Politiker:innen finden andere Themen wichtiger und Bekannte reagieren genervt, wenn sie zur Sprache kommt oder geben zu, dass sie sich nicht dafür interessieren – die Klimakrise wird immer noch kleingeredet oder verdrängt. Wieso ist das so und lässt sich das ändern? Eine Psychologin ordnet ein.
Einige Menschen versuchen, Emissionen im Alltag einzusparen oder gehen für mehr Klimaschutz auf die Straße. Andere scheinen das Thema zu ignorieren oder reagieren genervt, wenn es zur Sprache kommt. Wieder andere leugnen die menschengemachte globale Erwärmung. Wie kommt es, dass wir so unterschiedlich auf den Klimawandel reagieren?
Psychologin Anika Heck erklärt dieses Phänomen gegenüber Utopia. Sie ist bei der Organisation Psychologists for Future aktiv und verweist auf vorgeprägte Einstellungen, politische Haltungen und fehlendes Wissen zu den Ursachen der Klimakrise. All diese Faktoren würden beeinflussen, wie dringlich wir das Problem wahrnehmen.
„Es spielt aber auch eine Rolle, aus welcher Quelle wir Informationen darüber bekommen und wen wir als glaubwürdig empfinden“, so die Expertin.
Da viele Menschen heute ihre Meinung eher über Social Media bilden als über traditionelle Medien, werden in gewissen Echokammern immer wieder dieselben Narrative gefestigt – egal, ob es sich dabei um handfeste, wissenschaftliche Fakten handelt oder politisch motivierte Desinformation.
Anika Heck von Psychologists for Future
Mit „Echokammern“ sind soziale Medien gemeint, die Nutzer:innen hauptsächlich Inhalte ausspielen, die ihre eigene Meinung wiedergeben. Informieren sich Menschen ausschließlich dort zu politischen Themen oder bewegen sie sich bewusst in politisch stark homogenen Online-Netzwerken, kann das einen Einfluss auf Informationsfluss und Meinung haben, warnt auch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
Anders gesagt: Hört man innerhalb einer Filterblase immer wieder, dass die Klimakrise eine Lüge oder keine Bedrohung ist, kann das dazu führen, dass man dem Glauben schenkt. Heck kritisiert, dass wir durch die Funktionsweise von Algorithmen weniger mit unterschiedlichen Inhalten konfrontiert würden – stattdessen würden wir ständig in unserer Meinung bestätigt, oder diese noch verstärkt. Informiert man sich ausschließlich auf solche Weise, könne das dazu führen, dass sich das Weltbild verengt und man sich radikalisiert.
Wieso manche die Klimakrise verdrängen – und andere nicht
Egal ist die Klimakrise allerdings den wenigsten Menschen. Die Allianz hat 2023 1.000 Menschen aus Deutschland in einer repräsentativen Umfrage befragt. 76,1 Prozent gaben an, alarmiert und besorgt über die Folgen der globalen Erwärmung zu sein. Gleichzeitig wiesen 47,5 Prozent ein geringes Klimawissen auf – der Wert war gegenüber einer vorherigen Umfrage von 2021 um 15 Prozent gestiegen. Die Angst gepaart mit wenig Kenntnissen mache die Klimapolitik anfällig für Populismus, warnt die Allianz.
Viele Menschen spielen die Bedrohung durch die Klimakrise dabei immer noch herunter oder ignorieren sie ganz. Das hat auch mit dem Umgang mit Angst zu tun, wie Hecks Kollege Felix Peter schon 2020 gegenüber Utopia erklärte. Dem Psychologen und Co-Sprecher von Psychologists for Future zufolge gehen wir unterschiedlich mit dem Gefühl der Bedrohung um, das die Folgen der globalen Erwärmung erweckt.
Die sogenannte „Klimaangst“ könne Menschen dazu motivieren, sich mit der Klimakrise auseinanderzusetzen und sich zu engagieren. Andere Menschen neigen laut Peter dazu, das Angstgefühl zu verdrängen. „Die Informationen können dabei ganz ausgeblendet oder so verändert werden, dass sie nicht mehr bedrohlich wirken“, so der Experte. Das führe dazu, dass wir uns mit dem Problem nicht mehr auseinandersetzen, weil es uns persönlich nicht mehr als Problem erscheint. Peter betonte auch, dass „Klimaangst“ keine psychische Störung oder ähnliches darstellt – sondern eine berechtigte Empfindung bezüglich der Bedrohung durch den Klimawandel.
„Angst ohne Hoffnung ist ein unangenehmer Zustand“
Wir alle nehmen die Bedrohung durch die Klimakrise also wahr – trotzdem reagieren manche mit Aktivismus, andere mit Verdrängung. Laut Heck hat der unterschiedliche Umgang verschiedene Gründe: Zum einen sei die Fähigkeit, sich um Probleme zu sorgen, begrenzt. „Haben wir gerade mit vielen persönlichen Sorgen zu kämpfen, können oder wollen wir uns mitunter nicht auch noch mit globalen Katastrophen belasten“, so die Expertin. Oder es bleibt keine Zeit, sich zu informieren und zu engagieren neben dem Vollzeitjob, Kindererziehung oder/und Pflegearbeit für Angehörige.
„Außerdem ist Angst ohne Hoffnung ein sehr unangenehmer Zustand“, betont die Expertin. „Wenn wir den Eindruck haben, sowieso nichts ändern zu können, fühlen wir uns machtlos und wenden uns lieber Themen zu, die wir beeinflussen können. Wenn wir aber neben der Angst auch das Gefühl haben, etwas bewirken zu können – im besten Fall noch in Gemeinschaft mit anderen – dann werden wir eher aktiv.“ Wie wir unsere Wirksamkeit einschätzen, habe unter anderem mit der eigenen Persönlichkeit zu tun, beziehungsweise damit, ob man schon früher mit persönlichem Einsatz etwas erreicht hat.
Verdrängungsmechanismen durchbrechen: Expertin gibt Tipps
Verdrängung mag ein normaler Mechanismus sein, aber er hat Konsequenzen. Wenn genug Menschen dem Klimaschutz wenig Bedeutung einräumen, gibt es beispielsweise weniger Druck auf Politiker:innen, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Doch es gibt Möglichkeiten, um Verdrängungsmechanismen zu durchbrechen. Anika Heck gibt folgende Tipps:
- Im Bekanntenkreis und gegenüber der Familie kann man das Gespräch suchen. Dabei sei es hilfreich, nicht vorwurfsvoll zu argumentieren, sondern zum Beispiel von den eigenen Gefühlen zu sprechen und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen – zum Beispiel Spenden, Petitionen unterzeichnen oder ähnliches.
- Wer selbst weniger verdrängen will, sollte sich zunächst informieren. Die Expertin nennt etwa das PIK oder den IPCC-Report als Quelle (Zusammenfassungen findet man zum Beispiel auf YouTube). Anschließend solle man sich weitere Leute suchen, mit denen man sich gemeinsam engagieren kann. (Hier findest du Tipps: Wie kann ich mich politisch für Klimaschutz engagieren?)
„Da wir aber unter enormem Zeitdruck stehen, wäre es wichtig, möglichst viele Menschen auf einmal zu erreichen“, betont Heck. „Das Problem ist leider, dass es zwar durchaus Möglichkeiten gibt, Menschen individuell zu überzeugen, aber für die breite Masse gibt es kaum Kanäle, über die eine Mobilisierung gelingt.“ Die Psychologin kritisiert auch fossile Industrien dafür, dass sie durch Marketing, Desinformation und Lobbyismus die Debatte über effektiven Klimaschutz hinauszögern.
Klimakrise muss stärker auf politische Agenda
Dass die Erderwärmung ein physikalisches Phänomen ist, welches nicht zwischen Herkunft oder politischer Gesinnung unterscheidet, das ist heutzutage schwer zu vermitteln. Stattdessen wird selbst unabhängiger Forschung eine politische Motivation oder eigene Interessen unterstellt. Das ist wahnsinnig frustrierend.
Anika Heck von Psychologists for Future
Das Thema Klimaschutz in der gesellschaftlichen Debatte mehr in den Vordergrund zu rücken, sei im aktuellen politischen Diskurs sehr schwierig. Dass dies aktuell schlecht gelingt, zeigt etwa ein Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Das Thema Klimawandel spielte im Wahlkampf dort kaum eine Rolle.
Heck appelliert an alle demokratischen Parteien, gemeinsam klar und deutlich die massive Bedrohung durch die Erderwärmung zu benennen – ähnlich wie dies zu Beginn der Coronapandemie in Bezug auf das Virus geschah. Auch Medien müssten dies unterstützen.
Sind andere Themen wichtiger? Klimakrise als „massiver Brandbeschleuniger“
Dass andere Themen als dringender wahrgenommen werden, kommt nicht nur in der Politik vor. Auch Privatpersonen argumentieren oft, dass andere Themen wie die Wirtschaftskrise dringender seien als Klimaschutzmaßnahmen. Das lässt sich auch psychologisch erklären.
„Viele Menschen empfinden steigende Energiekosten, Migration oder Sozialpolitik als unabhängig [von der Klimakrise] und erleben diese Themen als drängender für ihre persönliche Situation“, so Heck. Dabei wirke der Klimawandel „wie ein massiver Brandbeschleuniger“ für diese und weitere Themen.
Insgesamt lässt sich der Klimawandel für viele Leute noch leicht verdrängen. Denn die Folgen sind in unserem Alltag noch vergleichsweise wenig zu spüren, erklärt Heck. Sie nennt etwa trockene Gärten, Starkregen oder höhere Lebensmittelpreise wegen schlechter Ernten. Doch der Einfluss sei insgesamt gering und die Folgen würden selten in Zusammenhang gesehen. „Wer selbst noch keine Extremwetter-Katastrophe erlebt hat, über ausreichend finanzielle Mittel verfügt und sehr beschäftigt mit anderen Dingen ist, wird vermutlich noch lange verdrängen können“, so die Expertin.
Um das zu verhindern, können auch Privatpersonen aktiv werden. Tipps für ein Gespräch findest du in folgendem Artikel:
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