugute, sondern der gesamten Gesellschaft.

Feministische Außenpolitik in Deutschland

Die amtierende Ampelregierung hat sich im Koalitionsvertrag zu einer feministischen Außenpolitik verpflichtet. Im März 2023 legten das Bundesaußen- und das Entwicklungsministerium daher Leitlinien für die feministische Ausrichtung der Außenpolitik Deutschlands vor. Laut Außenministerin Annalena Baerbock stehen diese Leitlinien im Zeichen von „drei R“: Rechte, Repräsentanz, Ressourcen. Demnach fordert die feministische Außenpolitik weltweit Frauenrechte zu stärken, finanzielle Mittel für entsprechende Maßnahmen und Initiativen bereitzustellen sowie die Repräsentanz von Frauen in Entscheidungspositionen und Verhandlungen zu erhöhen.

Wie wichtig die Einbindung von Frauen in Friedensverhandlungen ist, zeigt etwa eine Studie der Vereinten Nationen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Friedensverträge häufiger geschlossen werden, wenn Frauen an den Verhandlungen beteiligt sind. Auch steigt dann die Wahrscheinlichkeit, dass der Friedensvertrag länger als 15 Jahre hält.

Konkret könnte die feministische Außenpolitik zum Beispiel in Bezug auf Ressourcen so aussehen, dass humanitäre Hilfe in Krisengebieten gezielter angepasst wird. Laut Baerbock würde man sich den Bedarf der Betroffenen genauer anschauen und dadurch individuellere Hilfe leisten können: Wenn viele Babys darunter sind, werden Windeln geliefert. Wenn viele Ältere darunter sind, kümmert man sich um ihre Mobilität. Wenn viele Frauen darunter sind, stellt man ihnen Monatshygieneprodukte zur Verfügung.

Für Baerbock sind dies keine Banalitäten, sondern essentielles „Mainstreaming“ – also das konstante und bewusste Mitdenken der Lage von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen in jeder Situation.

Wie diese neuen Leitlinien die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik genau verändern werden, ist jedoch noch nicht ganz klar. Es handelt sich schließlich nicht um ein Gesetz mit konkreten Zielvorgaben.

Gibt es Kritik an feministischer Außenpolitik?

Wie praxistauglich ist feministische Außenpolitik?
Wie praxistauglich ist feministische Außenpolitik? (Foto: CC0 / Pixabay / fotshot)

Die Außenministerin spricht es in ihrer Rede zur Vorstellung der Leitlinien selbst an: Feministischer Außenpolitik wird oft vorgeworfen, missionarisch, naiv oder eine „reine Werteangelegenheit“ zu sein.

Insbesondere zweifeln Kritiker:innen laut Deutschlandfunk die Praxistauglichkeit feministischer Außenpolitik vor dem Hintergrund des russischen Einmarsches in die Ukraine an. Denn: Wenn die feministische Außenpolitik die globale Abrüstung fordert, wie soll sie dann auf einen Angriffskrieg reagieren, wenn nicht mit Waffenlieferung zur Unterstützung der Ukraine? Auch Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, wo Frauen- und Menschenrechte missachtet werden, lässt dem ZDF zufolge Kritiker:innen zu dem Schluss kommen, dass die Außenpolitik ihrem feministischen Anspruch nicht gerecht werden kann.

Feministischer Außenpolitik wird laut Deutschlandfunk und ZDF außerdem vorgeworfen, zu zögerlich zu sein, insbesondere angesichts der Proteste von Frauen im Iran. Es hätte an „einer umgehenden und unmissverständlichen Positionierung an der Seite der protestierenden Frauen“ gemangelt, so Unions-Außenexperte Jürgen Hardt (CDU) gegenüber dem ZDF.

Weiterhin fordern einige Seiten mehr Intersektionalität in der feministischen Außenpolitik, das heißt, eine stärkere Berücksichtigung von Personen, die mehrfach diskriminiert werden – zum Beispiel schwarze oder homosexuelle Frauen.

Andererseits begrüßen Hilfsorganisationen die feministische Ausrichtung der deutschen Außenpolitik. So erklärt Dagmar Pruin, Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, gegenüber dem ZDF: „Aus unserer weltweiten Arbeit wissen wir, dass Hilfsprojekte dann besonders erfolgreich sind, wenn sie aus der Perspektive von Frauen gestaltet sind und Frauen in den Blick nehmen.“

Verteidiger:innen des feministischen Ansatzes verweisen zudem darauf, dass dessen hundertprozentige Umsetzung utopisch sei, wie Deutschlandfunk schreibt. Trotzdem habe er Gültigkeit als normativer Ansatz und Ziel.

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