An Nespresso scheiden sich die Geister: Für die einen attraktiv und verantwortungsbewusst, für die anderen viel brühheiße Luft und ganz bestimmt nicht nachhaltig – um nicht zu sagen ökologische Todsünde. Dabei ist Kaffee schon an sich ein Luxusprodukt: bei Herstellung und Transport werden viel Wasser und Energie verbraucht, konsumierende Industrienationen und Produzenten führen einen harten Preiskampf.
Das zum Nestlé-Konzern gehörende Unternehmen Nespresso hat seit Markteinführung in den 1980er-Jahren viel unternommen, um Kritik zu entkräften und Nachhaltigkeitsbewusstsein zu demonstrieren. Vor einem Jahr schließlich wurde das „Nespresso Sustainability Advisory Board“ eingerichtet, das vor wenigen Tagen auf dem zweiten Treffen das Nachhaltigkeitsprogramm „The Positive Cup“ vorgestellt hat.
Zu den Teilnehmern gehören unter anderem die Rainforest Alliance, Fairtrade International und die Weltnaturschutzunion (IUCN). Unter dem Strich lesen sich die Neuigkeiten unter den Vorhaben bis 2020 wie folgt: Nespresso investiert rund 413 Mio. Euro und richtet damit und für deren Verteilung einen nachhaltigen Entwicklungsfonds ein.
Wichtige Schritte von Anbau bis Recycling
Mit dem Programm baut Nespresso seine Nachhaltigkeitsaktivitäten weiter aus: Der Anteil des durch die Rainforest Alliance zertifizierten Kaffees soll erhöht werden, damit auch der nachhaltige Anbau und die entsprechenden Schulungen der Kaffeebauern. Durch eine Fairtrade-Kooperation soll ein Rentenfonds geschaffen werden.
Das Fairtrade-Siegel wird bei Nespresso weiterhin fehlen, auch wenn einzelne Bauern ihrerseits Fairtrade-zertifiziert sind: „Der Kern unseres Bekenntnisses zur Nachhaltigkeit und zum Wohlergehen der Kaffeebauern ist jedoch unser Nespresso AAA Sustainable Quality™ Programm, das rund 62.000 Kaffeebauern in acht Ländern umfasst“, teilt Nespresso mit. Neues Aluminium für die Kapseln soll gemäß der Aluminium Stewardship Initiative (ASI) nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien gewonnen werden.
Auch die Recycling- bzw. Rücknahmekapazität für die Kapseln soll steigen – wohlgemerkt, die Kapazität, denn das Verhalten der Verbraucher kann auch Nespresso nicht steuern und schreibt dazu auf Anfrage: „Jegliche Schätzungen der Recyclingquote sind daher nicht wirklich aussagekräftig. Daher haben wir uns dazu entschieden, uns auf die konkret messbaren Fortschritte bei der Recyclingkapazität zu konzentrieren.“
Ob das Recycling also funktioniert, hängt stark von der lokalen Situation ab: Wer Kapseln im Internet bestellt, weil er keine der weltweit 200 Nespresso-Boutiquen in seiner Nähe hat, wird diese erst recht nicht zu einer solchen zur Rücknahme bringen. Der Bezug von Kaffee aus exklusiven Nespresso-Shops oder via Paketdienst wie auch die Rückgabe führt in jedem Fall zu mehr Transportaufkommen als beim traditionellen Wocheneinkauf.
Aluminium-Kapseln – Lösungen für ein hausgemachtes Problem
Käme das Kaffeeangebot des Unternehmens ohne Alukapsel daher, wäre sein Engagement durchaus zu loben. Investitionen in eine nachhaltige Aluminiumproduktion sind gut, setzen aber nicht an der Wurzel des Problems an. Rund acht Milliarden Kapseln wurden 2013 weltweit verwendet – Tendenz steigend –, das entspricht etwa 8.000 Tonnen Aluminium, die erst einmal produziert werden wollen.
Das Unternehmen erklärt dazu: „Für Nespresso Kapseln ist niedrig legiertes Aluminium erforderlich. Die Verfügbarkeit dieser Legierung in recycelter Form ist derzeit eine Herausforderung. Aktuell setzen wir hauptsächlich Primäraluminium ein. Da aber Aluminium bekanntermaßen unendlich oft recycelbar ist, ist es von besonderer Bedeutung, dass wir uns dafür einsetzen, dass das in den Nespresso Kapseln verwendete Aluminium in anderen Produkten – wie zum Beispiel Fahrrädern oder Fensterrahmen – wiederverwertet werden kann.“
Wären Nespresso Umwelt und Image egal, könnte sich das Unternehmen zurücklehnen, rein rechtlich müsste es sich gerade einmal um Entsorgungskapazitäten für die Kartonverpackungen bemühen, denn: „Aluminium-Kapseln gelten laut EU-Regelung nicht als Verpackung. Das bedeutet, dass Nespresso Kapseln nicht von nationalen oder lokalen Systemen für die Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen gesammelt werden, da diese nicht in der Lage sind, leichtes Aluminium von anderen Verpackungen zu trennen“, schreibt Nespresso.
„In Ländern, in denen die nationalen Recycling-Systeme nicht geeignet sind, hat Nespresso spezielle Sammellösungen entwickelt und in 27 Ländern über 14.000 eigene Sammelstellen eingerichtet.“ Kooperationen wie mit dem Dualen System in Deutschland seien somit freiwillig, hierzulande sollen die Kapseln inklusive Kaffeesatz in die Wertstofftonne, beim Recycling spare dann das organische Substrat externe Brennstoffe ein. In Österreich hingegen werden Alu und Kaffee aufwendig getrennt, organische Stoffe wandern in Richtung Kompost.
Fazit: Nespresso ist Hochglanz ohne grünen Kern
Nespresso hat Umwelt- und Sozialbelange auf der Agenda, ob aus Überzeugung oder aus Marketinggründen nachhaltig gehandelt wird, spielt im Effekt keine Rolle. Den Überblick zu behalten, bleibt jedoch schwierig: Im Bereich des Anbaus zeigen Kooperationen mit Fairtrade, dass sich Nespresso nicht nur auf die hauseigenen Insellösungen beschränkt. Bei der Verpackung werden viele Hebel bewegt, um den Fußabdruck der Alukapsel klein zu halten.
Und doch bleibt im Kaffeesatz ein großes Sohlenprofil: Der Kaffee aus dem Großpaket spart gegenüber der Einzelkapsel Ressourcen, die weder gewonnen noch recycelt werden müssen. Nespresso ist es zweifellos gelungen, dass Kaffee vom Verbraucher wieder als Luxusprodukt wahrgenommen wird, nachdem jahrelang der Preis – und damit die Wertschätzung – gesunken ist. Doch der eigentliche Luxus liegt bereits im aufwendig produzierten Kaffee – und nicht im ressourcenintensiven Brimborium, das Nespresso drum herum veranstaltet. Auch mit dem neuen Nachhaltigkeitsprogramm bleibt das Bild des Unternehmens also weiterhin auf Hochglanz – es wird aber nicht im Kern grün.
Hier eine Alternative:
- Wiederbefüllbare Nespresso-Kapseln im Utopia-Test
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