Natura 2000 ist ein europaweites Schutzgebietsnetz. Es schützt rund 1000 Arten, über 200 Lebensräume, zahlreiche Vogelarten und Zugvögel. Wir erklären dir die Hintergründe.
Was ist Natura 2000?
Als Natura 2000 werden europaweit die Schutzgebiete zusammengefasst, die durch folgende zwei Richtlinien zustande kommen:
- Die Vogelschutzrichtlinie, die die EU 2009 erlassen hat,
- und den Schutzgebieten der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie, die europaweit besondere Lebensraumtypen und Arten schützt.
Durch Natura 2000 entsteht ein EU-weites Netz aus Schutzgebieten, laut dem Bundesumweltministerium das größte grenzüberschreitende Schutzgebietsnetz weltweit.
- Der Name „Natura 2000“ bezeichnet einerseits das jeweilige einzelne Schutzgebiet, dass durch die Vogelschutzrichtlinie oder die FFH-Richtlinie festgelegt ist.
- Andererseits bezeichnet Natura 2000 das Schutzgebietsnetz als Ganzes, das aus den einzelnen Schutzgebiete entsteht.
- Insgesamt besteht Natura 2000 aus 27.000 Schutzgebieten, die eine Fläche von 20 Prozent in der EU abdecken.
Ziel von Natura 2000: Biodiversität erhalten
Oberstes Ziel eines Schutzgebiets ist, die Biodiversität zu erhalten:
- Durch die FFH-Richtlinie sind insgesamt 231 Lebensraumtypen und rund 1000 Arten und Unterarten geschützt,
- durch die Vogelschutzrichtlinie 193 Vogelarten und zusätzlich einige Zugvogelarten.
Natura 2000 zielt laut der Europäischen Kommission nicht darauf ab, den Menschen vollkommen auszuschließen und die Schutzgebiete der menschlichen Nutzung zu entziehen. Vielmehr geht es darum, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur zu finden, sodass die bedrohten Arten in den jeweiligen Gebieten nicht weiter gefährdet werden.
Welchen Schutz ein Natura-2000-Gebiet genießt, hängt davon ab, ob es:
- durch die Vogelschutzrichtlinie oder
- durch die FFH-Richtlinie,
- und ob es zusätzlich durch weiteres nationales Recht wie Naturschutzgebiete oder Landschaftsschutzgebiete geschützt ist.
Grundsätzlich gilt aber für alle Natura-2000-Gebiete, dass die zuständigen Verwaltungen in den Gebieten geplante Bauvorhaben immer daraufhin prüfen, ob sie die geschützten Arten oder Lebensräume gefährden. Im Zweifelsfall können die Behörden die Bauvorhaben stoppen.
Ausweisung von Natura 2000
In Deutschland wählen die Bundesländer eigenständig ihre Natura-2000-Gebiete. Diese melden sie dann an die Europäische Organisation, die zusammen mit der Europäischen Umweltagentur die vorgeschlagenen Gebiete nach wissenschaftlichen Kriterien prüft. Diese Kriterien sind in den beiden Richtlinien genau definiert und die Liste ist lang. Zum Beispiel geht es um das Vorkommen bestimmter Arten, die durch die Richtlinien geschützt sind und somit ein Gebiet schützenswert machen. Wenn die Gebiete die Kriterien erfüllen, genehmigt die EU-Kommission die Gebietsliste offiziell. Jetzt hat das jeweilige Bundesland sechs Jahre Zeit, die Gebiete als Schutzgebiete für Natura 2000 auszuweisen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen.
Ob dabei die Betroffenen einbezogen werden oder nicht, unterscheidet sich stark von Gebiet zu Gebiet.
- Es gibt einige Beispiele, wo Landnutzung wie Land- und Forstwirtschaft gut kooperieren. Dort gibt es Konzepte, wie die Bewirtschaftung der Flächen Hand in Hand mit dem Naturschutz gehen kann. Naturschützende und Landnutzende einigen sich zum Beispiel auf unbewirtschaftete Zonen, wo Blühstreifen entstehen können oder darauf, dass ein gewisser Totholzanteil im Wald verbleiben darf.
- Anderswo gibt es Konflikte und Widerstände bei der Ausweisung von Natura-2000-Schutzgebieten. Das liegt vor allem daran, dass wirtschaftliche Faktoren bei der Ausweisung der Gebiete keine Rolle spielen. So kann es passieren, dass Land- oder Forstwirt*innen die Flächen durch die Ausweisung von Natura 2000 nicht mehr so wie bisher bewirtschaften können.
- Besonders Natursport und Tourismus lassen sich aber gut mit Natura 2000 kombinieren. Die intakte, besondere Natur, die Natura 2000 schafft und schützt, lädt zum Wandern und Radfahren ein und bietet vielerorts ein attraktives Urlaubsziel. Häufig klären Infozentren und Naturführer*innen die Besucher*innen über die Besonderheiten der geschützten Landschaft auf.
Konkret läuft die Ausweisung so ab: Ein Bundesland möchte ein Gebiet zu Natura 2000 erklären. Anhand der Kriterien aus Vogelschutz- oder FFH-Richtlinie erfasst es standardisierte Daten über das Vorkommen bestimmter Arten und/oder Besonderheiten des Lebensraums. Diese Daten gehen dann an die Europäische Komission. Die wiederum überprüft, ob das Gebiet den Kriterien entspricht und vergleicht es mit Gebieten, die derselbe Lebensraumtyp sind oder ähnliche Arten beheimaten. Dann nimmt sie den Vorschlag an oder lehnt ihn ab. Nimmt sie ihn an, hat das entsprechende Bundesland sechs Jahre Zeit, das Gebiet als Natura 2000 auszuweisen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Natura 2000: Erhaltungszustand
Die für Natura 2000 ausgewählten Gebiete werden nach ihrem Erhaltungszustand beurteilt und eingeteilt in „günstiger“ oder „ungünstiger“ Erhaltungszustand:
- Besitzt das Gebiet bereits die notwendigen Strukturmerkmale, beispielsweise einen hohen Totholzanteil oder eine besondere Vegetation, um ein charakteristischer Lebensraum zu sein oder einer gefährdeten Art ein sicheres Zuhause zu bieten?
- Oder müssen im Falles eines ungünstigen Erhaltungszustandes noch Maßnahmen ergriffen werden, um einen bestimmten Typ Lebensraum wiederherzustellen? Wurden in den Jahren zuvor beispielsweise Moore entwässert, Flüsse begradigt oder Wälder von Totholz gesäubert?
Mithilfe von Erhaltungszielen definieren die zuständigen Behörden den gewünschten Erhaltungszustand, der erreicht werden soll. Außerdem legen sie Maßnahmen fest, die diesen Zustand möglich machen sollen. Besteht bereits ein günstiger Erhaltungszustand, dann bestehen die Erhaltungsmaßnahmen nur darin, Schutzgebiete auszuweisen. Außerdem müssen die Behörden entscheiden, wie sie überprüfen können, ob der günstige Erhaltungszustand erhalten bleibt.
Maßnahmen in Natura-2000-Gebieten
Sind die Erhaltungsziele und der Erhaltungszustand definiert, legen die jeweiligen Bundesländer die Erhaltungsmaßnahmen fest. Diese teilt die EU-Kommission in drei Kategorien:
- Keine Maßnahmen: Zusätzlich zu den bereits stattgefundenen Maßnahmen sind keine weiteren erforderlich.
- Einfache Maßnahmen: Diese können beispielsweise dazu dienen, Störungen während der Brutzeit zu vermeiden oder Totholz zu vermehren. Ein höherer Totholzanteil bietet vielen Lebewesen Lebensraum und Nahrung und trägt so zur Biodiversität bei.
- Umfangreiche Maßnahmen: Dazu kann es gehören, gebietsfremde Arten zu entfernen, Moore wieder zu bewässern oder ähnliches.
Die Maßnahmen sind stark vom jeweiligen Schutzgebiet abhängig. Auch Flächennutzer*innen und -eigentümer*innen, die lokale Bevölkerung und ortsansässige Verbände dürfen über die Maßnahmen mitentscheiden.
Sollen Baumaßnahmen auf dem Gebiet von Natura 2000 stattfinden, dann ist eine Verträglichkeitsprüfung unerlässlich. Diese muss gewährleisten, dass das Vorhaben den geschützten Lebensraum oder die dort ansässigen seltenen, bedrohten Arten nicht gefährdet.
Alle sechs Jahre erstatten die Mitgliedsstaaten Bericht an die EU-Kommission über Zustand und Entwicklung ihrer Natura-2000-Gebiete.
Natura 2000 auf EU-Ebene
Die EU weist nicht alle Gebiete als Natura 2000 aus, in denen eine bestimmte durch die FFH-Richtlinie geschützte Art vorkommt. Stattdessen wählt sie nur die geeignetsten dieser Gebiete aus. Außerdem hat sie für die einzelnen Arten und Lebensraumtypen eine bestimmte Anzahl an Gebieten festgelegt, die notwendig ist, um den Erhalt der jeweiligen Arten und Lebensräume auch wirklich auf Dauer sicherzustellen.
Auf dem Land plant die EU-Komission derzeit keine weitere Ausweitung des Natura-2000-Netzes, da es bereits fast alle wichtigen Gebiete umfasst. An einige Länder hat die EU allerdings noch die Forderung gestellt, bestimmte weitere Gebiete mit besonderen Arten und Lebensraumtypen als Natura 2000 auszuweisen, um ihr Netz zu vervollständigen.
Schwieriger gestaltet sich die Ausweisung der Meeresschutzgebiete von Natura 2000. Im Jahr 2016 gab es bereits 3000 Natura-2000-Meeresschutzgebiete laut EU-Kommission. Allerdings ist die Ausweisung schwierig, weil entscheidende Daten zur Verbreitung bestimmter Lebensräume und Arten fehlen.
Nationalpark, Naturschutzgebiet, Natura 2000?
Laut Bundesumweltministerium muss Natura 2000 rechtlich gesichert werden. Grundsätzlich müssen die EU-Mitgliedstaaten EU-Richtlinien wie die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie noch in nationales Recht übersetzen. Das passiert zum Beispiel dadurch, dass Gebiete für Natura 2000 als Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen werden, damit der notwendige Schutz gewährleistet wird. Grundsätzlich erfolgt die Ausweisung von Naturschutzgebieten und Nationalparks aber auf Bundesebene, während Natura 2000 immer auf europäischer Ebene festgelegt wird.
Im Grunde ist es also eine Frage der gesetzlichen Grundlage, was Natura 2000 und was Nationalpark oder Naturschutzgebiet ist. Häufig sind die Flächen sogar deckungsgleich oder überschneiden sich. Ein Naturschutzgebiet kann Natura 2000 sein, muss aber nicht. Auch Natura 2000 kann für sich bestehen.
Ein Unterschied ist außerdem, dass das vorrangige Ziel des Nationalparks ist, die Fläche vollständig der menschlichen Nutzung zu entziehen. Bei Natura 2000 dagegen geht es eher darum, ein nachhaltiges Miteinander von Mensch und Natur zu schaffen.
Natura 2000 in Deutschland
15,5 Prozent der Land- und 45 Prozent der Meeresfläche in Deutschland sind als Natura 2000 bisher erfasst. Das sind insgesamt rund 5200 Schutzgebiete laut Bundesamt für Naturschutz. Den größeren Teil davon machen die FFH-Gebiete mit rund 4500 Schutzgebieten aus, aber auch 742 Vogelschutzgebiete kann Deutschland aufweisen. Zum Teil überschneiden sich die Gebiete.
Damit werden in Deutschland insgesamt 110 Vogelarten, 92 Lebensraumtypen und 138 der Arten geschützt, die in den beiden Richtlinien gelistet sind. Wenn du dich genauer dafür interessierst, wo du Natura 2000 findest, dann schau dir doch mal die interaktive Karte des Bundesamts für Naturschutz an.
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