Können wir mit Elektromobilität ein umweltfreundliches Verkehrswesen schaffen? Wie nachhaltig wird sie unsere Gewohnheiten und unsere Wirtschaft verändern? Darüber haben wir mit Florian Rothfuss gesprochen, Institutsdirektor und Leiter des Geschäftsfelds „Mobilitäts- und Stadtsystemgestaltung“ am Fraunhofer IAO.
Utopia.de: Das Elektroauto ist nicht nur ein Auto, sondern „ein radikal neues Mobilitätskonzept“. Wie sieht unsere Mobilität in Zukunft aus?
Florian Rothfuss: Elektromobilität ist nicht einfach der Ersatz von Benzin durch Strom, sondern ein intermodales Konzept: In der Zukunft werden wir uns vernetzt fortbewegen und je nach Situation Elektrofahrzeuge, ÖPNV, Rad, Fußwege, neuartige Taxen, oder Sharing-Konzepte nutzen. In städtischen Regionen ist Elektromobilität heute schon sehr effizient bei Sharing-Flotten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Elektrofahrzeuge sind emissionsfrei und reduzieren so die Luftbelastung in Ballungsräumen. Bei einigen Elektrofahrzeugen wird durch neue Batterietechnologien eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern erreicht. Sie können heute schon problemlos als Zweitfahrzeug genutzt werden.
Wie werden wir in Zukunft Elektrofahrzeuge einsetzen?
In den kommenden Jahren vor allem in Flotten von Fuhrparken der öffentlichen Hand, also bei Städten, in Verwaltungen oder bei Regierungspräsidien. Hier wird sich Elektromobilität sehr schnell durchsetzen. Dann werden sich Fahrzeuge, die vom Leistungsangebot und vom Design her attraktiv sind, als Zweitwagen durchsetzen. Und ich könnte mir vorstellen, dass der Einsatz von Elektrofahrzeugen in Sharing-Flotten Schule macht. Ich glaube, dass wir hier noch einige Projekte mit signifikanten Stückzahlen sehen werden.
Elektrofahrzeuge laden lange und fahren kurz. Deshalb werden sie bislang selten gekauft. Wie soll das „Tankproblem“ gelöst werden?
In Städten und im interurbanen Verkehr brauchen wir Schnellladestationen mit Gleichstrom, die mit mindestens 50KW die Fahrzeuge wieder vollladen. Dann ist man bei heutigen Batterien in ca. einer halben Stunde wieder bei rund 80% der Kapazität. Trotzdem wird der Ladevorgang auf absehbare Zeit länger dauern als wir es gewohnt sind. Unsere Lösung ist, diese Zeit einfach für andere sinnvolle Dinge zu nutzen. Dafür haben wir die ChargeLounge entwickelt. In dieser ChargeLounge kann man Kaffee trinken, arbeiten, chatten oder entspannen. Die Tankzeit wird so zu etwas Sinnvollem und positiv wahr genommen – so wie viele gern zum Shoppen gehen, einfach weil es ein Erlebnis ist.
Wie lässt sich die Elektromobilität auf sinnvolle Weise mit der Weiterentwicklung öffentlicher Verkehrssysteme verbinden?
Am ehesten über das Thema Sharing. Also wenn man wie in Stuttgart eine Karte hat, über die man ÖPNV wie auch Car-Sharing, Bike-Sharing, Taxen, Bäder, Bibliotheken etc. nutzen kann, ohne sich extra anmelden zu müssen. Grundsätzlich kann man sagen, dass einige, die jetzt mit dem ÖPNV unterwegs sind, auf Free-Floating oder Car-Sharing umsteigen werden. Stellt man aber die schiere Anzahl an Personen, die durch den ÖPNV befördert werden, dem gegenüber, was von einem gut ausgebauten Car-Sharing-System befördert werden kann, dann ist es keine Kannibalisierung des ÖPNV durch Car-Sharing. Es ist eher eine sinnvolle Ergänzung.
Was müsste sich an der Verkehrsinfrastruktur im Vergleich zu heute ändern, wenn ein Großteil der Fahrzeuge mit Elektromotoren unterwegs wäre?
Was wir brauchen sind öffentliche Schnellladestationen. Diese Technologie ist aber kein Hexenwerk. Lademöglichkeiten können in heimischen Garagen oder in Tiefgaragen von Apartmentblocks integriert werden. Es brauchte dafür nur eine Steckdose oder zumindest Leerrohre in den Gebäuden, die dafür in Zukunft genutzt werden könnten. Leider ist das Bewusstsein der Projektplaner für solche Zukunftsfragen erschreckend niedrig.
Aber durch Elektrofahrzeuge steigt der Strombedarf. Brauchen wir neue Kraftwerke, um emissionsfrei fahren zu können?
Die zusätzliche Strommenge ist verglichen mit der gesamten Stromproduktion eher gering. Außerdem ließen sich Elektrofahrzeuge genau dann laden, wenn fluktuierende Energiequellen gerade einspeisen, also beispielsweise nachts, wenn der produzierte Strom heute noch kaum genutzt wird. Ich glaube daher, dass die Energiewende, die wir alle wollen, mit der Elektromobilität sehr gut zusammen geht. Man muss also keine Sorge haben, dass man dafür zusätzliche Kohlekraftwerke oder ähnliches benötigen würde.
Elektromobilität kann also einen Beitrag leisten, um dem Klimawandel entgegen zu wirken?
Ja. Klar ist, dass die Effizienz von Elektroautos beim heutigen Strommix schon deutlich besser ist als bei konventionell betriebenen Fahrzeugen. Ich bin mit einer besseren CO2-Bilanz unterwegs, wenn ich mit einem Elektroauto fahre. Der zweite Beitrag ist es, regenerative Energien deutlich besser zu nutzen, wenn man einen zusätzlichen steuerbaren Verbraucher mit an die Hand bekommt.
Ein Boom der Elektromobilität dürfte eine immense Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen wie z.B. Lithium oder seltenen Erden auslösen. Schaffen wir damit nicht einfach nur neue Umweltprobleme?
Es ist nicht so, dass wir beispielsweise Lithium auf immer und ewig benötigen. Es wird auch an Batterien gearbeitet, die ohne Lithium auskommen. Es wird an E-Motoren gearbeitet, die ohne seltene Erden auskommen. Sobald die Preise für diese Rohstoffe nach oben schießen, werden wir Technologien auf dem Markt sehen, die ohne diese Rohstoffe auskommen. Generell ist das Rohstoffthema kein Hindernis für die Elektromobilität.
Nicht in dem Maße, in dem es das für die Öl-Mobilität wäre?
Auch da muss man ehrlich zu sich selbst sein. Peak Oil ist auf absehbare Zeit kein Showstopper für konventionell betriebene Fahrzeuge. Viel kritischer ist, was wir über das Öl an CO2 und sonstigen Schadstoffen produzieren. Außerdem zählen die Erdöl produzierenden Länder nicht zu den stabilsten der Welt. Wir transferieren aus Deutschland jährlich einen mehrstelligen Milliardenbetrag für Ölkraftstoffe in Länder, die mit diesen Erträgen Kriege führen oder Waffen kaufen. Wenn man sich überlegt, dass man dieses Geld auch in Deutschland investieren könnte, ist alleine das ein Grund, auf Elektromobilität umzusteigen: Mit 50 Milliarden Euro könnte man aus dem Stand heraus eine Wasserstoff- und eine Lade-Infrastruktur aufbauen.
Florian Rothfuss ist Institutsdirektor und Leiter des Geschäftsfelds „Mobilitäts- und Stadtsystemgestaltung“ am Fraunhofer IAO.
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