Steckt ein Mitmensch in einer Krise, ist es nicht immer leicht, die richtige Unterstützung anzubieten. Expert:innen raten dazu, mit einer dieser Frage die Bedürfnisse der betroffenen Person zu verstehen.
Es gibt viele Möglichkeiten, zu helfen, wenn es einer Person in deinem Umfeld nicht gut geht. Doch welche davon ist die richtige? Das kann je nach Situation und betroffener Person unterschiedlich sein. Ein einfacher Weg, um herauszufinden, welche Art von Unterstützung oder Ermutigung jemand braucht, ist zu fragen: „Do you want to be helped, heard or hugged?“ (zu deutsch: „Möchtest du, dass ich dir helfe, dir zuhöre oder dich umarme?“)
Laut der New York Times hilft diese Frage einer Lehrerin, Frustration unter ihren Schüler:innen vorzubeugen. Doch auch in anderen zwischenmenschlichen Interaktionen sollten wir uns angewöhnen, konkret nach den Bedürfnissen unseres Gegenübers zu fragen.
Warum es schwer sein kann, Hilfe anzubieten
Schwierige Phasen können jede:n im Leben treffen. Wenn eine solche Phase eintritt, kann es sich für Freund:innen, Familienmitglieder oder Kolleg:innen manchmal unangenehm oder schwierig anfühlen, die Probleme der betroffenen Person anzusprechen und herauszufinden, wie man sie unterstützen kann. Viele zögern daher, weil sie befürchten, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, oder weil sie nicht wissen, was die andere Person überhaupt braucht.
Denn wenn man ein Problem hat, ist das Bedürfnis nach Unterstützung ganz individuell ausgeprägt: Manchmal möchte man gar nicht, dass eine andere Person versucht, das Problem zu lösen. Stattdessen möchte man einfach nur gehört werden. Manchmal ist das Problem aber so persönlich und die Beziehung so nah, dass man weder Hilfe noch Gehör will, sondern einfach nur eine feste Umarmung, die wortlos ausdrückt: Es wird schon alles wieder gut. Eine andere Person mit einem anderen Problem kann wiederum mit Gehör und Umarmungen nichts anfangen, sondern braucht eine aktive Hilfeleistung, etwa einen Ratschlag.
Offene Fragen wie „Wie kann ich helfen?“ oder „Was brauchst du?“ sind jedoch zu weit gefasst, wenn du jemandem signalisieren möchtest, dass du für sie oder ihn da bist. Fragst du eine Person, die gerade in einer Krise steckt, danach was sie braucht, kann die Verantwortung auf sie abwälzen.
Anders sieht das mit der Frage „Do you want to be helped, heard or hugged?“ aus beziehungsweise „Möchtest du, dass ich dir helfe, dir zuhöre oder dich umarme?“.
So hilft die Frage beim Helfen
Laut Roxane Cohen Silver, Professorin für Psychologie, öffentliche Gesundheit und Medizin an der University of California Irvine, ist es wichtig, nicht auf die eigenen Impulse zu reagieren, wenn es darum geht, für andere da zu sein. Du solltest nicht davon ausgehen, dass das, was du selbst in einer schwierigen Situation brauchst, auch die richtige Unterstützung für die betroffene Person ist.
Stattdessen rät Silver grundsätzlich dazu, zuzuhören, auf die Botschaften deines Gegenübers zu achten und ihm nicht deine eigenen Wünsche und Erwartungen aufzudrängen. Das könnte nämlich für Frust sorgen, weil sich die betroffene Person missverstanden, bevormundet oder unter Druck gesetzt fühlt.
Die Nachfrage kann die schwierige Situation für beide Beteiligten erleichtern:
- Als unterstützende Person bietest du der betroffenen Person mit der Frage mehrere Unterstützungsoptionen an. Damit signalisierst du, dass du bereit bist, auf ihre Bedürfnisse einzugehen – egal, ob sie gerade Hilfe, Gehör oder physischen Zuspruch (wie eine Umarmung oder einen festen Händedruck) braucht.
- Als betroffene Person kann es in schwierigen Phasen bereits eine Herausforderung zu sein, überhaupt zu wissen, was du brauchst. Mit der Frage bekommst du Gelegenheit, kurz zu reflektieren, was dir in diesem Moment guttun würde. Dadurch wird dir die mentale Last abgenommen, selbst formulieren zu müssen, welche Unterstützung du dir von deinem Gegenüber wünschst.
Hilfe, Gehör, Umarmung: So kann deine Unterstützung aussehen
Nachdem du auf deine Frage eine Antwort erhalten hast, kann es so weitergehen:
- Die Person braucht Hilfe: Biete dann konkrete Hilfe auf Basis dessen an, was du über die Person weißt. Du kannst zum Beispiel überlegen, welche Form der Unterstützung die Person in der Vergangenheit angenommen und selbst gezeigt hat. Das kann ein Hinweis darauf sein, welche Art von Hilfe sie als hilfreich empfindet. Beachte auch ihre Lebensumstände: Lebt sie alleine und fühlt sich nach einer Trennung einsam? Dann kann die Hilfe sein, dass du ihr gemeinsame Freizeitaktivitäten anbietest. Muss die Person häufig zu Ärzt:innen? Dann könnte es hilfreich sein, wenn du sie zu den Terminen fährst oder du bietest an, andere Erledigungen zu machen.
- Die Person braucht Gehör: Verwechsle das Zuhören dabei nicht mit einer Einladung, deine eigene Meinung zu einem Problem kundzutun. Mache dich stattdessen mit den Prinzipien des Deep Listening vertraut, um auf empathische Weise zuzuhören.
- Die Person braucht eine Umarmung: Es muss keine Umarmung sein. In manchen (beruflichen) Kontexten ist ein fester Händedruck vielleicht angebrachter. Welche Form der physischen Zuwendung es auch ist: Nimm hin, dass dies alles ist, was du in diesem Moment für die Person tun kannst, auch wenn du selbst vielleicht den Wunsch hast, noch mehr zu helfen.
Die Frage „Do you want to be helped, heard or hugged?“ ist eine mögliche Art, um einer von einer Krise betroffenen Person die Hand zu reichen. Sie ist deine Einladung an sie, ihre Bedürfnisse zu äußern. Und für dich kann sie eine gute Übung in Empathie sein.
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