Die Preise steigen, doch das Gehalt wächst nicht in gleichem Maße. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, nach mehr Lohn zu fragen. Doch Vorsicht: Die Energiekrise und höhere Ausgaben sind kein Argument, wie uns eine Expertin verrät.
Wer möchte nicht etwas mehr Geld verdienen? Vor allem, wenn man das Gefühl hat, ohnehin nicht angemessen für seine Arbeit entlohnt zu werden. Angesichts der steigenden Energiepreise, der wachsenden Lebensmittelkosten und möglicher Mieterhöhungen wird aktuell oft spürbar, dass sich alles, nur eines nicht erhöht: das Gehalt.
Trotzdem sind steigende Lebenshaltungskosten kein Argument, um eine Gehaltserhöhung zu fordern. Diesen Zahn zieht uns die Expertin für Gehaltsverhandlungen, Claudia Kimich, sofort. Dafür hat sie wertvolle Tipps, wie du dennoch mehr bei deinem Gehalt rausholen kannst.
- Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung?
- Die richtige Vorbereitung auf die Gehaltsverhandlung
- Gehaltserhöhung: Was du vermeiden solltest
- Gehaltsverhandlung: Darauf ist rhetorisch zu achten
- Konsequent sein
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung?
Für den richtigen Zeitpunkt der Gehaltsverhandlung gibt es nur eine Regel: Es gibt ihn nicht. Claudia Kimich vergleicht es mit dem richtigen Zeitpunkt fürs Kinderkriegen, da gäbe es schließlich auch keinen.
Entscheidend ist laut Expertin, dass man gerade etwas geleistet, ein Projekt besonders erfolgreich abgeschlossen oder einen Meilenstein erreicht hat. Kurzum: Man kann einen aktuellen Erfolg vorweisen.
In vielen Unternehmen sei es aber so, dass Personalgespräche (gepaart mit Gehaltsverhandlungen) einmal im Jahr zur etwa gleichen Zeit stattfinden. Das Datum für die Gespräche geben in diesem Fall die Personalabteilungen und Führungskräfte vor. Kimich beobachtet aber einen Trend zur Entkopplung; also dass Mitarbeiter:innengespräche und Gehaltsgespräche zunehmend voneinander getrennt werden und in separaten Terminen stattfinden.
Gehaltserhöhung: Eigenverantwortung ist geboten
Die Teilung in Personalgespräch und Gehaltsgespräch ist der Expertin zufolge nur eine weitere Hürde zur Gehaltserhöhung, denn nicht selten trauen sich Mitarbeiter:innen nicht, proaktiv um ein Gespräch zu bitten. Schlimmstenfalls fällt das Thema komplett unter den Tisch, zumal Firmen in der Regel kein Interesse daran haben, ohne externen Anlass die Gehälter zu erhöhen. Wichtiger als der Zeitpunkt ist für Kimich deshalb, am Ball zu bleiben und das Gehaltsgespräch dennoch einzufordern.
Expert:innen-Tipp: Ein Faktor, der dein Gespräch (unerwartet) positiv beeinflussen kann, ist das Wetter. Je schöner, desto besser die Chancen auf ein erfolgreiches Gespräch, weiß die Expertin. Deshalb empfiehlt sie, wenn möglich die Gehaltsverhandlung an warmen Sommertagen, zum Beispiel im Mai, stattfinden zu lassen. Dann sei die Stimmung bei den Beteiligten meist schon wetterbedingt besser.
Richtige Vorbereitung auf die Gehaltsverhandlung
Die richtige Vorbereitung auf das Gespräch ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Verhandlung. Claudia Kimich empfiehlt dafür folgende Dinge, die du vor dem Termin mit deiner Chefin oder deinem Chef tun sollst.
1. Setze dir konkrete finanzielle Ziele für die Gehaltsverhandlung
Definiere vor der Gehaltsverhandlung, welche finanziellen Grenzen du dir setzen möchtest. Ab welcher Summe ist die Gehaltserhöhung für dich angemessen, mit welcher Summe wärst du nicht zufrieden. Fange am besten mit dem Minimalziel an, bei dem deine Schmerzgrenze erreicht ist. Claudia Kimich definiert die Grenze wie folgt: „Unter dieser Grenze suche ich einen anderen Job.“
Als zweites Ziel überlege dir dein „Okay-Ziel„. Mit welcher Summe wärst du im Rahmen der Gehaltserhöhung zufrieden. Und zuletzt, mit welcher Summe bist du über alle Maßen zufrieden? Kimich nennt dieses Maximalziel das „Yabbadabbadoo-Ziel„, bei dem man am liebsten groß feiern möchte. Dieses solltest du dir als anzustrebende Summe notieren und dabei ruhig „hoch gehen“, ermuntert die Expertin.
Wenn du dich entschieden hast, mit welchem Betrag du in die Verhandlung gehen willst, dann nenne die Summe „gerade heraus“ und rede nicht um den heißen Brei oder nenne eine Spanne. Nennst du zum Beispiel eine Spanne von 50.000 Euro bis 60.000 Euro, dann wird deutlich, dass deine Schmerzgrenze bei 50.000 Euro liegt – und du bekommst wahrscheinlich nur 49.000 Euro, so die Expertin. Sie empfiehlt, dass du eine Summe nennst, die zwischen deinem Okay-Ziel und dem Maximalziel liegt. „Es ist übrigens ein gutes Indiz, ob die Zahl angemessen ist, wenn Sie etwas sofort bekommen, dann war mehr drin. Dann bitte nachverhandeln“, so Kimich.
Hinweis: Hast du zum Beispiel beim Einstieg in einen neuen Job verpasst, die angemessene Summe zu verlangen, kannst du auch sechs Wochen vor Ende der Probezeit nochmal auf deine Führungskraft zugehen und um ein Gespräch bitten sowie dein Gehalt nachverhandeln. Aber auch sonst kann im Rahmen der Entwicklungsgespräche jährlich das Thema Gehalt neu verhandelt werden.
2. Kenne deinen Wert
Was zunächst wenig loyal klingt, kann der Expertin zufolge eine große Hilfe sein: Bewirb dich bei anderen Firmen und teste schon mal vor dem Verhandlungsgespräch mit deinem:r Vorgesetzten deinen Marktwert. Wie viel Geld bekämst du bei einer anderen Firma für die gleiche Arbeit, die du aktuell machst.
Kimich rät hierbei ausdrücklich dazu, aus der eigenen Komfortzone herauszugehen und sich auch in Städten zu bewerben, die nicht auf der eigenen Wunschliste stehen. Oder aber, wesentlich mehr zu verlangen, als man es beim aktuellen Arbeitgeber täte. Das soll zeigen, was andere bereit sind, zu zahlen. „Wenn ich da das Doppelte kriege, dann weiß ich eben auch, dass es geht“, so Kimich.
Hinweis: Wenn dir der potenzielle neue Job letztlich mehr zusagt oder das höhere Gehalt dich lockt, kann es auch ein guter Zeitpunkt sein, zu einer neuen Firma wechseln. Für diejenigen ohne ernste Absichten zu wechseln, ist es zumindest ein guter Realitätscheck, um zu sehen, wie viel mehr Gehalt möglich wäre. Oft ist die Spanne viel größer als man denkt.
3. Kenne dein Gegenüber
Wie in jedem Gespräch solltest du dich auch bei der Gehaltsverhandlung auf dein Gegenüber einstellen. Vor allem solltest du dir aber vorher Gedanken darüber machen, welcher Typ Mensch deine Führungskraft ist. Handelt es sich eher um den Zahlen-Daten-Fakten-Typ, um einen Paradiesvogel oder einen Beziehungsmenschen. Kimich unterscheidet hier zwischen vier verschiedenen Typen:
Strategische Gewinnmaximierer:innen
Menschen wie diese zeichnen sich durch Sachlichkeit aus. „Darüber hinaus sind sie meist überdurchschnittlich gut informiert und lassen sich nicht gerne verschaukeln“, so Kimich.
Tipp: Punkten kannst du bei Gewinnmaximierer:innen mit messbaren Zahlen, Daten, Fakten und mit Logik. Hier solltest du mit der realistischsten Forderung in die Verhandlung gehen und nicht gleich hoch pokern. Außerdem sind sie sehr berechenbar, was die Verhandlung für dich begünstigen kann.
Dominante Powerpakete
Bei Menschen mit diesen Eigenschaften handelt es sich um harte Verhandlungspartner, die stets überlegen sind oder zumindest sein wollen. Hier ist gute Vorbereitung besonders wichtig, aber auch, „zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Argument am richtigen Ort“ zu sein, weiß die Expertin Kimich.
Tipp: Hier solltest du mit einer hohen Forderung starten und dich nicht gleich zu Beginn „klein machen“. Du solltest außerdem dein Ziel klar vor Augen haben und es so präsentieren, dass dein Gegenüber den eigenen Nutzen erkennen kann. Vor allem aber solltest du eines sein: Mutig und bestimmt.
Mitreißende Entertainer:innen
Diese Menschen spielen gerne die Hauptrolle, möchten charmant umgarnt und unterhalten werden. Entscheidend für ein gutes Gespräch ist bei den Entertainer:innen nicht zuletzt deren Stimmung und Wohlbefinden.
Tipp: Am besten einen Zeitpunkt nutzen, wenn es einen Erfolg zu feiern gibt, vor allem wenn du dazu beigetragen hast. Die Bühne musst du dir in diesem Fall aber mit der:dem Chef:in teilen.
Loyale Unterstützer:innen
Diese Menschen „legen größten Wert aufs Persönliche und sind positiv wie negativ extrem nachtragend.“
Tipp: Die Expertin empfiehlt hier, sich selbst treu zu sein und das gegenüber auf gleicher Ebene zu akzeptieren sowie aktiv zuzuhören. Dafür kannst du dir Treue und Unterstützung (für deine Gehaltserhöhung) erhoffen, so Kimich.
Vielleicht erkennst du auch deine Führungskraft unter den vier Typen. Meist handelt es sich bei Chef:innen (wie bei allen Menschen) aber um komplexe Persönlichkeiten mit vielen verschiedenen Charaktereigenschaften. Dein:e Vorgesetzte:r wird voraussichtlich auch eher eine Mischung aus zwei oder mehreren der genannten Typen sein. Im Umgang mit allen Gesprächspartner:innen rät die Verhandlungsexpertin zu aktivem Zuhören, auch abseits von Gehaltsverhandlungen.
4. Schreib dir eine Liste
Der wichtigste Punkt für die Vorbereitung auf die Gehaltsverhandlung ist, dass du dir Klarheit verschaffst über deine Argumentationsbasis. Nämlich über das, was du kannst, was du geleistet hast und wie dein:e Chef:in und die Firma davon profitieren. Claudia Kimich empfiehlt, eine Liste zu erstellen, die Folgende drei Spalten beinhaltet:
- Meine Fähigkeiten: Was kann ich? Welche beruflichen Qualifikationen und anderen Fähigkeiten habe ich, die ich im Job positiv einsetzen kann?
- Mein Erfolgsanteil: Was habe ich konkret zu einem bestimmten Erfolg beigetragen, zum Beispiel zum Abschluss eines Projekts, zu einer Teamaufgabe, zu Zahlen-Zielen etc.?
- Entstandener Nutzen: Was ist der Nutzen, der der Firma durch meine Leistung entstanden ist? Was hat das Unternehmen konkret von meiner erbrachten Leistung (z.B. anhand bestimmter Erfolge)?
Ein Beispiel dafür könnte sein, dass du Wissen zu Prozessmanagement hast und dadurch Prozesse optimieren konntest, was wiederum eine Zeitersparnis bei 30 Techniker:innen je ca. eine Stunde pro Tag bedeutet. Hier könntest du sogar ausrechnen, was dies in Euro bedeutet, wenn du ganz konkret werden willst. Aber das ist nicht zwingend nötig, außer vielleicht in der Gehaltsverhandlung mit „Gewinnmaximierer:innen“.
Wichtiger ist, dass du für dich erkennst, welche Fähigkeiten du hast, wie du diese in die Firma einbringst und wie andere bzw. das Unternehmen davon profitieren. Das ist deine Argumentationsbasis und gibt dir Sicherheit für die Gehaltsverhandlung.
Übrigens: Trotz aller Vorbereitungen und aller Wichtigkeit der Gehaltserhöhung, muss du nicht zu ernst an die Sache herangehen. Zwar sind beide Seiten oft angespannt in einer Gehaltsverhandlung, aber man kann die Situation bewusst auflockern, indem man zum Beispiel einen Witz macht. „Letztlich ist es auch nur eine Verhandlung“, so Kimich.
Gehaltserhöhung: Was du vermeiden solltest!
Bei der Gehaltsverhandlung gibt es Fallstricke, die es zu vermeiden gilt, wenn am Ende eine deutliche Verbesserung deines Gehalts erreicht werden soll. Die gröbsten Fehler lauten (vor allem aktuell):
Du hast die falschen Argumente
Derzeit wird Claudia Kimich oft gefragt, ob Inflation und Preiserhöhungen gute Argumente für eine Gehaltserhöhung sind. Die klare Antwort lautet: Nein. Denn für die Anpassung deines Gehalts ist deine Leistung entscheidend. Zumindest ist deine Leistung und das, was du für dein Unternehmen und dein Team positiv bewirkt hast, die Argumentationsgrundlage. Alles andere zählt nicht, mahnt die Expertin.
Mit höheren Kosten zu argumentieren solltest du deshalb vermeiden. Stattdessen halte lieber deine Liste mit deinen Fähigkeiten, deinen Erfolgen und dem entstandenen Nutzen für die Firma bereit.
Mangelnde Vorbereitung auf die Gehaltsverhandlung
Wie bei allem gilt auch hier: Üben, üben, üben. Abgesehen von der Vorbereitung mittels Liste und Reflexion, solltest du dir die Zeit nehmen, dich gedanklich auf verschiedene Szenarien einzustellen. Tust du das nicht, kann deine Gehaltsverhandlung scheitern. Ist deine Führungskraft zum Beispiel bekannt dafür, abzublocken oder Killerphrasen zu dreschen, wenn es um mehr Gehalt geht, solltest du dir Reaktionen darauf zurechtlegen. Auch Schlagfertigkeit kann man lernen, meint die Expertin.
Gut ist diese Übung aber auch für deine eigene Sicherheit und die Entschlossenheit, die du dadurch ausstrahlst. Entgegnet dein Boss etwa ein „Jetzt ist nicht die Zeitpunkt dafür“, könntest du mit einem „Ja, der richtige Zeitpunkt dafür wäre eigentlich vor zwei Jahren gewesen“, so Kimich. Wichtig dabei ist, dass du dich damit wohl fühlst und dass die Kommunikation deinem Gegenüber angemessen und respektvoll ist. Auch hier gilt: Der Ton macht die Musik.
(Zu früh) aufgeben
Ein Grundsatz bei Gehaltsverhandlungen lautet gemäß Kimich: „Nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung.“ Sollte das Gespräch nicht so gelaufen sein, wie du es dir vorgestellt hast, dann solltest du dich davon nicht entmutigen lassen. Es werden sich weitere Möglichkeiten ergeben, um eine Gehaltserhöhung anzusprechen, spätestens beim nächsten Personalgespräch.
Das Wesentliche aus dem Blick verlieren
Aufregung hin oder her, was du nicht vergessen solltest sind diese drei Glaubenssätze, die unsere Expertin für zentral hält:
- Ich bin okay, wie ich bin.
- Ich weiß, was ich kann.
- Ich stehe zu meinem Wert.
Gehaltsverhandlung: Was ist rhetorisch zu beachten?
Auch sprachlich kannst du in der Gehaltsverhandlung einiges beachten, um deiner Gehaltserhöhung ein Stück näher zu kommen.
- Vermeide den Konjunktiv: Sag nicht „ich würde/hätte/könnte …“
- Formuliere positiv: „Ich möchte, dass …“ statt „Ich möchte nicht, dass …“. Und auch nicht „ich möchte nicht schlecht bezahlt werden“, sondern „Ich möchte gut bezahlt werden.“
- Verwende aktive Formulierungen: „Ich erwarte eine Erhöhung von …“ oder „Meine Leistungen sind ….“.
- Verwende keine Blockade-Sätze: Sag nicht Sätze wie „Es gibt ein Problem.“ oder „Wir haben ein Problem.“
Zu guter Letzt: konsequent sein
Doch was macht man, wenn die Gehaltsverhandlungen (mehrmals) scheitern? Ab einer gewissen Anzahl von Neins, sollte man akzeptieren, dass es zu keiner Einigung kommen wird, erklärt die Expertin. Hier kann helfen, wenn man sich im Vorfeld ohnehin schon nach anderen Jobs umgesehen und vielleicht interessante Angebote erhalten hat.
Ein Wechsel ist keine Seltenheit und auch 40 Prozent ihrer eigenen Klient:innen wechseln sogar den Job, weil sie woanders bessere Aussichten haben und dies im Zuge der Gehaltverhandlungen erkannten, so Kimich. Merkt man also, dass man im alten Job nicht bekommt, was man für angemessen hält, empfiehlt die Expertin, konsequent zu sein und zu gehen, sofern es die Umstände erlauben und man veränderungswillig ist. Einzige Ausnahme: Es handelt sich – abgesehen vom Gehalt – um den absoluten Traumjob.
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