Der Klimawandel könnte auf die Fließgeschwindigkeit des Golfstroms Einfluss nehmen, was schwerwiegende Folgen für das globale Klima hätte. Hier erfährst du, was den Golfstrom so wichtig macht und wieso sein Gleichgewicht gefährdet ist.
Europa hat Probleme mit der Heizung. Allerdings geht es dabei nicht um Gaslieferungen aus Russland, sondern um das Wasser aus den Tropen: Der Klimawandel könnte Einfluss auf den Golfstrom haben – quasi eine riesige ozeanische Fernheizung für Europa. Die wird nämlich schwächer, was Sorgen und Ängste hervorruft, bis hin zu der Frage, ob es zu einer neuen Eiszeit in Europa kommen könnte.
Der Golfstrom sorgt in Europa für mildes Klima und bringt Wärme bis zu den britischen Inseln und vor die Küste Norwegens. Dabei bewegt er gewaltige Wassermassen, genauer gesagt dreißigmal mehr Wasser als alle Flüsse der Welt zusammen. Er beginnt am Golf von Mexiko und wird in Richtung Europa zum Nordatlantikstrom.
In den letzten Jahrzehnten haben Forscher:innen eine Abschwächung in der Zirkulation des Golfstroms beobachtet. Allerdings wird das Phänomen erst seit knapp zwanzig Jahren genauer untersucht. Sollte die negative Entwicklung voranschreiten, würde das gewaltige Folgen für empfindliche Ökosysteme wie den Tropen bedeuten – aber auch in Europa wäre die Veränderung spürbar.
Wie reguliert der Golfstrom das Klima in Europa?
Einem Förderband ähnlich bewegt der Golfstrom warmes Wasser vom Golf von Mexiko in Richtung Europa. Die Bewegung wird durch Winde angetrieben. Auf dem Weg Richtung Norden geht der Golfstrom in den Nordatlantikstrom über.
Der Nordatlantikstrom wird durch Dichteunterschiede der Wassermassen angetrieben. Das warme Wasser aus dem Süden fließt an der Oberfläche und verdampft zum Teil, was es kälter und salziger werden lässt. In der Labradorsee (zwischen der kanadischen Halbinsel Labrador im Südwesten und Grönland im Nordosten) sinkt das kühle Wasser in die Tiefe, denn je kühler und salziger Wasser ist, desto schwerer wird es. Durch eine Tiefenströmung wird es dann Richtung Süden zurücktransportiert.
Dieses Phänomen, auch thermohaline Zirkulation genannt, sorgt in Nordeuropa für ein vergleichsweise milderes Klima als in Regionen gleicher geografischen Breite, zum Beispiel Kanada. Wobei auch in dem nördlichen Land der Klimawandel Einzug gehalten hat: Rekordhitze in Kanada: Die Klimakrise ist da.
Wie wirkt sich ein abgeschwächter Golfstrom auf das Klima aus?
Nun beobachtet die Wissenschaft eine Abschwächung des Golfstroms und vermutet den menschengemachten Klimawandel als Ursache. Als Gründe führen einige Wissenschaftler:innen neben der global steigenden Temperatur das Schmelzen des Eispanzers und der Permafrostböden rund um Grönland und erhöhte Niederschläge in der Region an. Durch die Abschmelze und den Regen gelangen große Mengen von Süßwasser in das salzige Meerwasser. Das Wasser verdünnt sich und mit dem sinkenden Salzgehalt sinkt auch dessen Gewicht und Dichte. Leichtes Wasser sinkt allerdings nur schwer ab. Das verringert den Antrieb der thermohalinen Zirkulation und lässt weniger warmes Wasser in den Norden fließen. Als Ergebnis kühlt der Nordatlantik ab.
Eine Abschwächung mag zunächst weder dramatisch noch weitreichend klingen. Tatsächlich lassen sich die Folgen schwer abschätzen, was an der enormen Masse und Reichweite des Systems liegt. Die veränderten ökologischen Prozesse würden aber von den Subtropen bis zur Arktis reichen.
Dies sind einige mögliche Szenarien für weitreichende Folgen, sollte der Golfstrom weiter abschwächen:
- Ein schwacher Golfstrom würde zusätzlich zum weltweit steigendem Meeresspiegel für regionale Spitzen sorgen. Laut mancher Studien würde vor allem an der Ostküste der USA der Spiegel drastisch steigen.
- Extreme Wetterphänomene wie Winterstürme, Hurricanes und Hitzewellen könnten in Europa auftreten.
- Die Meere würden weniger CO2 aufnehmen, wenn weniger Oberflächenwasser im Nordatlantik in die Tiefe gesogen wird.
- Die Abschwächung hätte Einfluss auf die marinen Ökosysteme des Atlantiks. Die Wasserumwälzungen sorgen für reichlich Nahrung (unter anderem Plankton). Fischbestände könnten zurückgehen oder ausbleiben.
Forscher:innen sind sich uneinig
Während manche Forscher:innen den Golfstrom vor einem gefährlichen Kipppunkt für das weltweite Klima sehen, schätzen andere den Einfluss der Strömung als weniger bedeutend ein als bisher angenommen. Ließe man laut Forschern wie dem Kieler Meeresbiologen Mojib Latif in Klimamodellen den Golfstrom komplett ausfallen, ergäbe sich für Deutschland eine Temperaturveränderung von lediglich minus ein bis zwei Grad im Jahresmittel. Selbst wenn der Strom bis zum Ende dieses Jahrhundert abschwächen sollte, „zeigen alle Modelle, dass die globale Erwärmung auf jeden Fall diesen Abkühlungseffekt mehr als wettmachen würde“, so Latif. „Dann hätten wir in Deutschland immer noch eine massive Erwärmung.“
Auch gibt es in der Wissenschaft eine rege Diskussion darüber, ob die Abschwächung wirklich auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist. Der Ozeanphysiker Stefan Rahmstorf sieht aber einen Mangel an plausiblen Erklärungen für eine natürliche Abschwächung. Außerdem hätten viele Klimamodelle mit Bezug auf menschengemachten Klimawandel genau so eine Entwicklung vorhergesagt.
Laut Expert:innen habe sich die Welt in den vergangenen 25 Jahren so stark erwärmt wie seit Jahrtausenden nicht. Trotzdem lasse sich in diesem Zeitraum kein eindeutiger Abschwächungstrend nachweisen: Anfang der Neunzigerjahre hatte der Golfstrom nämlich kurzzeitig wieder Fahrt aufgenommen, um dann nach der Jahrtausendwende wieder abzuflauen. „Diesen Gegensatz kann die Studie nicht auflösen,“ betont Latif.
In einer Studie, die 2018 im Blatt Nature veröffentlich wurde, betonen Forscher:innen einer Forschergruppe aus Potsdam, Madrid, Athen und Princeton, dass moderne Klimamodelle stark auf einen Einfluss durch den menschengemachten Klimawandel hindeuten.
Einig sind sich Expert:innen aber in diesen drei Punkten: Eine Eiszeit wie in „The Day After Tomorrow“ ist sehr unwahrscheinlich, der Golfstrom wird auch im Zuge des Klimawandels nicht komplett ausfallen und es ist zu früh, um genaue Prognosen zu stellen. Die Forschungen dauern hierfür noch eine zu kurze Zeit an.
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