Frei von Glutamat, ohne Geschmacksverstärker – damit werben Lebensmittelhersteller gerne. Doch ist Glutamat tatsächlich so ungesund, wie viele behaupten?
Glutamat ist in den vergangenen Jahren stark kritisiert worden: Kopfschmerzen, Herzrasen und das China-Restaurant-Syndrom galten als gefährliche Nebenwirkungen des Geschmacksverstärkers. Zwar gilt Glutamat weiterhin nicht als gesund – aber Angst vor dem Geschmacksverstärker müssen wir trotzdem nicht haben.
In diesem Artikel:
- Was ist Glutamat?
- Welche Lebensmittel enthalten Glutamat?
- Wie schmeckt Glutamat?
- Ist Glutamat ungesund?
- Hat Glutamat gute Seiten?
- Ist Hefeextrakt das Gleiche?
- Fazit
Was ist Glutamat?
Glutamat ist eigentlich die Sammelbezeichnung für L-Glutaminsäure und ihre Salze. Diese Salze sind das, was wir umgangssprachlich als den Geschmacksverstärker Glutamat kennen. Als E-Nummern 620 – 625 sind Glutaminsäure und mehrere Glutamatsalze als Lebensmittelzusatzstoff in der EU zugelassen.
Am häufigsten wird das Salz Mononatriumglutamat als Geschmacksverstärker eingesetzt. Es gibt aber auch andere Kombinationen mit Calcium (E 623 -Calciumdigutamat) oder Magnesium (E 625 – Magnesiumglutamat) anstelle von Natrium.
Glutamat ist nicht nur eine Gruppe von Zusatzstoffen, sondern als Aminosäure auch als Baustein von Proteinen ganz natürlich in Lebensmitteln enthalten. Und der menschliche Körper kann es sogar selbst herstellen – etwa 50 Gramm am Tag. Man unterscheidet folgendermaßen:
- Das vom Körper hergestellte endogene Glutamat erfüllt wichtige Funktionen für die Entwicklung des Nervensystems und liefert dem Darm Energie.
- Exogenes Glutamat nehmen wir über die Nahrung auf: Es kann natürlich in Lebensmitteln enthalten sein oder als industriell hergestellter Geschmacksverstärker zugesetzt worden sein.
Welche Lebensmittel enthalten Glutamat?
Viele Lebensmittel enthalten Glutamat: Man muss dabei die natürlich enthaltene Aminosäure Glutaminsäure und den geschmacksverstärkenden Zusatzstoff Mononatriumglutamat unterscheiden.
Glutamat als Geschmacksverstärker
Mononatriumglutamat (engl. Monosodium Glutamate, kurz MSG) ist ein weißes Pulver, das in Lebensmitteln mit bis zu zehn Gramm pro Kilogramm eingesetzt werden darf, um diese herzhafter schmecken zu lassen. Der Zusatzstoff wird aus pflanzlichen oder tierischen Eiweißbausteinen mithilfe von bakterieller Fermentation gewonnen. Häufig wird der Geschmacksverstärker in hochverarbeiteten Lebensmitteln, Fast Food, Fertiggerichten, Suppen, Soßen, Würzmitteln wie Gemüsebrühe und asiatischen (Fertig-)Gerichten eingesetzt.
Natürliches Glutamat in Lebensmitteln
Ganz natürlich ist Glutaminsäure in sehr vielen – insbesondere proteinreichen – Lebensmitteln enthalten. Man unterscheidet das natürliche Glutamat in an Protein gebundenes und freies Glutamat: Das gebundene Glutamat wird erst während des Verdauungsprozesses im Körper freigesetzt, deshalb sorgt besonders das freie Glutamat für einen intensiveren Geschmack.
Lebensmittel, die natürliche Glutaminsäure enthalten sind:
- getrockneten Tomaten
- Erbsen
- Pilze
- lange gereifter Käse (z.B. Parmesan)
- Fleisch
- Räucherschinken
- Fisch (Sardellen)
- Sojasoße
- Soja
- Algen
Wie schmeckt Glutamat?
Das spannende ist: Glutamat hat für sich genommen gar keinen Geschmack. Es kann aber das herzhafte Aroma eines Gerichts verstärken. Der Geschmack, der dann wahrgenommen wird, nennt sich „umami“: Neben süß, salzig, bitter und sauer ist umami die fünfte Geschmacksrichtung, die wir wahnehmen können. Der Begriff kommt aus dem Japanischen und lässt sich mit „köstlich“ oder „herzhaft“ übersetzen.
Ist Glutamat ungesund?
Der Geschmacksverstärker ist sehr umstritten: In der Vergangenheit wurde er immer wieder mit diversen gesundheitlichen Risiken in Verbindung gebracht.
Das „China-Restaurant-Syndrom“
Das sogenannte China-Restaurant-Syndrom ist ein Phänomen, von dem ein amerikanischer Arzt Ende der Sechzigerjahre berichtete: Nach dem Besuch im China-Restaurant quälten ihn ein trockener Mund, Kribbeln, Taubheit und Kratzen im Hals, Hitzewallungen, Herzklopfen, Kopf- und Gliederschmerzen und Übelkeit. Der Arzt beschrieb seine Erfahrung in einem Leserbrief an das New England Journal of Medicine. Um eine wissenschaftliche Studie handelte es sich dabei nicht und es gibt Stimmen, die diese Geschichte sogar in Verbindung mit antiasiatischem Rassismus zu Zeiten des Kalten Krieges bringen.
Heute ist das China-Restaurant-Syndrom wissenschaftlich widerlegt. Das BfR etwa hat in einer Stellungnahme von 2003 die Ergebnisse aus verschiedenen Untersuchungen zusammengetragen. Demnach konnten „umfangreiche Untersuchungen englischer, italienischer und amerikanischer Autor:innen die Existenz einer China-Restaurant-Erkrankung oder von gehäuft nach Glutamat-Verzehr auftretenden Missempfindungen nicht bestätigen„. Dennoch kann es zu Nebenwirkungen durch den Geschmacksverstärker kommen.
Glutamat: EFSA-Bewertung von 2017
Im Jahr 2017 bewertete die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Sicherheit von Glutamat umfassend und leitete eine akzeptable tägliche Aufnahmemenge – den ADI – von 30 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht und Tag für die Zusatzstoffe E 620 – 625 ab. Das bedeutet, ein 75 Kilogramm schwerer Mensch sollte nicht mehr als rund 2,25 Gramm pro Tag von dem Geschmacksverstärker aufnehmen. Laut einem Artikel in Ernährung im Fokus aus dem Jahr 2016 nehmen wir durchschnittlich nur etwa 0,3 bis 0,5 Gramm pro Tag von dem Geschmacksverstärker auf.
Wenn allerdings über längere Zeit der ADI überschritten wird, können unerwünschte Folgen auftreten: Teilweise wurde von gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie ein brennendes Gefühl im Nacken, Brustschmerzen, Übelkeit, Herzklopfen und Schwäche berichtet. Sehr hohe Aufnahmemengen wurden mit Kopfschmerzen (> 85,8 mg/kg), Insulinanstieg (> 143 mg/kg) und erhöhtem Blutdruck (> 150 mg/kg) in Verbindung gebracht.
Einschätzung des BfR 2023
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nahm 2023 Stellung zu der EFSA-Bewertung und weist darauf hin, dass der ADI-Wert überschritten werden kann, wenn man große Mengen von Lebensmitteln, die den Geschmacksverstärker enthalten und zusätzlich Lebensmittel, die natürlich Glutamaminsäure enthalten, verzehrt. Dennoch rät das BfR nicht vom Verzehr – im Rahmen der akzeptablen Menge – ab. Allerdings spricht sich die Behörde dagegen aus, den Geschmacksverstärker als Ersatz für Salz zu verwenden. Wie bei so vielem – man denke an Zucker oder Salz – gilt also auch hier: Die Dosis macht das Gift.
👉 Demnach spricht der aktuelle Forschungsstand dafür, dass der gelegentliche Verzehr vom Geschmacksverstärker Glutamat unbedenklich ist. Bei höheren Mengen kann es jedoch zu Nebenwirkungen kommen.
Tipp: Wer Glutamat meiden möchte, sollte in der Zutatenliste von Lebensmitteln nachlesen, ob der Geschmacksverstärker als Zusatzstoff ausgewiesen wird.
Hat der Geschmacksverstärker auch gute Seiten?
In bestimmten Fällen kann Glutamat möglicherweise positive Auswirkungen haben. So berichtet Quarks, dass es für manche Menschen empfehlenswert sein kann, Gerichte mit dem Geschmacksverstärker zu essen: Bei älteren Menschen, die an Appetitlosigkeit leiden, könnte eine glutamatreiche Brühe die Geschmacksrezeptoren wieder in Gang bringen und insgesamt den Appetit steigern.
Zudem kann die Verwendung von Glutamat dazu führen, dass weniger Salz zum Würzen notwendig ist und so Menschen, die weniger Salz essen sollten, bei einer salzarmen Ernährung unterstützen.
Ist Hefeextrakt das Gleiche wie Glutamat?
Anstelle von Glutamat verwenden viele Hersteller inzwischen Hefeextrakt. Hefeextrakt ist ein pastenartiges Eiweißkonzentrat, das aus Hefe gewonnen wird und einen starken würzigen Geschmack hat. Es enthält neben etwa fünf bis zwölf Prozent Glutaminsäure auch viele weitere Aminosäuren und ist relativ reich an B-Vitaminen und einigen Mineralstoffen.
Im Gegensatz zu Glutamat zählt Hefeextrakt lebensmittelrechtlich nicht zu den Lebensmittelzusatzstoffen und muss deshalb gesetzlich auch nicht als Geschmacksverstärker gekennzeichnet werden. Hefeextrakt ist also nicht das Gleiche wie Glutamat, er enthält jedoch Glutaminsäure und wird wegen seiner geschmacksverstärkenden Wirkung anstelle des Geschmacksverstärkers verwendet.
Utopia empfiehlt: Keine Angst vor Glutamat – und Fertiggerichte trotzdem meiden
Bei Glutamat muss man zwischen der natürlich in Lebensmitteln enthaltenen Aminosäure und dem zugesetzten Geschmacksverstärker unterscheiden: In beiden Fällen sorgt Glutamat für eine geschmacksverstärkende Wirkung und hat dadurch durchaus seine Berechtigung.
Grundsätzlich muss man keine Angst vor Glutamat haben: Mit einer normalen Ernährung überschreitet man die maximal empfohlene Verzehrmenge in der Regel nicht. Nur wenn man viel und häufig Produkte isst, die den Geschmacksverstärker enthalten, kann der Wert überschritten werden und es können Nebenwirkungen auftreten.
Allerdings ist es sowieso keine gute Idee, sich häufig von hochverarbeiteten Lebensmitteln zu ernähren. Denn das führt Studien zufolge zu einem höheren Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch Magen-Darm-Erkrankungen, Demenz, Depressionen und Krebserkrankungen werden damit in Verbindung gebracht. Gesünder – und zudem oft günstiger und nachhaltiger – ist es, mit vielen unterschiedlichen frischen Lebensmitteln selbst zu kochen und das umami-Geschmackerlebnis auf natürliche Weise zu kreieren.
Tipp: Bei unseren Rezepten findest du eine Auswahl an Rezepten mit Umami-Geschmack.
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