Helene, Kirk, Milton – die Hurrikansaison hat im Nordatlantik in diesem Jahr besonders starke Hurrikans hervorgebracht. Können diese Hurrikans auch für Europa gefährlich werden?
In der diesjährigen Hurrikansaison 2024 im Nordatlantik jagt ein Rekord den nächsten: Hurrikan Helene hat Mitte September örtlich neue Regenrekorde aufgestellt. Dabei starben mindestens 227 Menschen, so viele wie seit dem verheerenden Hurrikan Katrina im Jahr 2005 nicht mehr. Zuletzt entwickelte sich Hurrikan Milton Anfang Oktober in rekordverdächtigem Tempo zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5 und damit zum fünftstärksten je beobachteten Hurrikan im Nordatlantik.
Eine Karte des National Hurricane Centers zeigt: Hurrikans ziehen im Nordatlantik auch in Richtung Europa, wie zuletzt auch der Ex-Hurrikan „Kirk“. Auf dem Weg nach Europa schwächen sie sich deutlich ab und verwandeln sich in außentropische Tiefdruckgebiete. Heutzutage erreichen Hurrikans das europäische Festland also nicht. Aber wie sieht es in der Zukunft aus: Könnten uns Hurrikans auch in Europa erreichen?
Was ist ein Hurrikan?
Ein Hurrikan ist ein tropischer Wirbelsturm im Bereich des Nordatlantiks, des Golfs von Mexiko und des Nordostpazifiks. Im Nordwestpazifik wird solch ein tropischer Wirbelsturm als „Taifun“ bezeichnet und im Südwestpazifik und im Indischen Ozean als „Zyklon“. Diese tropischen Wirbelstürme erreichen Windgeschwindigkeiten in Orkanstärke von mindestens 120 km/h bis hin zu mehr als 300 km/h. Sie haben einen Durchmesser von oftmals mehreren Hundert Kilometern und können mehrere Tage lang aktiv sein.
Hurrikans bilden sich über warmem Meereswasser, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Das Meerwasser muss bis in eine Tiefe von 50 m mindestens 26°C warm sein.
- Die Atmosphäre muss feucht und instabil sein.
- Die Windscherung, also die Änderung von Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Höhe, muss gering sein.
- Es muss eine sogenannte Störung in der unteren Atmosphäre vorhanden sein, die die Hurrikanbildung anstößt.
- Der Äquator muss mindestens 500 km entfernt sein, damit die Corioliskraft hinreichend groß ist.
Sind die genannten Bedingungen erfüllt, sorgt die atmosphärische Störung (zum Beispiel ein Gewittersystem) dafür, dass Luftmassen in große Höhen aufsteigen. Dadurch entsteht am Boden ein Tiefdruckgebiet, in welches von allen Seiten Luft einströmt. Das sich durch die Corioliskraft drehende Tief verstärkt sich unter günstigen Bedingungen so sehr, dass es zu einem Hurrikan heranwächst und das charakteristische Auge in der Mitte ausbildet.
Diese Schäden richtet ein Hurrikan an
Hurrikans haben ein großes Zerstörungspotential. Sie bringen hohe Windgeschwindigkeiten von 100 bis 200 km/h, manchmal sogar 300 km/h mit sich. Je nach erreichter Windgeschwindigkeit wird die Stärke des Hurrikans mit einer der 5 Stufen der Saffir-Simpson Skala beschrieben.
Auf dem Meer gefährden sie mit hohem Wellengang die Schifffahrt. An Land kann der Wirbelsturm Gebäude beschädigen und Dächer abdecken. An der Küste kommt es durch den starken Wellengang oft zu schweren Sturmfluten, die große Küstengebiete überschwemmen können. Hurrikans können auch die Bildung von Tornados begünstigen, die kleinräumig extreme Schäden verursachen können.
Achtung, Hurrikans und Tornados werden oft verwechselt: Während die großflächigen Hurrikans Durchmesser von mehreren hundert Kilometern erreichen, haben Tornados meist nur einen Durchmesser von wenigen hundert Metern.
Neben starkem Sturm bringen Hurrikans Starkregen. Oft fallen mehrere hundert Liter pro Quadratmeter innerhalb von wenigen Tagen. Das ist so viel Regen, wie bei uns in großen Teilen Deutschlands normalerweise innerhalb eines ganzen Jahres fällt. Der Starkregen verursacht auch weiter landeinwärts große Überschwemmungen und Sturzfluten. Besonders langsam ziehende Wirbelstürme bringen große Regenmengen, da die Regenfälle dann sehr lange anhalten können.
Wie wahrscheinlich sind Hurrikans in Deutschland und Europa?
Es ist sehr unwahrscheinlich: Wie historische Tracking-Daten des NOAA Office for Coastal Management zeigen, wurden Deutschland und Festland-Europa seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht von einem Hurrikan erreicht. Auf dem Weg nach Europa schwächen sich die tropischen Wirbelstürme über dem kühleren Meerwasser schnell ab und wandeln sich in außertropische Tiefdruckgebiete um: Sie waren also mal ein Hurrikan, besitzen jedoch nicht mehr die Eigenschaften eines Hurrikans.
Im Herbst kann sich im Mittelmeer unter bestimmten Bedingungen jedoch ein hurrikanähnliches Tiefdruckgebiet, ein sogenannter „Medicane“ bilden. Ein Medicane ist ein Tiefdruckgebiet, das sowohl außertropische als auch tropische Eigenschaften aufweist. Es bildet sich auf ähnliche Weise über dem warmen Mittelmeer und kann sogar ein Auge, wie das eines Hurrikans, ausbilden. In der Regel erreichen Medicanes jedoch nicht die Windgeschwindigkeiten eines Hurrikans (über 120 km/h), sondern lediglich die eines tropischen Sturms.
Hurrikans im Klimawandel: Stärker, aber nicht häufiger
Forscher:innen der NASA berichten, dass die Hurrikanaktivität im Nordatlantik seit den 1980er Jahren erhöht ist. Bisher sei dies noch mit der natürlichen Klimavariabilität zu erklären. Die Wissenschaftler:innen der World Weather Attribution bestätigen dies. Laut ihnen hat sich die Gesamtzahl der weltweit auftretenden tropischen Wirbelstürme bisher nicht verändert.
Beobachtungsdaten und Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass Hurrikans durch den Klimawandel stärker werden. Eine Erwärmung der Atmosphäre führt dazu, dass sie mehr Wasser aufnehmen kann. Dadurch steigen die ohnehin hohen Niederschlagsmengen bei Hurrikans.
Die Klimaerwärmung treibt auch die Meerestemperaturen weiter in die Höhe, wodurch sich die Gebiete vergrößern, in denen Hurrikans entstehen können. Dadurch ziehen Hurrikans zunehmend polwärts in Regionen, die immer weiter vom Äquator entfernt liegen. Diese Wirbelstürme können dann also auch Gegenden unvorbereitet treffen, die bisher von Hurrikans verschont geblieben sind. Außerdem steht den Wirbelstürmen bei der Entwicklung mehr Energie zur Verfügung, wodurch sie sich schneller verstärken. Die Forscher:innengruppe um Hieran T. Bathia konnte in ihrer Studie zeigen, dass die Anzahl der sich sehr schnell verstärkenden Hurrikans durch den Klimawandel bereits zunimmt.
Zudem führt der Meeresspiegelanstieg dazu, dass durch Hurrikans verursachte Sturmfluten immer höher ausfallen und so deutlich größere Schäden anrichten.
Durch den Klimawandel werden Hurrikans also nicht häufiger, sie und ihre unmittelbaren Folgen fallen jedoch deutlich stärker aus. In der Wissenschaft wird sogar darüber diskutiert, die Saphir-Simpson Hurrikan Skala um eine Stufe zu erweitern, um die zunehmende Stärke der tropischen Wirbelstürme abbilden zu können.
Sind einzelne Hurrikans eindeutig auf den Klimawandel zurückzuführen?
Es ist sehr schwierig, für einzelne Hurrikans den Einfluss des menschengemachten Klimawandels nachzuweisen.
Für den Hurrikan „Helene“ konnte jedoch mithilfe einer Attributionsstudie bereits herausgearbeitet werden, dass der Klimawandel die katastrophalen Auswirkungen des tropischen Wirbelsturms verstärkt hatte. Und auch für den Hurrikan „Milton“ konnte die Forschergruppe bereits zeigen, dass der Klimawandel den Hurrikan verstärkte: Im Vergleich zu einer Welt ohne menschengemachten Klimawandel fielen durch „Milton“ um 20 bis 30 % höhere Tagesniederschlagssummen und die Windgeschwindigkeiten waren um 10 % höher.
Müssen wir uns in Deutschland zukünftig auf Hurrikans einstellen?
Kurz gesagt, nein. Im Interview mit watson.de erklärt der Klimaforscher Seniorprofessor Dr. Mojib Latif, dass es in absehbarer Zeit in Deutschland keine Hurrikans geben wird, da die Meere in Mitteleuropa schlicht zu kalt sind. Trotzdem können ehemalige Hurrikans, wie zuletzt der Ex-Hurrikan „Kirk“, als extratropisches Tief bis nach Deutschland ziehen. Die Begleiterscheinungen wie Regen und Sturm erreichen uns dann nur noch in abgeschwächter Form.
Weiterlesen auf Utopia.de:
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