Nach dem Rekordsommer 2018 und der aktuellen Hitzewelle drängt sich die Frage auf: Ist das nun schon der Klimawandel? Oder einfach nur Zufall? Wir klären auf.
Viele stöhnen derzeit unter den ungewöhnlich hohen Temperaturen. Was haben die heißen Tage zu bedeuten, die wir im Juni 2019 erleben? Müssen wir künftig jedes Jahr mit ihnen rechnen? Und: Wie viel Glauben ist welchen Prognosen zu schenken?
Ein Blick in die Wissenschaft hilft. Denn der erklärt nicht nur, was „das Klima“ eigentlich ist, sondern auch, was die Forschung über die zunehmende Hitze in Mitteleuropa weiß. Und was reine Spekulation ist – oder sogar Panikmache.
Was die Wissenschaft zu den ungewöhnlichen Temperaturen sagt
Zunächst: Wenn wir vom Klima – und erst recht von Klimaerwärmung – reden, denken viele an Wetterphänomene wie hohe Lufttemperaturen. Doch das greift zu kurz. Tatsächlich sind in das Klimasystem eine ganze Reihe von Faktoren eingebunden: die Erdatmosphäre, die Meere, alle Arten von Eisschichten wie Gletscher, Eisberge und Eisschollen und, je nach Definition, auch Flora und Fauna.
Diese bedingen sich mehr und weniger alle gegenseitig: Steigt die Lufttemperatur am Äquator, schmilzt mehr Eis. Schmilzt mehr Eis, steigt der Meeresspiegel; außerdem wird mehr Methan freigesetzt, ein Treibhausgas, das in gefrorenem Boden eingesperrt ist. Was wiederum den Anstieg des Treibhauseffekts begünstigt.
Klima ist also mehr als die Temperaturen oder das Wetter an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Oder, wie der Klimaforscher Marshall Shepherd pointiert: ”Das Wetter ist die Laune der Erdatmosphäre, das Klima seine Persönlichkeit.” Übersetzt könnte das bedeuten: Anhand einzelner besonders heißer oder kalter Tage kann man (noch) keinen Wandel des Klimas feststellen – dazu muss man sich ein Gesamtbild machen. Nach dieser Taktik geht ernstzunehmende Wissenschaft vor.
Die Erde hat sich erhitzt – das bleibt nicht ohne Folgen
Die Forscher wissen: Ein Gesamtbild ergibt sich erst, wenn sich bestimmte Ereignisse häufen. Dann zeigen sie einen Trend an. Und der weist, was unsere Lufttemperaturen betrifft, eindeutig nach oben.
In der Meteorologie arbeitet man mit dem 30-Jahres-Trend: Anhand der vergangenen 30 Jahre konnte man beispielsweise feststellen, dass die Durchschnittstemperatur seit 1990 um etwa ein Grad gestiegen ist. Verglichen mit allen Werten, die seit 1881 auf der Erde gemessen wurden, lässt sich sogar ein globaler Temperaturanstieg von 1,5 °C belegen. Er kann, anders als mitunter zu lesen, wissenschaftlich nur durch die Folgen der Industrialisierung erklärt werden, die mit dem drastischen Anstieg von Treibhausgasen einhergeht.
Auch wenn Eiszeiten und Hitzeperioden für unseren Planeten nichts Neues sind: Das Tempo, das der Klimawandel zurzeit vorlegt, ist einmalig und ein Indikator für einen menschengemachten Klimawandel. Nicht nur die Temperaturen selbst sind vielerorts angestiegen, auch Hitzewellen haben nachweislich zugenommen, nasse Winter ebenso.
Der Klimawandel macht extreme Hitze wahrscheinlicher
Mittels sogenannter Attributionsstudien versucht man in der Meteorologie zu begreifen, was das für die Zukunft bedeuten könnte. Simulierte Daten aus einer Welt ohne menschengemachten Klimawandel werden dabei mit der Wirklichkeit verglichen. Anhand von Modellen und Klimaprojektionen werden so mögliche Szenarien für die Zukunft modelliert. Wahrscheinlichkeiten können immer besser berechnet werden. Sie sagen voraus, dass die heißen Tage in Mitteleuropa zunehmen werden. Hitzewellen wie diejenige, die wir gerade erleben, werden also wahrscheinlicher.
Warum genau das der Fall sein wird? Darüber wird, im wahrsten Sinne der Wortes, hitzig diskutiert. Ein Faktor, der mit zunehmender Hitze in Zusammenhang gebracht wird: die Verlangsamung des Jetstreams. Dieser wiederum ist eine Folge der schmelzenden Polkappen an der Arktis, was den Temperaturunterschied zwischen hohen Breiten und Äquator verringert, wodurch der Jetstream einen schlechteren „Antrieb“ hat. Dieses Phänomen gilt als möglicherweise übertragbar und wirkt sich auf andere klimarelevante Faktoren wie auftretende Dürren aus, die eine weitere Erwärmung der Erdatmosphäre begünstigen. Die heißen Tage sind also Ursache und Folge zugleich. Und das wohl schon heute.
Rekordsommer sind heute 30 Mal wahrscheinlicher
Als „heißer Tag“ wird vom deutschen Wetterdienst ein Tag ab 30 °C Durchschnittstemperatur bezeichnet, ein Tag mit einer Durchschnittstemperatur von 25°C gilt als „Sommertag“. Seit 1959 haben sich die Sommertage in Deutschland pro Jahr im Schnitt verdoppelt, die heißen Tage stiegen von 18 auf 20 an. Anhand von Attributionsstudien (siehe oben) wurde errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem weiteren Anstiegs der heißen Tage wieder ein Rekordsommer wie der von 2018 wird, laut dem britischen Wetterdienst heute bei 1:8 liegt, wogegen er 1900 noch bei 1:245 lag. Rekordsommer sind heute also 30 Mal wahrscheinlicher als vor 120 Jahren.
Fazit
Man sieht also: Ein paar heiße Tage erzählen uns noch nichts über den Klimawandel, nicht mal ein ganzer heißer Sommer tut es.
Aber: Beobachtet man diese „Launen der Natur“ über längere Zeit und mit wissenschaftlichen Methoden, kann man den Zustand des Klimas während verschiedener Perioden miteinander vergleichen. Dann sieht man deutlich: Die heißen Tage werden häufiger und jeweils wärmer. Was wiederum die Durchschnittstemperatur anhebt und so den Klimawandel nicht nur beweist, sondern leider auch noch beschleunigt.
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