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Glutamat – Wie ungesund ist es wirklich?

Glutamat
Foto: © jelena990 / fotolia.com

Glutamat wird für viele Beschwerden, Krankheiten und Symptome verantwortlich gemacht. Weil chinesisches Essen gerne mit Glutamat gewürzt wird, hat sich auch der Begriff „Chinarestaurant-Syndrom“ eingebürgert, wenn es um diese Unverträglichkeiten geht.

Rund um den Lebensmittelzusatz ranken sich viele Halbwahrheiten und Mythen. Utopia klärt die wichtigsten Fragen.

1. Was ist Glutamat?

Es ist ein weißes Pulver, welches Salz sehr ähnelt. Und tatsächlich handelt es sich um Salze der L-Glutaminsäure. Das am meisten verwendete dieser Salze ist das Mononatriumglutamat, das mit E621 gekennzeichnet auf der Zutatenliste von Lebensmitteln erscheint.

Außer dem Mononatriumglutamat gibt es noch das Calciumdiglutamat (E 623), Monokaliumglutamat (E 622), Magnesiumdiglutamat (E 625) und Monoammoniumglutamat (E 624). Korrekt müsste man also von „Glutamaten“ sprechen, da es nicht nur eines gibt und auch mehrere zum Einsatz kommen können. In Japan spricht man übrigens von „Ajinomoto“. Das war ursprünglich nur der Name eines Glutamatproduktes, wird heute aber wie „Tempo“ oder „Maggi“ als Gattungsname verwendet.

Lies hier welche E-Nummern, du vermeiden solltest.

Der Geschmacksverstärker Glutamat wird in Japan als "Ajinomoto" verkauft.
Seit 1908 verkauft die japanische Firma Ajinomoto den gleichnamigen Geschmacksverstärker, das „Maggi“ der Japaner. (Foto: © Ajinomoto Group)

2. Ist Glutamat ein Chemieprodukt?

Der Lebensmittelzusatz hat zwar den Ruf von „gefährlichen Chemie“, dennoch sind Glutamate bzw. deren Säuren ganz natürliche Produkte. Auch der menschliche Körper produziert diese Stoffe, und in vielen Lebensmitteln, etwa Käse, Hefe und Tomaten, sind sie vorhanden. Die Glutaminsäure, der Grundstoff für Glutamat, ist eine Aminosäure, also ein ganz natürlicher „Baustein“ von Eiweiß.

Allerdings ist die Herstellung des Geschmacksverstärkers alles andere als natürlich und der Einsatz von Gentechnik ist möglich.

3. Was ist das Chinarestaurant-Syndrom?

Seit etwa 45 Jahren berichten Menschen über Beschwerden nach dem Besuch von Chinarestaurants oder dem Genuss chinesischer Speisen. Die Symptome werden beschrieben als Herzklopfen, juckender Hautausschlag, Kopfschmerzen, juckender Hals, Kribbeln oder Taubheitsgefühl in Mund und Rachen, Mundtrockenheit, Übelkeit, Nacken- und Gliedersteifheit und mehr.

In mehreren wissenschaftlichen Studien konnte bisher jedoch kein Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Glutamat und den beschriebenen Symptomen beobachtet werden. Die Forscher konnten in vielen Fällen sogar den „Nocebo-Effekt“ nachweisen. Personen, die sich für Glutamat-empfindlich hielten, zeigten die Symptome auch dann, wenn sie nur glaubten, mit dem Zusatzstoff angereicherte Speisen zu verzehren. Man geht davon aus, dass die Symptome von anderen Zutaten der Speisen herrühren, zum Beispiel von Garnelen, Erdnüssen oder Fischsaucen.

4. Ist Glutamat verboten?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält den Verzehr von Glutamat in üblichen Mengen für ungefährlich. Das gilt auch für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE, das Bundesamt für Risikobewertung BfR, die Gesundheitsbehörden der USA, den wissenschaftlichen Ausschuss der EU für Lebensmittel SCF und andere Organisatoren. Deshalb wurde noch nicht einmal eine Tageshöchstdosis festgelegt. Dennoch wird der Geschmacksverstärker seit langem kritisch betrachtet und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit will den Zusatzstoff bis Ende des Jahres 2016 neu bewerten. Die Verbraucherzentralen raten von einem häufigen Verzehr ab. 

Glutamat muss in Deutschland auf den Lebensmitteln ausgewiesen werden und ist in Babynahrung und Bio-Lebensmitteln verboten. Es gibt Vorschriften, wie viel davon einem Lebensmittel zugesetzt werden darf. Diese Werte liegen aber weit auseinander: Würzmittel wie Fondor dürfen bis zu 50 Prozent von dem Gewürzverstärker enthalten, Fleischkonserven nur 1 Prozent.

5. Macht Glutamat Blähungen und Durchfall?

Selbst bei den Symptomen des „Chinarestaurant-Syndroms“ gehören weder Blähungen noch Durchfall zu den Symptomen, von denen Betroffene berichten. Wer nach dem Genuss von Speisen, die mit Geschmacksverstärker gewürzt wurden, solche Verdauungsbeschwerden beobachtet, muss den Schuldigen woanders suchen. Am Glutamat liegt es sicherlich nicht.

Glutamat
Glutamat wird fälschlicherweise für das Chinarestaurant-Syndrom verantwortlich gemacht. (Foto: © Nipapun / Pixabay)

6. Verursacht Glutamat Übergewicht und Bluthochdruck?

Der Lebensmittelzusatz wird für vieles verantwortlich gemacht, und so wundert es nicht, dass auch Übergewicht und Bluthochdruck darauf zurückzuführen sein sollen. Allerdings konnte bisher keine Studie wirklich nachweisen, dass der Zusatzstoff alleine für Übergewicht und daraus resultierenden Bluthochdruck verantwortlich ist.

Richtig ist jedoch, dass Übergewichtige meist einen hohen Anteil ihres Nahrungsbedarfes mit industriellen Lebensmitteln, Fertiggerichten, Würzmischungen und sonstigen, glutamathaltigen Esswaren decken. Die Ursache für Übergewicht liegt meist in der Wahl und Menge der Lebensmittel bedingt, nicht am Zusatzstoff selbst.

7. Wirkt Glutamat appetitanregend?

Speisen, die Glutamat enthalten, sprechen unseren fünften Geschmackssinn an, der Umami genannt wird. Der Begriff kommt aus dem Japanischen und kann mit „wohlschmeckend“ übersetzt werden. Umami ist ein herzhafter, vollmundig-würziger Geschmack, von dem manche nicht wirklich gut die Finger lassen können.

So wie es „Süß-Junkies“ gibt, spricht auch die Geschmacksrichtung Umami manche Menschen sehr an. Wer sich dazu zählt, greift bei glutamathaltigen Speisen gerne öfter zu als nötig. Und das unabhängig davon, ob der Stoff dem Essen zugesetzt wurde oder schon natürlich enthalten ist.

8. Führt Glutamat zur Herzrasen oder Herzrhythmusstörungen?

Menschen, die vom „Chinarestaurant-Syndrom“ betroffen sind, berichten manchmal über Herzrasen oder Herzrhythmusstörungen. Beim beschriebenen Syndrom ist jedoch nicht wissenschaftlich erwiesen, dass die Symptome auf Glutamate zurückzuführen sind. Daher geht man davon aus, dass solche Herzbeschwerden mit anderen Ursachen, Allergenen oder Begleitumständen zusammenhängen.

9. Was hat Glutamat mit Gluten zu tun?

Ganz einfach: nichts! Es ist anzunehmen, dass gleichlautende Anfangsbuchstaben zur fälschlichen Annahme führen, dass glutenfreie Lebensmittel auch frei von Glutamaten seien.

Gluten ist ein Klebereiweiß, das in vielen Getreidesorten wie zum Beispiel Weizen und Dinkel vorkommt und von gesunden Menschen problemlos vertragen wird. Einzig Menschen, die an einer Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) leiden, müssen auf Gluten verzichten, dürfen aber wie alle gesunden Menschen auch Glutamate verzehren.

Wenn du mehr über Gluten wissen möchtest, lies den Beitrag Was haben eigentlich plötzlich alle mit Gluten?

Glutamat
Sojasauce und Fischsauce enthalten natürliche Glutamate (aber oft auch noch Zusätze). (Foto: © Mi-bird)

10. Bekommt man von Glutamat Hautausschlag?

Spricht man von Allergien und Unverträglichkeiten, denken viele Menschen recht schnell an juckenden Hautausschlag. So wundert es nicht, dass auch Glutamat dafür verantwortlich sein soll. Tatsächlich wird Hautausschlag auch beim Chinarestaurant-Syndrom als Symptom genannt. Er ist aber, wie auch andere Symptome und Begleiterscheinungen, nach heutiger wissenschaftlicher Studienlage nicht auf den Geschmacksverstärker zurückzuführen. Meist steckt eine Allergie oder Reaktion auf eine andere Zutat dahinter.

11. Löst Glutamat Kopfschmerzen und Migräne aus?

Migränepatienten wird oft empfohlen, auf Glutamat zu verzichten, um sicherzugehen, dass von solchen Speisen keine Migräneattacke ausgelöst wird. Die Auslöser für Migräne sind vielfältig und bis heute noch nicht komplett erforscht. Jeder Patient kennt andere Auslöser für Migräne und so wundert es nicht, dass auch der Lebensmittelzusatz unter Verdacht steht. Sollte dies der Fall sein, müsste dieselbe Reaktion auch auftreten, nachdem Lebensmittel mit natürlich hohem Gehalt an Glutaminen verzehrt wurden. Meist ist aber nicht der Zusatzstoff selbst für die Migräne verantwortlich, sondern Zeitpunkt und Art des Verzehrs der damit gewürzten Speisen.

12. Führt Glutamat zu Parkinson und Alzheimer?

Es wurde festgestellt, dass Störungen im körpereigenen Glutamat-Stoffwechsel die Entstehung von Parkinson, Alzheimer und anderen degenerativen Erkrankungen begünstigen kann. Dabei geht es aber um den Glutamat-Stoffwechsel, der völlig unabhängig von dem von außen zugeführtem Zusatzstoff ist. Eine Aufnahme von glutamathaltigen Speisen hat darauf nur einen sehr geringen Einfluss.

13. Begünstigt Glutamat Krebs?

In Versuchen wurde gezeigt, dass ein erhöhter Spiegel von Glutamat im Blutserum die Entstehung von Prostatakrebs begünstigen kann. Nicht geklärt wurde bisher, wie viel von dem Stoff dazu über die Ernährung aufgenommen werden muss. Ebenso wenig ist klar, ob exogene Faktoren wie die Nahrung überhaupt dauerhaft kritisch hohe Blutserumspiegel verursachen können.

Wahrscheinlich ist, dass solch schädliche Konzentrationen durch eine Störung des Glutamat-Stoffwechsels selbst und nicht durch die Ernährung hervorgerufen werden.

Gemüse und Salat der Saison statt Glutamat
Reifes Gemüse der Saison schmeckt von sich aus aromatisch, da braucht man keine Geschmacksverstärker. (Foto: © condesign / Pixabay)

14. Ist Glutamat dasselbe wie Hefeextrakt?

Der Geschmacksverstärker Glutamat wird gerne mit Hefeextrakt gleichgesetzt. Es ist richtig, dass in Hefeextrakt neben vielen anderen Aminosäuren auch die Aminosäure Mononatriumglutamat enthalten ist. Hefeextrakt enthält den Stoff jedoch natürlich wie auch Parmesan oder Sojasauce.

Hefeextrakt schmeckt ebenfalls würzig, also „umami“ und ist insbesondere in Bio-Lebensmitteln ein beliebtes Würzmittel. Hefeextrakt wird zwar nicht als Zusatzstoff eingestuft, dennoch wird er zugesetzt um den Geschmack zu beeinflussen. Man kann sich an dieser Stelle durch den Hinweis „ohne Geschmacksverstärker“ also durchaus getäuscht fühlen.

Utopia empfiehlt

Wenn man genauer hinsieht, erweisen sich also einige der Glutamat nachgesagten ungesunden Auswirkungen als falsch oder wissenschaftlich nicht belegt. Der Auslöser für das China-Restaurant-Syndrom ist vermutlich ein anderer Stoff, abschließend geklärt ist das alles nicht.

Doch unabhängig von der Frage nach der Gesundheit sollte uns klar sein: Die Lebensmittelindustrie täuscht mit Glutamat über den faden Geschmack und die minderwertige Qualität von Lebensmitteln hinweg. Darum empfiehlt Utopia generell, so wenig Fertiggerichte, Fix Produkte“ und andere Industrielebensmittel wie möglich zu konsumieren.

Auch in Restaurants und Imbissen kann man ruhig mal nachzufragen, ob dort Saucen oder ähnliches mit Geschmacksverstärken verwendet werden. Wenn es doch unbedingt ein Fertiggericht sein soll, dann greife besser zu Bio-Ware, denn dort ist Glutamat als Zusatzstoff sowieso verboten.

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