Spätes Abendessen macht dick – diese Befürchtung ist weit verbreitet. Sie lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch weder bestätigen noch widerlegen. Wir bringen dich auf den aktuellen Stand.
Viele Beiträge zur Frage, ob spätes Abendessen dick macht, beginnen mit einem bekannten Spruch: „Morgens sollst du essen wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann.“ Der Spruch passt zu aktuellen Diät-Trends wie dem „Dinner Cancelling“ oder dem Intervallfasten.
Immer mehr Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass längere Essenspausen wie beim Intervallfasten die Gesundheit fördern. Sie sprechen damit eher gegen ein spätes Abendessen. Aber macht es auch dick?
Macht spätes Abendessen dick? Die Studien sind widersprüchlich
Ernährungswissenschaftler setzen sich bereits seit Längerem mit der Frage auseinander, wie sich ein spätes Abendessen auf den Körper auswirkt. In den letzten Jahrzehnten haben sie mehrere Beobachtungsstudien durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen spätem Abendessen und Körpergewicht zu ergründen.
Die Ergebnisse sind widersprüchlich:
- 2002 haben schwedische Forscher jeweils knapp 100 normal- und übergewichtige Frauen auf ihr Essverhalten untersucht. Es zeigte sich, dass die übergewichtigen Frauen im Durchschnitt mehr Mahlzeiten pro Tag zu sich nahmen und insgesamt später aßen.
- 2004 wurden im Rahmen einer anderen Studie die Ernährungstagebücher von knapp 900 ProbandInnen ausgewertet. Diese Tagebücher deckten einen Zeitraum von insgesamt sieben Tagen ab. Die Analyse zeigte: Die tägliche Kalorienzufuhr der ProbandInnen war im Schnitt höher, wenn sie einen großen Teil dieser Kalorien abends zu sich genommen hatten.
- Zu einem anderen Schluss kommt dagegen eine Studie mit etwa 7.000 Teilnehmenden aus den 1980ern. Über zehn Jahre hinweg dokumentierten Wissenschaftler das Gewicht und Essverhalten der ProbandInnen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass kein Zusammenhang zwischen der Gewichtsentwicklung und der Kalorienmenge bestehe, die die ProbandInnen abends zu sich genommen hätten.
Systematische Untersuchungen, inwiefern ein spätes Abendessen die Gewichtszunahme beeinflussen könnte, gibt es bisher nicht. Die vorhandenen Studien sagen nichts darüber aus, ob die gleiche Menge an Kalorien sich zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedlich auf den Körper auswirkt. Um dieser Frage nachzugehen, muss man sich mit der Wissenschaft der Chronobiologie auseinandersetzen.
Wirkt ein spätes Abendessen anders?
Die Chronobiologie beschäftigt sich mit der Frage, wie die sogenannte „innere Uhr“ sich auf den Körper eines Lebewesens auswirkt. Beispielsweise haben Forscher herausgefunden, dass der Hormonspiegel einiger Hormone wie Insulin oder Leptin sich im Tagesverlauf ändert. Das Hormon Leptin sorgt laut der Deutschen Apothekerzeitung dafür, dass wir uns satt fühlen. Üblicherweise ist unser Leptinspiegel in der Nacht erhöht – so können wir lange ohne Essen auskommen, während wir schlafen.
Die individuelle innere Uhr eines Menschen kann dessen Verhalten stark beeinflussen. Das zeigt zum Beispiel ein Experiment, von dem die Deutsche Apothekerzeitung berichtet: 400 Freiwillige lebten für drei bis vier Wochen vollkommen isoliert in einem Bunker. Sie hatten während dieser Zeit keine Ahnung, ob es Tag oder Nacht war und konnten essen, wann sie wollten. Erstaunlicherweise nahmen die meisten Menschen über den Tag verteilt drei regelmäßige Mahlzeiten zu sich und schliefen täglich etwa acht Stunden. Ihr Gewicht änderte sich dabei nicht. Die innere Uhr scheint also selbst ohne Zugang zum Tageslicht zu funktionieren.
Spätes Abendessen und Schlafentzug: Ein folgenreiches Zusammentreffen?
Unsere innere Uhr kann jedoch gestört werden, zum Beispiel durch Schlafentzug. Tierversuche an Mäusen zeigen, dass ihre Körper nachts weniger Fett abgebaut hatten, wenn ihr Schlafrhythmus gestört wurde. Außerdem hatten sie einen niedrigeren Blutzuckerspiegel und bekamen dadurch nachts Hunger. Die Forscher vermuten, dass es einen ähnlichen Mechanismus auch beim Menschen gibt.
Ist es also möglich, dass Menschen, die ein spätes Abendessen zu sich nehmen, oft unregelmäßig schlafen und dadurch einen gestörten Stoffwechsel haben? Das könnte zum Beispiel auf SchichtarbeiterInnen zutreffen. Oder hat ein spätes Abendessen auch bei gesundem Schlaf einen negativen Effekt?
Eine Studie der Max-Planck-Gesellschaft deutet zumindest daraufhin: Bei Menschen, die nach 19 Uhr noch mehrere Mahlzeiten aßen, war in der Nacht der Leptinspiegel niedriger. Dadurch hatten sie vermutlich ein weniger starkes Sättigungsgefühl und nahmen über den Tag verteilt insgesamt mehr Kalorien zu sich.
Macht spätes Abendessen essen dick? Nicht unbedingt!
Die Ergebnisse bisheriger Studien reichen nicht aus, um pauschal sagen zu können, dass ein spätes Abendessen dick macht. Zunächst einmal hat jeder Mensch eine individuelle innere Uhr. Was für den einen spät ist, ist für den anderen möglicherweise noch früh. Chronobiologen gehen momentan davon aus, dass man am gesündesten lebt, wenn man sich der eigenen inneren Uhr anpasst.
Außerdem nahmen die Menschen, die spät aßen, tendenziell auch mehr Kalorien zu sich und nahmen dadurch leichter zu. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung geht nach wie vor davon aus, dass ein spätes Abendessen unbedenklich ist, solange die insgesamt aufgenommene Kalorienmenge nicht zu hoch ist. Der Zeitpunkt spielt dabei keine wesentliche Rolle.
Das Problem bei einem späten Abendessen scheint eher darin zu bestehen, dass der Hunger in der Zwischenzeit häufig durch viele kleine (ungesunde) Snacks gestillt wird. Dadurch nimmt der Körper in kurzer Zeit zu viele Kalorien auf, was möglicherweise das nächtliche Sättigungsgefühl stört.
Solange du dich jedoch ausgewogen ernährst, zu regelmäßigen Zeiten isst und gut schläfst, gibt es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Grund, wieso du von einem späten Abendessen zunehmen solltest.
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